Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.Einleitung. welche auf allgemein angenommenen Grundsätzenruhten, mit dem Deutschland verglich, wie ich es mit meinen Augen und Empfindungen sah; je mehr ich überlegte, nachsann und zu lernen suchte, je mehr wurde ich überzeugt, es sei von zwei ganz verschiedenen Ländern die Frage, ja unser Vaterland sei überall so unbekannt, wie ein tief in Asien oder Afrika zu entdeckendes Reich, von welchem unsichre Sagen umgingen, und das die Neugier unsrer wißbegierigen Lands- leute eben so, wie jene mythischen Gegenden reizen müsse; und so nahm ich mir damals, in jener Frühlingsstimmung meiner Seele, vor, der Entdecker dieser unbekannten Zonen zu werden. Auf diese Weise bildete sich in jenen Stunden in mir das Ideal einer Reisebeschreibung durch Deutschland, das mich auch seitdem noch oft überschlichen und mich gereizt hat, einige Blät- ter wirklich nieder zu schreiben. Doch jetzt könnt' ich leider Elegien dichten, daß es nun auch zu jenen Elegien zu spät ist. Einige Töne dieser Elegie, sagte Theodor, Am frühsten, sagte Ernst, in den wenigen Einleitung. welche auf allgemein angenommenen Grundſaͤtzenruhten, mit dem Deutſchland verglich, wie ich es mit meinen Augen und Empfindungen ſah; je mehr ich uͤberlegte, nachſann und zu lernen ſuchte, je mehr wurde ich uͤberzeugt, es ſei von zwei ganz verſchiedenen Laͤndern die Frage, ja unſer Vaterland ſei uͤberall ſo unbekannt, wie ein tief in Aſien oder Afrika zu entdeckendes Reich, von welchem unſichre Sagen umgingen, und das die Neugier unſrer wißbegierigen Lands- leute eben ſo, wie jene mythiſchen Gegenden reizen muͤſſe; und ſo nahm ich mir damals, in jener Fruͤhlingsſtimmung meiner Seele, vor, der Entdecker dieſer unbekannten Zonen zu werden. Auf dieſe Weiſe bildete ſich in jenen Stunden in mir das Ideal einer Reiſebeſchreibung durch Deutſchland, das mich auch ſeitdem noch oft uͤberſchlichen und mich gereizt hat, einige Blaͤt- ter wirklich nieder zu ſchreiben. Doch jetzt koͤnnt' ich leider Elegien dichten, daß es nun auch zu jenen Elegien zu ſpaͤt iſt. Einige Toͤne dieſer Elegie, ſagte Theodor, Am fruͤhſten, ſagte Ernſt, in den wenigen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0022" n="11"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Einleitung</hi>.</fw><lb/> welche auf allgemein angenommenen Grundſaͤtzen<lb/> ruhten, mit dem Deutſchland verglich, wie ich<lb/> es mit meinen Augen und Empfindungen ſah;<lb/> je mehr ich uͤberlegte, nachſann und zu lernen<lb/> ſuchte, je mehr wurde ich uͤberzeugt, es ſei von<lb/> zwei ganz verſchiedenen Laͤndern die Frage, ja<lb/> unſer Vaterland ſei uͤberall ſo unbekannt, wie<lb/> ein tief in Aſien oder Afrika zu entdeckendes<lb/> Reich, von welchem unſichre Sagen umgingen,<lb/> und das die Neugier unſrer wißbegierigen Lands-<lb/> leute eben ſo, wie jene mythiſchen Gegenden<lb/> reizen muͤſſe; und ſo nahm ich mir damals, in<lb/> jener Fruͤhlingsſtimmung meiner Seele, vor, der<lb/> Entdecker dieſer unbekannten Zonen zu werden.<lb/> Auf dieſe Weiſe bildete ſich in jenen Stunden<lb/> in mir das Ideal einer Reiſebeſchreibung durch<lb/> Deutſchland, das mich auch ſeitdem noch oft<lb/> uͤberſchlichen und mich gereizt hat, einige Blaͤt-<lb/> ter wirklich nieder zu ſchreiben. Doch jetzt koͤnnt'<lb/> ich leider Elegien dichten, daß es nun auch zu<lb/> jenen Elegien zu ſpaͤt iſt.</p><lb/> <p>Einige Toͤne dieſer Elegie, ſagte Theodor,<lb/> klingen doch wohl in den Worten des Kloſter-<lb/> bruders.</p><lb/> <p>Am fruͤhſten, ſagte Ernſt, in den wenigen<lb/> Zeilen unſers Dichters uͤber den Muͤnſter in<lb/> Straßburg, die ich niemals ohne Bewegung habe<lb/> leſen koͤnnen, dann in den Blaͤttern von deut-<lb/> ſcher Art und Kunſt; in neueren Tagen hat unſer<lb/> Freund, Friedrich Schlegel, mit Liebe an das<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [11/0022]
Einleitung.
welche auf allgemein angenommenen Grundſaͤtzen
ruhten, mit dem Deutſchland verglich, wie ich
es mit meinen Augen und Empfindungen ſah;
je mehr ich uͤberlegte, nachſann und zu lernen
ſuchte, je mehr wurde ich uͤberzeugt, es ſei von
zwei ganz verſchiedenen Laͤndern die Frage, ja
unſer Vaterland ſei uͤberall ſo unbekannt, wie
ein tief in Aſien oder Afrika zu entdeckendes
Reich, von welchem unſichre Sagen umgingen,
und das die Neugier unſrer wißbegierigen Lands-
leute eben ſo, wie jene mythiſchen Gegenden
reizen muͤſſe; und ſo nahm ich mir damals, in
jener Fruͤhlingsſtimmung meiner Seele, vor, der
Entdecker dieſer unbekannten Zonen zu werden.
Auf dieſe Weiſe bildete ſich in jenen Stunden
in mir das Ideal einer Reiſebeſchreibung durch
Deutſchland, das mich auch ſeitdem noch oft
uͤberſchlichen und mich gereizt hat, einige Blaͤt-
ter wirklich nieder zu ſchreiben. Doch jetzt koͤnnt'
ich leider Elegien dichten, daß es nun auch zu
jenen Elegien zu ſpaͤt iſt.
Einige Toͤne dieſer Elegie, ſagte Theodor,
klingen doch wohl in den Worten des Kloſter-
bruders.
Am fruͤhſten, ſagte Ernſt, in den wenigen
Zeilen unſers Dichters uͤber den Muͤnſter in
Straßburg, die ich niemals ohne Bewegung habe
leſen koͤnnen, dann in den Blaͤttern von deut-
ſcher Art und Kunſt; in neueren Tagen hat unſer
Freund, Friedrich Schlegel, mit Liebe an das
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