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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Erste Abtheilung.
Skorpionen, aber doch mit bösem Gewürm gei-
ßeln, und darum ziehe ich es vor, mich dem Le-
sen dieser Mährchen zu ergeben, wenn denn doch
einmal gelesen werden soll. Nur lebe ich der
Hofnung, daß die drei Erzählungen, welche noch
zurückbleiben, nicht crescendo dieses Grauen er-
höhen, sondern uns decrescendo wieder in den
ersten Ton zurück führen werden.

Vor allem laßt uns in den Saal treten,
sagte Emilie; es ist ungewöhnlich kühl geworden,
und unser genesender Beherrscher dürfte von der
Abendluft mehr, wie wir von der Poesie zu be-
fürchten haben.

Als man den Garten verlassen und sich im
offnen Saale wieder geordnet hatte, sagte Theo-
dor: ich kann wenigstens versichern, daß dasje-
nige, was ich mitzutheilen habe, schwerlich Schrek-
ken erregen kann.

Von meiner Erfindung kann ich das nehm-
liche zusagen, fügte Wilibald hinzu.

Wenn Friedrich uns dasselbe verspricht, sagte
Clara, so möge denn also diese Mährchenwelt
wieder erscheinen.

Nur mit Beschämung, sagte Friedrich, kann
ich Ihnen diese Blätter mittheilen, da ich der
einzige bin, der seine Erzählung nicht erfunden
hat, sondern mich gezwungen sehe, Ihnen einen
Jugendversuch vorzulegen, welcher nur eine alte
Geschichte nacherzählt. Auch ist die Darstellung
so gefaßt, daß ich fürchten muß, dem Gedicht

Erſte Abtheilung.
Skorpionen, aber doch mit boͤſem Gewuͤrm gei-
ßeln, und darum ziehe ich es vor, mich dem Le-
ſen dieſer Maͤhrchen zu ergeben, wenn denn doch
einmal geleſen werden ſoll. Nur lebe ich der
Hofnung, daß die drei Erzaͤhlungen, welche noch
zuruͤckbleiben, nicht crescendo dieſes Grauen er-
hoͤhen, ſondern uns decrescendo wieder in den
erſten Ton zuruͤck fuͤhren werden.

Vor allem laßt uns in den Saal treten,
ſagte Emilie; es iſt ungewoͤhnlich kuͤhl geworden,
und unſer geneſender Beherrſcher duͤrfte von der
Abendluft mehr, wie wir von der Poeſie zu be-
fuͤrchten haben.

Als man den Garten verlaſſen und ſich im
offnen Saale wieder geordnet hatte, ſagte Theo-
dor: ich kann wenigſtens verſichern, daß dasje-
nige, was ich mitzutheilen habe, ſchwerlich Schrek-
ken erregen kann.

Von meiner Erfindung kann ich das nehm-
liche zuſagen, fuͤgte Wilibald hinzu.

Wenn Friedrich uns daſſelbe verſpricht, ſagte
Clara, ſo moͤge denn alſo dieſe Maͤhrchenwelt
wieder erſcheinen.

Nur mit Beſchaͤmung, ſagte Friedrich, kann
ich Ihnen dieſe Blaͤtter mittheilen, da ich der
einzige bin, der ſeine Erzaͤhlung nicht erfunden
hat, ſondern mich gezwungen ſehe, Ihnen einen
Jugendverſuch vorzulegen, welcher nur eine alte
Geſchichte nacherzaͤhlt. Auch iſt die Darſtellung
ſo gefaßt, daß ich fuͤrchten muß, dem Gedicht

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[323/0334] Erſte Abtheilung. Skorpionen, aber doch mit boͤſem Gewuͤrm gei- ßeln, und darum ziehe ich es vor, mich dem Le- ſen dieſer Maͤhrchen zu ergeben, wenn denn doch einmal geleſen werden ſoll. Nur lebe ich der Hofnung, daß die drei Erzaͤhlungen, welche noch zuruͤckbleiben, nicht crescendo dieſes Grauen er- hoͤhen, ſondern uns decrescendo wieder in den erſten Ton zuruͤck fuͤhren werden. Vor allem laßt uns in den Saal treten, ſagte Emilie; es iſt ungewoͤhnlich kuͤhl geworden, und unſer geneſender Beherrſcher duͤrfte von der Abendluft mehr, wie wir von der Poeſie zu be- fuͤrchten haben. Als man den Garten verlaſſen und ſich im offnen Saale wieder geordnet hatte, ſagte Theo- dor: ich kann wenigſtens verſichern, daß dasje- nige, was ich mitzutheilen habe, ſchwerlich Schrek- ken erregen kann. Von meiner Erfindung kann ich das nehm- liche zuſagen, fuͤgte Wilibald hinzu. Wenn Friedrich uns daſſelbe verſpricht, ſagte Clara, ſo moͤge denn alſo dieſe Maͤhrchenwelt wieder erſcheinen. Nur mit Beſchaͤmung, ſagte Friedrich, kann ich Ihnen dieſe Blaͤtter mittheilen, da ich der einzige bin, der ſeine Erzaͤhlung nicht erfunden hat, ſondern mich gezwungen ſehe, Ihnen einen Jugendverſuch vorzulegen, welcher nur eine alte Geſchichte nacherzaͤhlt. Auch iſt die Darſtellung ſo gefaßt, daß ich fuͤrchten muß, dem Gedicht

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/334>, abgerufen am 22.11.2024.