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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796.

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Meine Liebschaft mit der abgeschmackten
Emilie ging indessen immer ihren Gang fort.
Durch meine zerstörte Zufriedenheit bin ich nun
wenigstens manchem aberwitzigen Mädchen inter-
essant; wahrlich, bey jedem Verlust ist doch im-
mer noch irgend ein Gewinn.

Nach jenem Abend, von dem ich Ihnen
neulich erzählte, wußte sie nicht recht, wie sie
sich mit mir nehmen solle, ihre Empfindsamkeit
war etwas gestört, und ihr eigentliches Gefühl
mehr in Bewegung gebracht. Aber sie empfand
es jetzt, daß sie mir einzig angehöre, sie war
leicht dahin zu bereden, daß sie mit mir ent-
fliehen wolle, ja sie war auf dem Wege, es
mir selber anzutragen, wenn ich es nicht gethan
hätte. Tag und Stunde ward festgesetzt, und
sie war mit ihrem Plane und ihrer hohen Auf-
opferung außerordentlich zufrieden.

O über die Abgeschmacktheit der Menschen!
Ich kenne nichts Alberners und Verächtlichers,
als dies Geschlecht. Der Klügere thut Recht,
sie zu hassen und zu verfolgen.

Ich glaubte schon in jeder Rücksicht sicher
zu seyn und dennoch hatte mich ein Mensch im
Schlosse erkannt, mein alter Bedienter Willy.

Meine Liebſchaft mit der abgeſchmackten
Emilie ging indeſſen immer ihren Gang fort.
Durch meine zerſtoͤrte Zufriedenheit bin ich nun
wenigſtens manchem aberwitzigen Maͤdchen inter-
eſſant; wahrlich, bey jedem Verluſt iſt doch im-
mer noch irgend ein Gewinn.

Nach jenem Abend, von dem ich Ihnen
neulich erzaͤhlte, wußte ſie nicht recht, wie ſie
ſich mit mir nehmen ſolle, ihre Empfindſamkeit
war etwas geſtoͤrt, und ihr eigentliches Gefuͤhl
mehr in Bewegung gebracht. Aber ſie empfand
es jetzt, daß ſie mir einzig angehoͤre, ſie war
leicht dahin zu bereden, daß ſie mit mir ent-
fliehen wolle, ja ſie war auf dem Wege, es
mir ſelber anzutragen, wenn ich es nicht gethan
haͤtte. Tag und Stunde ward feſtgeſetzt, und
ſie war mit ihrem Plane und ihrer hohen Auf-
opferung außerordentlich zufrieden.

O uͤber die Abgeſchmacktheit der Menſchen!
Ich kenne nichts Alberners und Veraͤchtlichers,
als dies Geſchlecht. Der Kluͤgere thut Recht,
ſie zu haſſen und zu verfolgen.

Ich glaubte ſchon in jeder Ruͤckſicht ſicher
zu ſeyn und dennoch hatte mich ein Menſch im
Schloſſe erkannt, mein alter Bedienter Willy.

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[84/0091] Meine Liebſchaft mit der abgeſchmackten Emilie ging indeſſen immer ihren Gang fort. Durch meine zerſtoͤrte Zufriedenheit bin ich nun wenigſtens manchem aberwitzigen Maͤdchen inter- eſſant; wahrlich, bey jedem Verluſt iſt doch im- mer noch irgend ein Gewinn. Nach jenem Abend, von dem ich Ihnen neulich erzaͤhlte, wußte ſie nicht recht, wie ſie ſich mit mir nehmen ſolle, ihre Empfindſamkeit war etwas geſtoͤrt, und ihr eigentliches Gefuͤhl mehr in Bewegung gebracht. Aber ſie empfand es jetzt, daß ſie mir einzig angehoͤre, ſie war leicht dahin zu bereden, daß ſie mit mir ent- fliehen wolle, ja ſie war auf dem Wege, es mir ſelber anzutragen, wenn ich es nicht gethan haͤtte. Tag und Stunde ward feſtgeſetzt, und ſie war mit ihrem Plane und ihrer hohen Auf- opferung außerordentlich zufrieden. O uͤber die Abgeſchmacktheit der Menſchen! Ich kenne nichts Alberners und Veraͤchtlichers, als dies Geſchlecht. Der Kluͤgere thut Recht, ſie zu haſſen und zu verfolgen. Ich glaubte ſchon in jeder Ruͤckſicht ſicher zu ſeyn und dennoch hatte mich ein Menſch im Schloſſe erkannt, mein alter Bedienter Willy.

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/91>, abgerufen am 24.11.2024.