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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Liebeszauber.

Wenn du ein schlechter Tänzer bist, sagte sie
lachend, so kannst du sicher seyn, daß dich jeder-
mann gern in Ruhe lassen wird. Die Braut ent-
fernte sich hierauf, um sich umzuziehn und ihr Ball-
kleid anzulegen.

Sie weiß es nicht, sagte Emil zu Roderich,
mit dem er sich entfernte, daß ich aus einem andern
Zimmer in das ihrige durch eine verborgene Thür
kommen kann, ich werde sie beim Umkleiden über-
raschen.

Als Emil fortgegangen war, und viele der
Damen sich auch entfernt hatten, um die zum Tanz
nöthigen Veränderungen des Putzes zu treffen,
nahm Roderich die jüngeren Leute beiseit und führte
sie auf sein Zimmer. Es wird schon Abend, sagte
er hier, bald ist es finster; jetzt geschwind jeder in
seine Verkleidung, um diese Nacht recht bunt und
toll zu verschwärmen. Was ihr nur ersinnen könnt,
genirt euch nicht, je ärger, je besser! Je scheußli-
cher die Fratzen sind, die ihr aus euch hervor bringt,
je mehr will ich euch loben. Da muß es keinen
so widerlichen Höcker, keinen so ungestalten Bauch,
keine so widersinnige Kleidung geben, die nicht heute
paradirt. Eine Hochzeit ist eine so wundersame
Begebenheit, ein ganz neuer ungewohnter Zustand
wird den Verheiratheten so plötzlich wie ein Mähr-
chen über den Hals geworfen, daß man dieses
Fest nicht verwirrt und unklug genug anfangen
kann, um nur irgend für die Eheleute die plötzliche
Veränderung zu motiviren, so daß sie wie in einem
phantastischen Traum in die neue Lage hinüber

Liebeszauber.

Wenn du ein ſchlechter Taͤnzer biſt, ſagte ſie
lachend, ſo kannſt du ſicher ſeyn, daß dich jeder-
mann gern in Ruhe laſſen wird. Die Braut ent-
fernte ſich hierauf, um ſich umzuziehn und ihr Ball-
kleid anzulegen.

Sie weiß es nicht, ſagte Emil zu Roderich,
mit dem er ſich entfernte, daß ich aus einem andern
Zimmer in das ihrige durch eine verborgene Thuͤr
kommen kann, ich werde ſie beim Umkleiden uͤber-
raſchen.

Als Emil fortgegangen war, und viele der
Damen ſich auch entfernt hatten, um die zum Tanz
noͤthigen Veraͤnderungen des Putzes zu treffen,
nahm Roderich die juͤngeren Leute beiſeit und fuͤhrte
ſie auf ſein Zimmer. Es wird ſchon Abend, ſagte
er hier, bald iſt es finſter; jetzt geſchwind jeder in
ſeine Verkleidung, um dieſe Nacht recht bunt und
toll zu verſchwaͤrmen. Was ihr nur erſinnen koͤnnt,
genirt euch nicht, je aͤrger, je beſſer! Je ſcheußli-
cher die Fratzen ſind, die ihr aus euch hervor bringt,
je mehr will ich euch loben. Da muß es keinen
ſo widerlichen Hoͤcker, keinen ſo ungeſtalten Bauch,
keine ſo widerſinnige Kleidung geben, die nicht heute
paradirt. Eine Hochzeit iſt eine ſo wunderſame
Begebenheit, ein ganz neuer ungewohnter Zuſtand
wird den Verheiratheten ſo ploͤtzlich wie ein Maͤhr-
chen uͤber den Hals geworfen, daß man dieſes
Feſt nicht verwirrt und unklug genug anfangen
kann, um nur irgend fuͤr die Eheleute die ploͤtzliche
Veraͤnderung zu motiviren, ſo daß ſie wie in einem
phantaſtiſchen Traum in die neue Lage hinuͤber

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[311/0322] Liebeszauber. Wenn du ein ſchlechter Taͤnzer biſt, ſagte ſie lachend, ſo kannſt du ſicher ſeyn, daß dich jeder- mann gern in Ruhe laſſen wird. Die Braut ent- fernte ſich hierauf, um ſich umzuziehn und ihr Ball- kleid anzulegen. Sie weiß es nicht, ſagte Emil zu Roderich, mit dem er ſich entfernte, daß ich aus einem andern Zimmer in das ihrige durch eine verborgene Thuͤr kommen kann, ich werde ſie beim Umkleiden uͤber- raſchen. Als Emil fortgegangen war, und viele der Damen ſich auch entfernt hatten, um die zum Tanz noͤthigen Veraͤnderungen des Putzes zu treffen, nahm Roderich die juͤngeren Leute beiſeit und fuͤhrte ſie auf ſein Zimmer. Es wird ſchon Abend, ſagte er hier, bald iſt es finſter; jetzt geſchwind jeder in ſeine Verkleidung, um dieſe Nacht recht bunt und toll zu verſchwaͤrmen. Was ihr nur erſinnen koͤnnt, genirt euch nicht, je aͤrger, je beſſer! Je ſcheußli- cher die Fratzen ſind, die ihr aus euch hervor bringt, je mehr will ich euch loben. Da muß es keinen ſo widerlichen Hoͤcker, keinen ſo ungeſtalten Bauch, keine ſo widerſinnige Kleidung geben, die nicht heute paradirt. Eine Hochzeit iſt eine ſo wunderſame Begebenheit, ein ganz neuer ungewohnter Zuſtand wird den Verheiratheten ſo ploͤtzlich wie ein Maͤhr- chen uͤber den Hals geworfen, daß man dieſes Feſt nicht verwirrt und unklug genug anfangen kann, um nur irgend fuͤr die Eheleute die ploͤtzliche Veraͤnderung zu motiviren, ſo daß ſie wie in einem phantaſtiſchen Traum in die neue Lage hinuͤber

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/322>, abgerufen am 22.11.2024.