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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

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mit allen, selbst mit dem wunderbaren Andrea
hatt' ich ein inniges Mitleiden. Sie waren ernst
und feierlich, und mir war, als müßt' ich la-
chen. -- Daß Gedanken und Vorstellungen den
sogenannten Frohsinn aus unserm Gesichte ver-
jagen können, ist bejammernswürdig.

Ich streckte meine Hand aus und berührte
den nächstsitzenden; und wie ins Reich der Ver-
nichtung griff ich hinein und war ein Glied der
zerbröckelnden Kette. Ich gehörte nun mit
zum Haufen, und war mir selber fremd und
armseelig, so wie die übrigen.

Aller Augen waren starr auf die Wand ge-
heftet, in allen spiegelte sich der Widerschein
des Todes. Die Kerzen brannten dunkler, die
Vorhänge rauschten geheimnißvoll, das Blut
in meinen Adern wollte aufsieden und erstarrte.

Töne schlugen das Ohr mit seltsamer Be-
deutung, wie Arabeskengebilde fuhr es durch
meinen Sinn; ich erwartete etwas Fremdgestal-
tetes und lechzte nach etwas Ungeheuerm. Und
ich vergaß hinter mir zu sehn und stand unter
meinen Freunden einsam, wie in einem Walde
von verdorrten Bäumen.

Schatten fielen von oben herunter und san-

X 2

mit allen, ſelbſt mit dem wunderbaren Andrea
hatt’ ich ein inniges Mitleiden. Sie waren ernſt
und feierlich, und mir war, als muͤßt’ ich la-
chen. — Daß Gedanken und Vorſtellungen den
ſogenannten Frohſinn aus unſerm Geſichte ver-
jagen koͤnnen, iſt bejammernswuͤrdig.

Ich ſtreckte meine Hand aus und beruͤhrte
den naͤchſtſitzenden; und wie ins Reich der Ver-
nichtung griff ich hinein und war ein Glied der
zerbroͤckelnden Kette. Ich gehoͤrte nun mit
zum Haufen, und war mir ſelber fremd und
armſeelig, ſo wie die uͤbrigen.

Aller Augen waren ſtarr auf die Wand ge-
heftet, in allen ſpiegelte ſich der Widerſchein
des Todes. Die Kerzen brannten dunkler, die
Vorhaͤnge rauſchten geheimnißvoll, das Blut
in meinen Adern wollte aufſieden und erſtarrte.

Toͤne ſchlugen das Ohr mit ſeltſamer Be-
deutung, wie Arabeskengebilde fuhr es durch
meinen Sinn; ich erwartete etwas Fremdgeſtal-
tetes und lechzte nach etwas Ungeheuerm. Und
ich vergaß hinter mir zu ſehn und ſtand unter
meinen Freunden einſam, wie in einem Walde
von verdorrten Baͤumen.

Schatten fielen von oben herunter und ſan-

X 2
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[323/0329] mit allen, ſelbſt mit dem wunderbaren Andrea hatt’ ich ein inniges Mitleiden. Sie waren ernſt und feierlich, und mir war, als muͤßt’ ich la- chen. — Daß Gedanken und Vorſtellungen den ſogenannten Frohſinn aus unſerm Geſichte ver- jagen koͤnnen, iſt bejammernswuͤrdig. Ich ſtreckte meine Hand aus und beruͤhrte den naͤchſtſitzenden; und wie ins Reich der Ver- nichtung griff ich hinein und war ein Glied der zerbroͤckelnden Kette. Ich gehoͤrte nun mit zum Haufen, und war mir ſelber fremd und armſeelig, ſo wie die uͤbrigen. Aller Augen waren ſtarr auf die Wand ge- heftet, in allen ſpiegelte ſich der Widerſchein des Todes. Die Kerzen brannten dunkler, die Vorhaͤnge rauſchten geheimnißvoll, das Blut in meinen Adern wollte aufſieden und erſtarrte. Toͤne ſchlugen das Ohr mit ſeltſamer Be- deutung, wie Arabeskengebilde fuhr es durch meinen Sinn; ich erwartete etwas Fremdgeſtal- tetes und lechzte nach etwas Ungeheuerm. Und ich vergaß hinter mir zu ſehn und ſtand unter meinen Freunden einſam, wie in einem Walde von verdorrten Baͤumen. Schatten fielen von oben herunter und ſan- X 2

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/329>, abgerufen am 22.11.2024.