von dem verlohrnen Prozesse meines Vaters ge- schrieben? -- Er ist verlohren, und mein Va- ter und Amalie sind mir auch verlohren! -- Du konntest es aber nicht unterlassen, mir die Krankheit Deines Vaters zu melden, weil Dir die Hoffnung Deiner baldigen unumschränkten Freyheit zu sehr im Sinne lag; eine heimliche Freude führte bey dieser Stelle Deine Feder, das wirst Du mir nie abläugnen können, wenn Du aufrichtig bist. Um Dich aber vor Dir selbst zu rechtfertigen, gebieten Dir Deine Grund- sätze die Wartung des Kranken, die Liebe eines Sohnes für ihn, -- o mehr kannst Du ja gar nicht thun, Du beweinst dann noch seinen Tod, -- und welch ein vortrefflicher Mensch bist Du nicht bey alle dem! -- O hinweg mit diesen Grundsätzen, mit allen ähnlich klingendem Galimathias! -- Larven, die den Eigennutz verbergen sollen, die der Dünkel erfunden hat, um sich zu verschönern. O glaube mir, man kennt die Menschen, wenn man sich selbst kennt. -- Und ich kann Dir auch diesen Eigennutz, diese heimliche Freude nicht verübeln, nur hin ich ver- drüßlich, daß Du alles so absichtlich zu verstecken suchst, und mit glänzendem Firniß anzustreichen.
von dem verlohrnen Prozeſſe meines Vaters ge- ſchrieben? — Er iſt verlohren, und mein Va- ter und Amalie ſind mir auch verlohren! — Du konnteſt es aber nicht unterlaſſen, mir die Krankheit Deines Vaters zu melden, weil Dir die Hoffnung Deiner baldigen unumſchraͤnkten Freyheit zu ſehr im Sinne lag; eine heimliche Freude fuͤhrte bey dieſer Stelle Deine Feder, das wirſt Du mir nie ablaͤugnen koͤnnen, wenn Du aufrichtig biſt. Um Dich aber vor Dir ſelbſt zu rechtfertigen, gebieten Dir Deine Grund- ſaͤtze die Wartung des Kranken, die Liebe eines Sohnes fuͤr ihn, — o mehr kannſt Du ja gar nicht thun, Du beweinſt dann noch ſeinen Tod, — und welch ein vortrefflicher Menſch biſt Du nicht bey alle dem! — O hinweg mit dieſen Grundſaͤtzen, mit allen aͤhnlich klingendem Galimathias! — Larven, die den Eigennutz verbergen ſollen, die der Duͤnkel erfunden hat, um ſich zu verſchoͤnern. O glaube mir, man kennt die Menſchen, wenn man ſich ſelbſt kennt. — Und ich kann Dir auch dieſen Eigennutz, dieſe heimliche Freude nicht veruͤbeln, nur hin ich ver- druͤßlich, daß Du alles ſo abſichtlich zu verſtecken ſuchſt, und mit glaͤnzendem Firniß anzuſtreichen.
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von dem verlohrnen Prozeſſe meines Vaters ge-
ſchrieben? — Er iſt verlohren, und mein Va-
ter und Amalie ſind mir auch verlohren! —
Du konnteſt es aber nicht unterlaſſen, mir die
Krankheit Deines Vaters zu melden, weil Dir
die Hoffnung Deiner baldigen unumſchraͤnkten
Freyheit zu ſehr im Sinne lag; eine heimliche
Freude fuͤhrte bey dieſer Stelle Deine Feder,
das wirſt Du mir nie ablaͤugnen koͤnnen, wenn
Du aufrichtig biſt. Um Dich aber vor Dir
ſelbſt zu rechtfertigen, gebieten Dir Deine Grund-
ſaͤtze die Wartung des Kranken, die Liebe eines
Sohnes fuͤr ihn, — o mehr kannſt Du ja
gar nicht thun, Du beweinſt dann noch ſeinen
Tod, — und welch ein vortrefflicher Menſch
biſt Du nicht bey alle dem! — O hinweg mit
dieſen Grundſaͤtzen, mit allen aͤhnlich klingendem
Galimathias! — Larven, die den Eigennutz
verbergen ſollen, die der Duͤnkel erfunden hat,
um ſich zu verſchoͤnern. O glaube mir, man
kennt die Menſchen, wenn man ſich ſelbſt kennt. —
Und ich kann Dir auch dieſen Eigennutz, dieſe
heimliche Freude nicht veruͤbeln, nur hin ich ver-
druͤßlich, daß Du alles ſo abſichtlich zu verſtecken
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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/244>, abgerufen am 18.05.2024.
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