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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796.

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"Ein ungesäuberter Garten, wo alles in
"Saamen schießt und mit Unkraut und Disteln
"überwachsen ist; -- o pfuy, pfuy der Welt!"--

Ich erröthe noch jetzt, wenn ich daran zu-
rückdenke; es ist, als wenn ich von je alle
Gelegenheiten begierig ergriffen hätte, um mich
selbst zu erniedrigen. In dieser Nacht versprach
mir die Blainville, eine Gelegenheit zu verschaf-
fen, Amalien im Garten hinter dem Hause al-
lein zu sprechen. Mortimer reise am folgenden
Morgen fort, und sie wolle denn auf dem
Abend einen gewaltigen Rauch und ein unschäd-
liches Feuer erregen, ein gewaltiges Geschrey
erheben, alle Bedienten würden mit den An-
stalten beschäftigt seyn und Amalie würde sich
auf ihren Rath nach dem Garten retten; dann
wolle sie mir das Haus eröffnen und mich zu
Amalien führen.

Schon früh am Morgen sah ich Mortimer zu
Pferde steigen und wegreiten. Mit welcher Un-
ruhe erwartete ich den Untergang der Sonne!
Amalie ließ sich nicht blicken, und ich konnte
auch die Blainville nicht wieder sprechen. End-
lich ward es Abend; ich gieng in der Allee vor
dem Hause auf und ab, die Bäume rauschten

»Ein ungeſaͤuberter Garten, wo alles in
»Saamen ſchießt und mit Unkraut und Diſteln
»uͤberwachſen iſt; — o pfuy, pfuy der Welt!«—

Ich erroͤthe noch jetzt, wenn ich daran zu-
ruͤckdenke; es iſt, als wenn ich von je alle
Gelegenheiten begierig ergriffen haͤtte, um mich
ſelbſt zu erniedrigen. In dieſer Nacht verſprach
mir die Blainville, eine Gelegenheit zu verſchaf-
fen, Amalien im Garten hinter dem Hauſe al-
lein zu ſprechen. Mortimer reiſe am folgenden
Morgen fort, und ſie wolle denn auf dem
Abend einen gewaltigen Rauch und ein unſchaͤd-
liches Feuer erregen, ein gewaltiges Geſchrey
erheben, alle Bedienten wuͤrden mit den An-
ſtalten beſchaͤftigt ſeyn und Amalie wuͤrde ſich
auf ihren Rath nach dem Garten retten; dann
wolle ſie mir das Haus eroͤffnen und mich zu
Amalien fuͤhren.

Schon fruͤh am Morgen ſah ich Mortimer zu
Pferde ſteigen und wegreiten. Mit welcher Un-
ruhe erwartete ich den Untergang der Sonne!
Amalie ließ ſich nicht blicken, und ich konnte
auch die Blainville nicht wieder ſprechen. End-
lich ward es Abend; ich gieng in der Allee vor
dem Hauſe auf und ab, die Baͤume rauſchten

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[125/0132] »Ein ungeſaͤuberter Garten, wo alles in »Saamen ſchießt und mit Unkraut und Diſteln »uͤberwachſen iſt; — o pfuy, pfuy der Welt!«— Ich erroͤthe noch jetzt, wenn ich daran zu- ruͤckdenke; es iſt, als wenn ich von je alle Gelegenheiten begierig ergriffen haͤtte, um mich ſelbſt zu erniedrigen. In dieſer Nacht verſprach mir die Blainville, eine Gelegenheit zu verſchaf- fen, Amalien im Garten hinter dem Hauſe al- lein zu ſprechen. Mortimer reiſe am folgenden Morgen fort, und ſie wolle denn auf dem Abend einen gewaltigen Rauch und ein unſchaͤd- liches Feuer erregen, ein gewaltiges Geſchrey erheben, alle Bedienten wuͤrden mit den An- ſtalten beſchaͤftigt ſeyn und Amalie wuͤrde ſich auf ihren Rath nach dem Garten retten; dann wolle ſie mir das Haus eroͤffnen und mich zu Amalien fuͤhren. Schon fruͤh am Morgen ſah ich Mortimer zu Pferde ſteigen und wegreiten. Mit welcher Un- ruhe erwartete ich den Untergang der Sonne! Amalie ließ ſich nicht blicken, und ich konnte auch die Blainville nicht wieder ſprechen. End- lich ward es Abend; ich gieng in der Allee vor dem Hauſe auf und ab, die Baͤume rauſchten

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/132>, abgerufen am 23.11.2024.