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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

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es wünsche: eben so sollte aller unser Umgang
beschaffen seyn. Ich spreche mit dem Franzosen
französisch und mit dem Italiäner seine Mutter-
sprache; eben so rede ich mit jedermann nur die
Meinungen, die er versteht, das heißt, die ich
ihm zutraue, ich suche mich selbst ihm niemahls
aufzudrängen, sondern ich locke seine Seele all-
gemach über seine Lippen, und gebe ihm seine
eigne Worte anders gewandt in's Ohr zurück.
Welche Gesinnungen stehen dann in uns so fest
und hell, um sie fremden Gemüthern aufzudrän-
gen? Und wenn es der Fall seyn könnte, wo
finde ich Brücken, um sie nach fremden Ufern
hinüberzuschlagen? welchen Haken soll der Geist
auswerfen, um mit einer fremden Seele zu en-
tern? --

So ging ich lange Zeit mit Lovell um, ohne
daß er es wußte, ich sprach mich ganz in ihn
hinüber, und er erstaunte nicht wenig über die
Sympathie unsrer Seelen, und traute mir nun
jeden seiner flüchtigsten Gedanken, jede seiner
seltsamen Empfindungen zu. Diejenigen, die er
nicht bey mir wahrzunehmen glaubte, hielt er
bald von selbst für unreif und thörigt, dagegen
fing er emsig einen hingeworfenen Wink von

es wuͤnſche: eben ſo ſollte aller unſer Umgang
beſchaffen ſeyn. Ich ſpreche mit dem Franzoſen
franzoͤſiſch und mit dem Italiaͤner ſeine Mutter-
ſprache; eben ſo rede ich mit jedermann nur die
Meinungen, die er verſteht, das heißt, die ich
ihm zutraue, ich ſuche mich ſelbſt ihm niemahls
aufzudraͤngen, ſondern ich locke ſeine Seele all-
gemach uͤber ſeine Lippen, und gebe ihm ſeine
eigne Worte anders gewandt in’s Ohr zuruͤck.
Welche Geſinnungen ſtehen dann in uns ſo feſt
und hell, um ſie fremden Gemuͤthern aufzudraͤn-
gen? Und wenn es der Fall ſeyn koͤnnte, wo
finde ich Bruͤcken, um ſie nach fremden Ufern
hinuͤberzuſchlagen? welchen Haken ſoll der Geiſt
auswerfen, um mit einer fremden Seele zu en-
tern? —

So ging ich lange Zeit mit Lovell um, ohne
daß er es wußte, ich ſprach mich ganz in ihn
hinuͤber, und er erſtaunte nicht wenig uͤber die
Sympathie unſrer Seelen, und traute mir nun
jeden ſeiner fluͤchtigſten Gedanken, jede ſeiner
ſeltſamen Empfindungen zu. Diejenigen, die er
nicht bey mir wahrzunehmen glaubte, hielt er
bald von ſelbſt fuͤr unreif und thoͤrigt, dagegen
fing er emſig einen hingeworfenen Wink von

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[60/0066] es wuͤnſche: eben ſo ſollte aller unſer Umgang beſchaffen ſeyn. Ich ſpreche mit dem Franzoſen franzoͤſiſch und mit dem Italiaͤner ſeine Mutter- ſprache; eben ſo rede ich mit jedermann nur die Meinungen, die er verſteht, das heißt, die ich ihm zutraue, ich ſuche mich ſelbſt ihm niemahls aufzudraͤngen, ſondern ich locke ſeine Seele all- gemach uͤber ſeine Lippen, und gebe ihm ſeine eigne Worte anders gewandt in’s Ohr zuruͤck. Welche Geſinnungen ſtehen dann in uns ſo feſt und hell, um ſie fremden Gemuͤthern aufzudraͤn- gen? Und wenn es der Fall ſeyn koͤnnte, wo finde ich Bruͤcken, um ſie nach fremden Ufern hinuͤberzuſchlagen? welchen Haken ſoll der Geiſt auswerfen, um mit einer fremden Seele zu en- tern? — So ging ich lange Zeit mit Lovell um, ohne daß er es wußte, ich ſprach mich ganz in ihn hinuͤber, und er erſtaunte nicht wenig uͤber die Sympathie unſrer Seelen, und traute mir nun jeden ſeiner fluͤchtigſten Gedanken, jede ſeiner ſeltſamen Empfindungen zu. Diejenigen, die er nicht bey mir wahrzunehmen glaubte, hielt er bald von ſelbſt fuͤr unreif und thoͤrigt, dagegen fing er emſig einen hingeworfenen Wink von

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/66>, abgerufen am 21.11.2024.