Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.Einleitung. nuß auch nicht, denn wir sind uns, möchte ichsagen, selbst verloren gegangen, unsre Seele mit allen ihren Kräften braust mit den großen Wogen eben so unermüdlich den Abgrund hin- unter: das ist es auch, daß wir vergeblich nach Worten suchen, mit Vorstellungen ringen, um aus unsrer Brust die erhabene Erscheinung wie- der auszutönen, um in Ausdrücken der Sprache die gewaltige Leidenschaft, den furchtbaren Zorn, den Trieb zur Vernichtung, das heftige Toben im Schluchzen und Weinen, das harte gellende Lachen in der tiefsinnigen Klage, vermischt mit uralten Erinnerungen, verwirrt mit den Ahn- dungen seltsamer Zukunft zu bilden und auszu- malen, und keiner Anstrengung kann dieses Be- streben auch jemals gelingen. Da die Sprache schon so unzulänglich ist, Darum, fuhr Friedrich fort, sind Teiche, Einleitung. nuß auch nicht, denn wir ſind uns, moͤchte ichſagen, ſelbſt verloren gegangen, unſre Seele mit allen ihren Kraͤften brauſt mit den großen Wogen eben ſo unermuͤdlich den Abgrund hin- unter: das iſt es auch, daß wir vergeblich nach Worten ſuchen, mit Vorſtellungen ringen, um aus unſrer Bruſt die erhabene Erſcheinung wie- der auszutoͤnen, um in Ausdruͤcken der Sprache die gewaltige Leidenſchaft, den furchtbaren Zorn, den Trieb zur Vernichtung, das heftige Toben im Schluchzen und Weinen, das harte gellende Lachen in der tiefſinnigen Klage, vermiſcht mit uralten Erinnerungen, verwirrt mit den Ahn- dungen ſeltſamer Zukunft zu bilden und auszu- malen, und keiner Anſtrengung kann dieſes Be- ſtreben auch jemals gelingen. Da die Sprache ſchon ſo unzulaͤnglich iſt, Darum, fuhr Friedrich fort, ſind Teiche, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0115" n="104"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Einleitung</hi>.</fw><lb/> nuß auch nicht, denn wir ſind uns, moͤchte ich<lb/> ſagen, ſelbſt verloren gegangen, unſre Seele<lb/> mit allen ihren Kraͤften brauſt mit den großen<lb/> Wogen eben ſo unermuͤdlich den Abgrund hin-<lb/> unter: das iſt es auch, daß wir vergeblich nach<lb/> Worten ſuchen, mit Vorſtellungen ringen, um<lb/> aus unſrer Bruſt die erhabene Erſcheinung wie-<lb/> der auszutoͤnen, um in Ausdruͤcken der Sprache<lb/> die gewaltige Leidenſchaft, den furchtbaren Zorn,<lb/> den Trieb zur Vernichtung, das heftige Toben<lb/> im Schluchzen und Weinen, das harte gellende<lb/> Lachen in der tiefſinnigen Klage, vermiſcht mit<lb/> uralten Erinnerungen, verwirrt mit den Ahn-<lb/> dungen ſeltſamer Zukunft zu bilden und auszu-<lb/> malen, und keiner Anſtrengung kann dieſes Be-<lb/> ſtreben auch jemals gelingen.</p><lb/> <p>Da die Sprache ſchon ſo unzulaͤnglich iſt,<lb/> ſagte Lothar, ſo ſollten es ſich die Kuͤnſtler doch<lb/> endlich abgewoͤhnen, Waſſerfaͤlle malen zu wol-<lb/> len, denn ohne ihr ſinnvolles, in tauſendfachen<lb/> Melodieen abwechſelndes Rauſchen ſehn auch die<lb/> beſſern in ihrer Stummheit nur albern aus.<lb/> Dergleichen Erſcheinungen, die keinen Moment<lb/> des Stillſtandes haben und nur in ewigen Wech-<lb/> ſel exiſtiren, laſſen ſich niemals auf der Leinwand<lb/> darſtellen.</p><lb/> <p>Darum, fuhr Friedrich fort, ſind Teiche,<lb/> Baͤche, Quellen, ſanfte blaue Stroͤme, fuͤr den<lb/> Landſchafter ſo vortrefliche Gegenſtaͤnde, und die-<lb/> nen ihm vorzuͤglich, jene ſanfte Ruͤhrung und<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [104/0115]
Einleitung.
nuß auch nicht, denn wir ſind uns, moͤchte ich
ſagen, ſelbſt verloren gegangen, unſre Seele
mit allen ihren Kraͤften brauſt mit den großen
Wogen eben ſo unermuͤdlich den Abgrund hin-
unter: das iſt es auch, daß wir vergeblich nach
Worten ſuchen, mit Vorſtellungen ringen, um
aus unſrer Bruſt die erhabene Erſcheinung wie-
der auszutoͤnen, um in Ausdruͤcken der Sprache
die gewaltige Leidenſchaft, den furchtbaren Zorn,
den Trieb zur Vernichtung, das heftige Toben
im Schluchzen und Weinen, das harte gellende
Lachen in der tiefſinnigen Klage, vermiſcht mit
uralten Erinnerungen, verwirrt mit den Ahn-
dungen ſeltſamer Zukunft zu bilden und auszu-
malen, und keiner Anſtrengung kann dieſes Be-
ſtreben auch jemals gelingen.
Da die Sprache ſchon ſo unzulaͤnglich iſt,
ſagte Lothar, ſo ſollten es ſich die Kuͤnſtler doch
endlich abgewoͤhnen, Waſſerfaͤlle malen zu wol-
len, denn ohne ihr ſinnvolles, in tauſendfachen
Melodieen abwechſelndes Rauſchen ſehn auch die
beſſern in ihrer Stummheit nur albern aus.
Dergleichen Erſcheinungen, die keinen Moment
des Stillſtandes haben und nur in ewigen Wech-
ſel exiſtiren, laſſen ſich niemals auf der Leinwand
darſtellen.
Darum, fuhr Friedrich fort, ſind Teiche,
Baͤche, Quellen, ſanfte blaue Stroͤme, fuͤr den
Landſchafter ſo vortrefliche Gegenſtaͤnde, und die-
nen ihm vorzuͤglich, jene ſanfte Ruͤhrung und
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |