zu kommen schien, wie von einem Vogel, es sang also:
Waldeinsamkeit Die mich erfreut, So morgen wie heut In ewger Zeit, O wie mich freut Waldeinsamkeit.
Diese wenigen Worte wurden beständig wie- derholt, wenn ich es beschreiben soll, so war es fast, als wenn Waldhorn und Schallmeyn ganz in der Ferne durch einander spielen.
Meine Neugier war außerordentlich gespannt; ohne daß ich auf den Befehl der Alten wartete, trat ich mit in die Hütte. Die Dämmerung war schon eingebrochen, alles war ordentlich aufgeräumt, einige Becher standen auf einem Wandschranke, fremdartige Gefäße auf einem Tische, in einem glänzenden Käfig hing ein Vogel am Fenster, und er war es wirklich, der die Worte sang. Die Alte keichte und hustete, sie schien sich gar nicht wieder erholen zu können, bald streichelte sie den kleinen Hund, bald sprach sie mit dem Vogel, der ihr nur mit seinem gewöhnlichen Liede Antwort gab; übri- gens that sie gar nicht, als wenn ich zugegen wäre. Indem ich sie so betrachtete, überlief mich mancher Schauer, denn ihr Gesicht war in einer ewigen Bewegung, indem sie dazu wie vor Alter mit dem Kopfe schüttelte, so daß ich durchaus nicht wissen konnte, wie ihr eigentliches Aussehn beschaffen war.
Als sie sich erholt hatte, zündete sie Licht an,
Erſte Abtheilung.
zu kommen ſchien, wie von einem Vogel, es ſang alſo:
Waldeinſamkeit Die mich erfreut, So morgen wie heut In ewger Zeit, O wie mich freut Waldeinſamkeit.
Dieſe wenigen Worte wurden beſtaͤndig wie- derholt, wenn ich es beſchreiben ſoll, ſo war es faſt, als wenn Waldhorn und Schallmeyn ganz in der Ferne durch einander ſpielen.
Meine Neugier war außerordentlich geſpannt; ohne daß ich auf den Befehl der Alten wartete, trat ich mit in die Huͤtte. Die Daͤmmerung war ſchon eingebrochen, alles war ordentlich aufgeraͤumt, einige Becher ſtanden auf einem Wandſchranke, fremdartige Gefaͤße auf einem Tiſche, in einem glaͤnzenden Kaͤfig hing ein Vogel am Fenſter, und er war es wirklich, der die Worte ſang. Die Alte keichte und huſtete, ſie ſchien ſich gar nicht wieder erholen zu koͤnnen, bald ſtreichelte ſie den kleinen Hund, bald ſprach ſie mit dem Vogel, der ihr nur mit ſeinem gewoͤhnlichen Liede Antwort gab; uͤbri- gens that ſie gar nicht, als wenn ich zugegen waͤre. Indem ich ſie ſo betrachtete, uͤberlief mich mancher Schauer, denn ihr Geſicht war in einer ewigen Bewegung, indem ſie dazu wie vor Alter mit dem Kopfe ſchuͤttelte, ſo daß ich durchaus nicht wiſſen konnte, wie ihr eigentliches Ausſehn beſchaffen war.
Als ſie ſich erholt hatte, zuͤndete ſie Licht an,
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Erſte Abtheilung.
zu kommen ſchien, wie von einem Vogel, es ſang
alſo:
Waldeinſamkeit
Die mich erfreut,
So morgen wie heut
In ewger Zeit,
O wie mich freut
Waldeinſamkeit.
Dieſe wenigen Worte wurden beſtaͤndig wie-
derholt, wenn ich es beſchreiben ſoll, ſo war es
faſt, als wenn Waldhorn und Schallmeyn ganz
in der Ferne durch einander ſpielen.
Meine Neugier war außerordentlich geſpannt;
ohne daß ich auf den Befehl der Alten wartete,
trat ich mit in die Huͤtte. Die Daͤmmerung war
ſchon eingebrochen, alles war ordentlich aufgeraͤumt,
einige Becher ſtanden auf einem Wandſchranke,
fremdartige Gefaͤße auf einem Tiſche, in einem
glaͤnzenden Kaͤfig hing ein Vogel am Fenſter, und
er war es wirklich, der die Worte ſang. Die Alte
keichte und huſtete, ſie ſchien ſich gar nicht wieder
erholen zu koͤnnen, bald ſtreichelte ſie den kleinen
Hund, bald ſprach ſie mit dem Vogel, der ihr nur
mit ſeinem gewoͤhnlichen Liede Antwort gab; uͤbri-
gens that ſie gar nicht, als wenn ich zugegen waͤre.
Indem ich ſie ſo betrachtete, uͤberlief mich mancher
Schauer, denn ihr Geſicht war in einer ewigen
Bewegung, indem ſie dazu wie vor Alter mit dem
Kopfe ſchuͤttelte, ſo daß ich durchaus nicht wiſſen
konnte, wie ihr eigentliches Ausſehn beſchaffen war.
Als ſie ſich erholt hatte, zuͤndete ſie Licht an,
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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/185>, abgerufen am 24.11.2024.
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