Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

ihm gesessen hatte; die Bäume neigten sich weh-
mütig, als wir unter ihren Wipfeln hinweg-
gingen. -- Arm in Arm war ich sonst hier mit
Lovell auf und abgegangen, hier hatte sich uns
mit Entzücken die Welt Ossians und Shakspears
aufgeschlossen, hier hatte ich ihn am Morgen
zuerst gesucht, und noch der Abend traf uns in
diesen Gebüschen, wenn die übrigen schon längst
zu den Zimmern zurückgekehrt waren, -- hier
hatte er mir sein ganzes Herz enthüllt, und ich
ihm das meinige; -- o! und nun gingen wir
mit dicht verschleierten Seelen nebeneinander;
kein Mund öffnete sich, keine Hand streckte sich
nach einem Drucke aus.

Wir kamen an das Gartenthor, und ich
benutzte diesen Stillstand, um ihm einen Wech-
sel in die Hand zu geben. Er sagte nichts, son-
dern steckte ihn mechanisch ein. -- Stillschwei-
gend gingen wir nun wieder den Fußsteig im
Walde hinab, die Laterne schoß nur einzelne
bleiche Strahlen durch die schwarze Nacht des
Forstes, alle Bäume sahen seltsam aus. In ein
zelnen Momenten grauste mir vor der Einsamkeit,
mein Herz zitterte wenn ich mir wiederhohl-

ihm geſeſſen hatte; die Baͤume neigten ſich weh-
muͤtig, als wir unter ihren Wipfeln hinweg-
gingen. — Arm in Arm war ich ſonſt hier mit
Lovell auf und abgegangen, hier hatte ſich uns
mit Entzuͤcken die Welt Oſſians und Shakſpears
aufgeſchloſſen, hier hatte ich ihn am Morgen
zuerſt geſucht, und noch der Abend traf uns in
dieſen Gebuͤſchen, wenn die uͤbrigen ſchon laͤngſt
zu den Zimmern zuruͤckgekehrt waren, — hier
hatte er mir ſein ganzes Herz enthuͤllt, und ich
ihm das meinige; — o! und nun gingen wir
mit dicht verſchleierten Seelen nebeneinander;
kein Mund oͤffnete ſich, keine Hand ſtreckte ſich
nach einem Drucke aus.

Wir kamen an das Gartenthor, und ich
benutzte dieſen Stillſtand, um ihm einen Wech-
ſel in die Hand zu geben. Er ſagte nichts, ſon-
dern ſteckte ihn mechaniſch ein. — Stillſchwei-
gend gingen wir nun wieder den Fußſteig im
Walde hinab, die Laterne ſchoß nur einzelne
bleiche Strahlen durch die ſchwarze Nacht des
Forſtes, alle Baͤume ſahen ſeltſam aus. In ein
zelnen Momenten grauſte mir vor der Einſamkeit,
mein Herz zitterte wenn ich mir wiederhohl-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0076" n="69"/>
ihm ge&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en hatte; die Ba&#x0364;ume neigten &#x017F;ich weh-<lb/>
mu&#x0364;tig, als wir unter ihren Wipfeln hinweg-<lb/>
gingen. &#x2014; Arm in Arm war ich &#x017F;on&#x017F;t hier mit<lb/>
Lovell auf und abgegangen, hier hatte &#x017F;ich uns<lb/>
mit Entzu&#x0364;cken die Welt O&#x017F;&#x017F;ians und Shak&#x017F;pears<lb/>
aufge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, hier hatte ich ihn am Morgen<lb/>
zuer&#x017F;t ge&#x017F;ucht, und noch der Abend traf uns in<lb/>
die&#x017F;en Gebu&#x0364;&#x017F;chen, wenn die u&#x0364;brigen &#x017F;chon la&#x0364;ng&#x017F;t<lb/>
zu den Zimmern zuru&#x0364;ckgekehrt waren, &#x2014; hier<lb/>
hatte er mir &#x017F;ein ganzes Herz enthu&#x0364;llt, und ich<lb/>
ihm das meinige; &#x2014; o! und nun gingen wir<lb/>
mit dicht ver&#x017F;chleierten Seelen nebeneinander;<lb/>
kein Mund o&#x0364;ffnete &#x017F;ich, keine Hand &#x017F;treckte &#x017F;ich<lb/>
nach einem Drucke aus.</p><lb/>
          <p>Wir kamen an das Gartenthor, und ich<lb/>
benutzte die&#x017F;en Still&#x017F;tand, um ihm einen Wech-<lb/>
&#x017F;el in die Hand zu geben. Er &#x017F;agte nichts, &#x017F;on-<lb/>
dern &#x017F;teckte ihn mechani&#x017F;ch ein. &#x2014; Still&#x017F;chwei-<lb/>
gend gingen wir nun wieder den Fuß&#x017F;teig im<lb/>
Walde hinab, die Laterne &#x017F;choß nur einzelne<lb/>
bleiche Strahlen durch die &#x017F;chwarze Nacht des<lb/>
For&#x017F;tes, alle Ba&#x0364;ume &#x017F;ahen &#x017F;elt&#x017F;am aus. In ein<lb/>
zelnen Momenten grau&#x017F;te mir vor der Ein&#x017F;amkeit,<lb/>
mein Herz zitterte wenn ich mir wiederhohl-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0076] ihm geſeſſen hatte; die Baͤume neigten ſich weh- muͤtig, als wir unter ihren Wipfeln hinweg- gingen. — Arm in Arm war ich ſonſt hier mit Lovell auf und abgegangen, hier hatte ſich uns mit Entzuͤcken die Welt Oſſians und Shakſpears aufgeſchloſſen, hier hatte ich ihn am Morgen zuerſt geſucht, und noch der Abend traf uns in dieſen Gebuͤſchen, wenn die uͤbrigen ſchon laͤngſt zu den Zimmern zuruͤckgekehrt waren, — hier hatte er mir ſein ganzes Herz enthuͤllt, und ich ihm das meinige; — o! und nun gingen wir mit dicht verſchleierten Seelen nebeneinander; kein Mund oͤffnete ſich, keine Hand ſtreckte ſich nach einem Drucke aus. Wir kamen an das Gartenthor, und ich benutzte dieſen Stillſtand, um ihm einen Wech- ſel in die Hand zu geben. Er ſagte nichts, ſon- dern ſteckte ihn mechaniſch ein. — Stillſchwei- gend gingen wir nun wieder den Fußſteig im Walde hinab, die Laterne ſchoß nur einzelne bleiche Strahlen durch die ſchwarze Nacht des Forſtes, alle Baͤume ſahen ſeltſam aus. In ein zelnen Momenten grauſte mir vor der Einſamkeit, mein Herz zitterte wenn ich mir wiederhohl-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/76
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/76>, abgerufen am 17.05.2024.