Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

Die schöne Magelone.
ken und beschatteten sein zartes jugendliches Ge-
sicht; dabei war er in aller Waffenübung wohl
erfahren, keiner führte im Lande und auch außer-
halb die Lanze und das Schwerdt so wie er, so
daß ihn Jung und Alt, Groß und Klein, Adel
und Unadel bewunderte.

Er war oft gern in sich gekehrt, als wenn er
irgend einem geheimen Wunsche nachhinge, und
viele erfahrene Leute glaubten und schlossen daher,
er sey in Liebe; es wollte ihn darum keiner aus
seinen Träumen aufwecken, weil sie wohl wußten,
daß die Liebe ein süßer Ton ist, der im Ohre schläft
und wie aus einem Traume seine phantasiereiche
Melodie fortredet, so daß ihn der Beherberger
selbst nur wie ein dunkles Räthsel versteht, ge-
schweige denn ein Fremder, und daß er oft nur
allzuschnell entflieht, und seine Wohnung in dem
Aether und goldenen Morgenwolken wieder sucht.

Aber der junge Graf Peter kannte seine eige-
nen Wünsche nicht; es war ihm, als wenn ferne
Stimmen unvernehmlich durch einen Wald riefen,
er wollte folgen, und Furcht hielt ihn zurück, doch
Ahndung drängte ihn vor.

Sein Vater gab ein großes Turnier, zu wel-
chem viele Ritter geladen wurden. Es war ein
Wunder anzusehn, wie der zarte Jüngling die Er-
fahrensten aus dem Sattel hob, so daß es auch
allen Zuschauern unbegreiflich schien. Er ward
von allen gerühmt und für den besten und stärk-
sten geachtet; aber kein Lob machte ihn stolz, son-
dern er schämte sich manchmal selber, daß er so

Die ſchoͤne Magelone.
ken und beſchatteten ſein zartes jugendliches Ge-
ſicht; dabei war er in aller Waffenuͤbung wohl
erfahren, keiner fuͤhrte im Lande und auch außer-
halb die Lanze und das Schwerdt ſo wie er, ſo
daß ihn Jung und Alt, Groß und Klein, Adel
und Unadel bewunderte.

Er war oft gern in ſich gekehrt, als wenn er
irgend einem geheimen Wunſche nachhinge, und
viele erfahrene Leute glaubten und ſchloſſen daher,
er ſey in Liebe; es wollte ihn darum keiner aus
ſeinen Traͤumen aufwecken, weil ſie wohl wußten,
daß die Liebe ein ſuͤßer Ton iſt, der im Ohre ſchlaͤft
und wie aus einem Traume ſeine phantaſiereiche
Melodie fortredet, ſo daß ihn der Beherberger
ſelbſt nur wie ein dunkles Raͤthſel verſteht, ge-
ſchweige denn ein Fremder, und daß er oft nur
allzuſchnell entflieht, und ſeine Wohnung in dem
Aether und goldenen Morgenwolken wieder ſucht.

Aber der junge Graf Peter kannte ſeine eige-
nen Wuͤnſche nicht; es war ihm, als wenn ferne
Stimmen unvernehmlich durch einen Wald riefen,
er wollte folgen, und Furcht hielt ihn zuruͤck, doch
Ahndung draͤngte ihn vor.

Sein Vater gab ein großes Turnier, zu wel-
chem viele Ritter geladen wurden. Es war ein
Wunder anzuſehn, wie der zarte Juͤngling die Er-
fahrenſten aus dem Sattel hob, ſo daß es auch
allen Zuſchauern unbegreiflich ſchien. Er ward
von allen geruͤhmt und fuͤr den beſten und ſtaͤrk-
ſten geachtet; aber kein Lob machte ihn ſtolz, ſon-
dern er ſchaͤmte ſich manchmal ſelber, daß er ſo

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0338" n="327"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Die &#x017F;cho&#x0364;ne Magelone</hi>.</fw><lb/>
ken und be&#x017F;chatteten &#x017F;ein zartes jugendliches Ge-<lb/>
&#x017F;icht; dabei war er in aller Waffenu&#x0364;bung wohl<lb/>
erfahren, keiner fu&#x0364;hrte im Lande und auch außer-<lb/>
halb die Lanze und das Schwerdt &#x017F;o wie er, &#x017F;o<lb/>
daß ihn Jung und Alt, Groß und Klein, Adel<lb/>
und Unadel bewunderte.</p><lb/>
            <p>Er war oft gern in &#x017F;ich gekehrt, als wenn er<lb/>
irgend einem geheimen Wun&#x017F;che nachhinge, und<lb/>
viele erfahrene Leute glaubten und &#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en daher,<lb/>
er &#x017F;ey in Liebe; es wollte ihn darum keiner aus<lb/>
&#x017F;einen Tra&#x0364;umen aufwecken, weil &#x017F;ie wohl wußten,<lb/>
daß die Liebe ein &#x017F;u&#x0364;ßer Ton i&#x017F;t, der im Ohre &#x017F;chla&#x0364;ft<lb/>
und wie aus einem Traume &#x017F;eine phanta&#x017F;iereiche<lb/>
Melodie fortredet, &#x017F;o daß ihn der Beherberger<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t nur wie ein dunkles Ra&#x0364;th&#x017F;el ver&#x017F;teht, ge-<lb/>
&#x017F;chweige denn ein Fremder, und daß er oft nur<lb/>
allzu&#x017F;chnell entflieht, und &#x017F;eine Wohnung in dem<lb/>
Aether und goldenen Morgenwolken wieder &#x017F;ucht.</p><lb/>
            <p>Aber der junge Graf Peter kannte &#x017F;eine eige-<lb/>
nen Wu&#x0364;n&#x017F;che nicht; es war ihm, als wenn ferne<lb/>
Stimmen unvernehmlich durch einen Wald riefen,<lb/>
er wollte folgen, und Furcht hielt ihn zuru&#x0364;ck, doch<lb/>
Ahndung dra&#x0364;ngte ihn vor.</p><lb/>
            <p>Sein Vater gab ein großes Turnier, zu wel-<lb/>
chem viele Ritter geladen wurden. Es war ein<lb/>
Wunder anzu&#x017F;ehn, wie der zarte Ju&#x0364;ngling die Er-<lb/>
fahren&#x017F;ten aus dem Sattel hob, &#x017F;o daß es auch<lb/>
allen Zu&#x017F;chauern unbegreiflich &#x017F;chien. Er ward<lb/>
von allen geru&#x0364;hmt und fu&#x0364;r den be&#x017F;ten und &#x017F;ta&#x0364;rk-<lb/>
&#x017F;ten geachtet; aber kein Lob machte ihn &#x017F;tolz, &#x017F;on-<lb/>
dern er &#x017F;cha&#x0364;mte &#x017F;ich manchmal &#x017F;elber, daß er &#x017F;o<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[327/0338] Die ſchoͤne Magelone. ken und beſchatteten ſein zartes jugendliches Ge- ſicht; dabei war er in aller Waffenuͤbung wohl erfahren, keiner fuͤhrte im Lande und auch außer- halb die Lanze und das Schwerdt ſo wie er, ſo daß ihn Jung und Alt, Groß und Klein, Adel und Unadel bewunderte. Er war oft gern in ſich gekehrt, als wenn er irgend einem geheimen Wunſche nachhinge, und viele erfahrene Leute glaubten und ſchloſſen daher, er ſey in Liebe; es wollte ihn darum keiner aus ſeinen Traͤumen aufwecken, weil ſie wohl wußten, daß die Liebe ein ſuͤßer Ton iſt, der im Ohre ſchlaͤft und wie aus einem Traume ſeine phantaſiereiche Melodie fortredet, ſo daß ihn der Beherberger ſelbſt nur wie ein dunkles Raͤthſel verſteht, ge- ſchweige denn ein Fremder, und daß er oft nur allzuſchnell entflieht, und ſeine Wohnung in dem Aether und goldenen Morgenwolken wieder ſucht. Aber der junge Graf Peter kannte ſeine eige- nen Wuͤnſche nicht; es war ihm, als wenn ferne Stimmen unvernehmlich durch einen Wald riefen, er wollte folgen, und Furcht hielt ihn zuruͤck, doch Ahndung draͤngte ihn vor. Sein Vater gab ein großes Turnier, zu wel- chem viele Ritter geladen wurden. Es war ein Wunder anzuſehn, wie der zarte Juͤngling die Er- fahrenſten aus dem Sattel hob, ſo daß es auch allen Zuſchauern unbegreiflich ſchien. Er ward von allen geruͤhmt und fuͤr den beſten und ſtaͤrk- ſten geachtet; aber kein Lob machte ihn ſtolz, ſon- dern er ſchaͤmte ſich manchmal ſelber, daß er ſo

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/338
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/338>, abgerufen am 22.11.2024.