Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
16.
Willy an seinen Bruder Thoma's.


Jetzt muß ich fort, Thomas, ich muß nach
England, oder der Gram macht, daß ich mich
hier in dem fremden, fatalen Lande muß begra-
ben lassen. Ach, wer hätte das wohl noch vor
einem Jahre gedacht! Wer mir es gesagt hätte,
den hätte ich für einen Lügner gescholten, oder
ihn wohl gar geschlagen, wenn es sich sonst
hätte thun lassen. Aber kein Mensch kann auf
solche Sachen fallen, das ist gewiß, weil bey
der ganzen Geschichte der böse Feind sein Spiel
haben muß, das glaube ich nunmehr gewiß und
ganz festiglich. Ach Thomas, wenn man jetzt
noch nach Dir schlagen und stoßen wollte, Leu-
te, die Du hast groß werden sehn, es würde
mir wie kalt Wasser durch die ganze Seele gehn,
ja, und so muß Dir nun auch als einem red-
lichen Bruder zu Muthe werden, wenn Du so
was von mir hörst, da ich noch älter bin, als
Du bist. -- Mein Herr, -- ach, denke Dir,
letzt kam er ganz betrunken nach Hause, wie er

F 2
16.
Willy an ſeinen Bruder Thoma’s.


Jetzt muß ich fort, Thomas, ich muß nach
England, oder der Gram macht, daß ich mich
hier in dem fremden, fatalen Lande muß begra-
ben laſſen. Ach, wer haͤtte das wohl noch vor
einem Jahre gedacht! Wer mir es geſagt haͤtte,
den haͤtte ich fuͤr einen Luͤgner geſcholten, oder
ihn wohl gar geſchlagen, wenn es ſich ſonſt
haͤtte thun laſſen. Aber kein Menſch kann auf
ſolche Sachen fallen, das iſt gewiß, weil bey
der ganzen Geſchichte der boͤſe Feind ſein Spiel
haben muß, das glaube ich nunmehr gewiß und
ganz feſtiglich. Ach Thomas, wenn man jetzt
noch nach Dir ſchlagen und ſtoßen wollte, Leu-
te, die Du haſt groß werden ſehn, es wuͤrde
mir wie kalt Waſſer durch die ganze Seele gehn,
ja, und ſo muß Dir nun auch als einem red-
lichen Bruder zu Muthe werden, wenn Du ſo
was von mir hoͤrſt, da ich noch aͤlter bin, als
Du biſt. — Mein Herr, — ach, denke Dir,
letzt kam er ganz betrunken nach Hauſe, wie er

F 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0089" n="83"/>
        <div n="2">
          <head>16.<lb/><hi rendition="#g">Willy an &#x017F;einen Bruder Thoma&#x2019;s</hi>.</head><lb/>
          <dateline>
            <placeName> <hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Rom</hi>.</hi> </placeName>
          </dateline><lb/>
          <p><hi rendition="#in">J</hi>etzt <hi rendition="#g">muß</hi> ich fort, Thomas, ich <hi rendition="#g">muß</hi> nach<lb/>
England, oder der Gram macht, daß ich mich<lb/>
hier in dem fremden, fatalen Lande muß begra-<lb/>
ben <choice><sic>la&#x017F;&#x017F;eu</sic><corr>la&#x017F;&#x017F;en</corr></choice>. Ach, wer ha&#x0364;tte das wohl noch vor<lb/>
einem Jahre gedacht! Wer mir es ge&#x017F;agt ha&#x0364;tte,<lb/>
den ha&#x0364;tte ich fu&#x0364;r einen Lu&#x0364;gner ge&#x017F;cholten, oder<lb/>
ihn wohl gar ge&#x017F;chlagen, wenn es &#x017F;ich &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
ha&#x0364;tte thun la&#x017F;&#x017F;en. Aber kein Men&#x017F;ch kann auf<lb/>
&#x017F;olche Sachen fallen, das i&#x017F;t gewiß, weil bey<lb/>
der ganzen Ge&#x017F;chichte der bo&#x0364;&#x017F;e Feind &#x017F;ein Spiel<lb/>
haben muß, das glaube ich nunmehr gewiß und<lb/>
ganz fe&#x017F;tiglich. Ach Thomas, wenn man jetzt<lb/>
noch nach Dir &#x017F;chlagen und &#x017F;toßen wollte, Leu-<lb/>
te, die Du ha&#x017F;t groß werden &#x017F;ehn, es wu&#x0364;rde<lb/>
mir wie kalt Wa&#x017F;&#x017F;er durch die ganze Seele gehn,<lb/>
ja, und &#x017F;o muß Dir nun auch als einem red-<lb/>
lichen Bruder zu Muthe werden, wenn Du &#x017F;o<lb/>
was von mir ho&#x0364;r&#x017F;t, da ich noch a&#x0364;lter bin, als<lb/>
Du bi&#x017F;t. &#x2014; Mein Herr, &#x2014; ach, denke Dir,<lb/>
letzt kam er ganz betrunken nach Hau&#x017F;e, wie er<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">F 2</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[83/0089] 16. Willy an ſeinen Bruder Thoma’s. Rom. Jetzt muß ich fort, Thomas, ich muß nach England, oder der Gram macht, daß ich mich hier in dem fremden, fatalen Lande muß begra- ben laſſen. Ach, wer haͤtte das wohl noch vor einem Jahre gedacht! Wer mir es geſagt haͤtte, den haͤtte ich fuͤr einen Luͤgner geſcholten, oder ihn wohl gar geſchlagen, wenn es ſich ſonſt haͤtte thun laſſen. Aber kein Menſch kann auf ſolche Sachen fallen, das iſt gewiß, weil bey der ganzen Geſchichte der boͤſe Feind ſein Spiel haben muß, das glaube ich nunmehr gewiß und ganz feſtiglich. Ach Thomas, wenn man jetzt noch nach Dir ſchlagen und ſtoßen wollte, Leu- te, die Du haſt groß werden ſehn, es wuͤrde mir wie kalt Waſſer durch die ganze Seele gehn, ja, und ſo muß Dir nun auch als einem red- lichen Bruder zu Muthe werden, wenn Du ſo was von mir hoͤrſt, da ich noch aͤlter bin, als Du biſt. — Mein Herr, — ach, denke Dir, letzt kam er ganz betrunken nach Hauſe, wie er F 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/89
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 2. Berlin u. a., 1796, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell02_1796/89>, abgerufen am 21.11.2024.