Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite
Der gestiefelte Kater.
Schlosser. Halt! Ein Revolutionsstück! Ich
wittre Allegorie und Mystik in jedem Wort! Halt!
halt! Zurück möcht ich nun alles denken und em-
pfinden, um all die großen Winke, die tiefen An-
deutungen zu fassen, die religiöse Tiefe zu ergrün-
den! Halt! Nur nicht gepocht! Es sollte lieber
von vorn gespielt werden! Nur nicht weltlich ge-
trommelt!

(Das Pochen dauert fort; Wiesener und manche andre klat-
schen, Hinze ist sehr verlegen.)
Bötticher. Ich -- muß --
Fischer. Halten Sie sich nur ruhig.
Bötticher. Muß -- muß --
Müller. Was er drückt! Wie er sich aufbläst!
Fischer. Ich fürchte, er platzt in der An-
strengung.
Bötticher. Muß -- muß --
Fischer. Ums Himmels Willen, Sie gehn
zu Grunde.
Böttcher. Lo -- lo -- (sehr laut)
loben!! --

(der Knebel fliegt ihm aus den Munde, über das Orchester weg
auf das Theater, und dem Hinze an den Kopf.)
Hinze. O weh! o weh! sie werfen mit Stei-
nen nach mir! Ich bin tödtlich am Kopf bleßirt!

(er entflieht.)
Böttcher. Muß loben, preisen, vergöttern
und auseinander setzen das himmlische, das einzige
Talent dieses unvergleichlichen Mannes, dem ähn-
lich nichts in unserm Vaterlande noch den übrigen
Reichen anzutreffen ist. Und, o Jammer! er muß
nun glauben, daß meine Anstrengung ihn zu erhe-
Der geſtiefelte Kater.
Schloſſer. Halt! Ein Revolutionsſtuͤck! Ich
wittre Allegorie und Myſtik in jedem Wort! Halt!
halt! Zuruͤck moͤcht ich nun alles denken und em-
pfinden, um all die großen Winke, die tiefen An-
deutungen zu faſſen, die religioͤſe Tiefe zu ergruͤn-
den! Halt! Nur nicht gepocht! Es ſollte lieber
von vorn geſpielt werden! Nur nicht weltlich ge-
trommelt!

(Das Pochen dauert fort; Wieſener und manche andre klat-
ſchen, Hinze iſt ſehr verlegen.)
Boͤtticher. Ich — muß —
Fiſcher. Halten Sie ſich nur ruhig.
Boͤtticher. Muß — muß —
Muͤller. Was er druͤckt! Wie er ſich aufblaͤſt!
Fiſcher. Ich fuͤrchte, er platzt in der An-
ſtrengung.
Boͤtticher. Muß — muß —
Fiſcher. Ums Himmels Willen, Sie gehn
zu Grunde.
Boͤttcher. Lo — lo — (ſehr laut)
loben!! —

(der Knebel fliegt ihm aus den Munde, uͤber das Orcheſter weg
auf das Theater, und dem Hinze an den Kopf.)
Hinze. O weh! o weh! ſie werfen mit Stei-
nen nach mir! Ich bin toͤdtlich am Kopf bleßirt!

(er entflieht.)
Boͤttcher. Muß loben, preiſen, vergoͤttern
und auseinander ſetzen das himmliſche, das einzige
Talent dieſes unvergleichlichen Mannes, dem aͤhn-
lich nichts in unſerm Vaterlande noch den uͤbrigen
Reichen anzutreffen iſt. Und, o Jammer! er muß
nun glauben, daß meine Anſtrengung ihn zu erhe-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0248" n="239"/>
              <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Der ge&#x017F;tiefelte Kater</hi>.</fw><lb/>
              <sp who="#SCHLOSS">
                <speaker><hi rendition="#g">Schlo&#x017F;&#x017F;er</hi>.</speaker>
                <p>Halt! Ein Revolutions&#x017F;tu&#x0364;ck! Ich<lb/>
wittre Allegorie und My&#x017F;tik in jedem Wort! Halt!<lb/>
halt! Zuru&#x0364;ck mo&#x0364;cht ich nun alles denken und em-<lb/>
pfinden, um all die großen Winke, die tiefen An-<lb/>
deutungen zu fa&#x017F;&#x017F;en, die religio&#x0364;&#x017F;e Tiefe zu ergru&#x0364;n-<lb/>
den! Halt! Nur nicht gepocht! Es &#x017F;ollte lieber<lb/>
von vorn ge&#x017F;pielt werden! Nur nicht weltlich ge-<lb/>
trommelt!</p><lb/>
                <stage>(Das Pochen dauert fort; Wie&#x017F;ener und manche andre klat-<lb/>
&#x017F;chen, Hinze i&#x017F;t &#x017F;ehr verlegen.)</stage>
              </sp><lb/>
              <sp who="#BOET">
                <speaker><hi rendition="#g">Bo&#x0364;tticher</hi>.</speaker>
                <p>Ich &#x2014; muß &#x2014;</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#FISCHER">
                <speaker><hi rendition="#g">Fi&#x017F;cher</hi>.</speaker>
                <p>Halten Sie &#x017F;ich nur ruhig.</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#BOET">
                <speaker><hi rendition="#g">Bo&#x0364;tticher</hi>.</speaker>
                <p>Muß &#x2014; muß &#x2014;</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#MUELLER">
                <speaker><hi rendition="#g">Mu&#x0364;ller</hi>.</speaker>
                <p>Was er dru&#x0364;ckt! Wie er &#x017F;ich aufbla&#x0364;&#x017F;t!</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#FISCHER">
                <speaker><hi rendition="#g">Fi&#x017F;cher</hi>.</speaker>
                <p>Ich fu&#x0364;rchte, er platzt in der An-<lb/>
&#x017F;trengung.</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#BOET">
                <speaker><hi rendition="#g">Bo&#x0364;tticher</hi>.</speaker>
                <p>Muß &#x2014; muß &#x2014;</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#FISCHER">
                <speaker><hi rendition="#g">Fi&#x017F;cher</hi>.</speaker>
                <p>Ums Himmels Willen, Sie gehn<lb/>
zu Grunde.</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#BOET">
                <speaker><hi rendition="#g">Bo&#x0364;ttcher</hi>.</speaker>
                <p>Lo &#x2014; lo &#x2014; <stage>(&#x017F;ehr laut)</stage><lb/>
loben!! &#x2014;</p><lb/>
                <stage>(der Knebel fliegt ihm aus den Munde, u&#x0364;ber das Orche&#x017F;ter weg<lb/>
auf das Theater, und dem Hinze an den Kopf.)</stage>
              </sp><lb/>
              <sp who="#HINZE">
                <speaker><hi rendition="#g">Hinze</hi>.</speaker>
                <p>O weh! o weh! &#x017F;ie werfen mit Stei-<lb/>
nen nach mir! Ich bin to&#x0364;dtlich am Kopf bleßirt!</p><lb/>
                <stage> <hi rendition="#et">(er entflieht.)</hi> </stage>
              </sp><lb/>
              <sp who="#BOET">
                <speaker><hi rendition="#g">Bo&#x0364;ttcher</hi>.</speaker>
                <p>Muß loben, prei&#x017F;en, vergo&#x0364;ttern<lb/>
und auseinander &#x017F;etzen das himmli&#x017F;che, das einzige<lb/>
Talent die&#x017F;es unvergleichlichen Mannes, dem a&#x0364;hn-<lb/>
lich nichts in un&#x017F;erm Vaterlande noch den u&#x0364;brigen<lb/>
Reichen anzutreffen i&#x017F;t. Und, o Jammer! er muß<lb/>
nun glauben, daß meine An&#x017F;trengung ihn zu erhe-<lb/></p>
              </sp>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[239/0248] Der geſtiefelte Kater. Schloſſer. Halt! Ein Revolutionsſtuͤck! Ich wittre Allegorie und Myſtik in jedem Wort! Halt! halt! Zuruͤck moͤcht ich nun alles denken und em- pfinden, um all die großen Winke, die tiefen An- deutungen zu faſſen, die religioͤſe Tiefe zu ergruͤn- den! Halt! Nur nicht gepocht! Es ſollte lieber von vorn geſpielt werden! Nur nicht weltlich ge- trommelt! (Das Pochen dauert fort; Wieſener und manche andre klat- ſchen, Hinze iſt ſehr verlegen.) Boͤtticher. Ich — muß — Fiſcher. Halten Sie ſich nur ruhig. Boͤtticher. Muß — muß — Muͤller. Was er druͤckt! Wie er ſich aufblaͤſt! Fiſcher. Ich fuͤrchte, er platzt in der An- ſtrengung. Boͤtticher. Muß — muß — Fiſcher. Ums Himmels Willen, Sie gehn zu Grunde. Boͤttcher. Lo — lo — (ſehr laut) loben!! — (der Knebel fliegt ihm aus den Munde, uͤber das Orcheſter weg auf das Theater, und dem Hinze an den Kopf.) Hinze. O weh! o weh! ſie werfen mit Stei- nen nach mir! Ich bin toͤdtlich am Kopf bleßirt! (er entflieht.) Boͤttcher. Muß loben, preiſen, vergoͤttern und auseinander ſetzen das himmliſche, das einzige Talent dieſes unvergleichlichen Mannes, dem aͤhn- lich nichts in unſerm Vaterlande noch den uͤbrigen Reichen anzutreffen iſt. Und, o Jammer! er muß nun glauben, daß meine Anſtrengung ihn zu erhe-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/248
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/248>, abgerufen am 21.11.2024.