Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.Zweite Abtheilung. Ich kann es auswendig, antwortete Clara, es lautet so: Was ist doch, fragt der Irdische, die Liebe? Für euch, ihr Armen, nur ein tief Verhüllen, Ein dunkler Tod im eignen Widerwillen, Ein Aengsten, das gern stumm verschlossen bliebe. Doch wen anlächelt Aug' und Mund der Liebe, Der fühlt im Herzen Wunderströme quillen, Ein seelig Ahnden, niemals zu erfüllen: -- Wozu, daß ich den Geist im Wort beschriebe? Wem einmal Töne, Lichter, Farben, Sterne, Geschwisterlich aufgingen, und im Blühen Aus Thränen ihre Nahrung sog die Blume: Fühlt der in Gott ein Nahe noch und Ferne? Muß nicht sein Herz in Ewigkeiten glühen? Antworte Du, wohnend im Heiligthume. Ich erinnere mich, sagte Lothar, eines schönen Sonettes von Flemming, mit welchem das eben gesprochene einige zufällige Aehnlich- keit hat, denn unser Freund hat dieses gewiß nicht gekannt, welches so lautet: Wie? ist die Liebe nichts? was liebt man denn im Lieben? Was aber? alles? Nein. Wer ist vergnügt mit ihr? Nicht Wasser: Sie erglüht die Herzen für und für. Auch Feuer nicht. Warum? was ist für Flammen blieben? Zweite Abtheilung. Ich kann es auswendig, antwortete Clara, es lautet ſo: Was iſt doch, fragt der Irdiſche, die Liebe? Fuͤr euch, ihr Armen, nur ein tief Verhuͤllen, Ein dunkler Tod im eignen Widerwillen, Ein Aengſten, das gern ſtumm verſchloſſen bliebe. Doch wen anlaͤchelt Aug' und Mund der Liebe, Der fuͤhlt im Herzen Wunderſtroͤme quillen, Ein ſeelig Ahnden, niemals zu erfuͤllen: — Wozu, daß ich den Geiſt im Wort beſchriebe? Wem einmal Toͤne, Lichter, Farben, Sterne, Geſchwiſterlich aufgingen, und im Bluͤhen Aus Thraͤnen ihre Nahrung ſog die Blume: Fuͤhlt der in Gott ein Nahe noch und Ferne? Muß nicht ſein Herz in Ewigkeiten gluͤhen? Antworte Du, wohnend im Heiligthume. Ich erinnere mich, ſagte Lothar, eines ſchoͤnen Sonettes von Flemming, mit welchem das eben geſprochene einige zufaͤllige Aehnlich- keit hat, denn unſer Freund hat dieſes gewiß nicht gekannt, welches ſo lautet: Wie? iſt die Liebe nichts? was liebt man denn im Lieben? Was aber? alles? Nein. Wer iſt vergnuͤgt mit ihr? Nicht Waſſer: Sie ergluͤht die Herzen fuͤr und fuͤr. Auch Feuer nicht. Warum? was iſt fuͤr Flammen blieben? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <sp who="#VAL"> <pb facs="#f0254" n="244"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/> <p>Ich kann es auswendig, antwortete Clara,<lb/> es lautet ſo:</p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Was iſt doch, fragt der Irdiſche, die Liebe?</l><lb/> <l>Fuͤr euch, ihr Armen, nur ein tief Verhuͤllen,</l><lb/> <l>Ein dunkler Tod im eignen Widerwillen,</l><lb/> <l>Ein Aengſten, das gern ſtumm verſchloſſen bliebe.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Doch wen anlaͤchelt Aug' und Mund der Liebe,</l><lb/> <l>Der fuͤhlt im Herzen Wunderſtroͤme quillen,</l><lb/> <l>Ein ſeelig Ahnden, niemals zu erfuͤllen: —</l><lb/> <l>Wozu, daß ich den Geiſt im Wort beſchriebe?</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Wem einmal Toͤne, Lichter, Farben, Sterne,</l><lb/> <l>Geſchwiſterlich aufgingen, und im Bluͤhen</l><lb/> <l>Aus Thraͤnen ihre Nahrung ſog die Blume:</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Fuͤhlt der in Gott ein Nahe noch und Ferne?</l><lb/> <l>Muß nicht ſein Herz in Ewigkeiten gluͤhen?</l><lb/> <l>Antworte Du, wohnend im Heiligthume.</l> </lg> </lg><lb/> <p>Ich erinnere mich, ſagte Lothar, eines<lb/> ſchoͤnen Sonettes von Flemming, mit welchem<lb/> das eben geſprochene einige zufaͤllige Aehnlich-<lb/> keit hat, denn unſer Freund hat dieſes gewiß<lb/> nicht gekannt, welches ſo lautet:</p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Wie? iſt die Liebe nichts? was liebt man denn</l><lb/> <l>im Lieben?</l><lb/> <l>Was aber? alles? Nein. Wer iſt vergnuͤgt mit ihr?</l><lb/> <l>Nicht Waſſer: Sie ergluͤht die Herzen fuͤr und fuͤr.</l><lb/> <l>Auch Feuer nicht. Warum? was iſt fuͤr Flammen</l><lb/> <l>blieben?</l> </lg><lb/> </lg> </sp> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [244/0254]
Zweite Abtheilung.
Ich kann es auswendig, antwortete Clara,
es lautet ſo:
Was iſt doch, fragt der Irdiſche, die Liebe?
Fuͤr euch, ihr Armen, nur ein tief Verhuͤllen,
Ein dunkler Tod im eignen Widerwillen,
Ein Aengſten, das gern ſtumm verſchloſſen bliebe.
Doch wen anlaͤchelt Aug' und Mund der Liebe,
Der fuͤhlt im Herzen Wunderſtroͤme quillen,
Ein ſeelig Ahnden, niemals zu erfuͤllen: —
Wozu, daß ich den Geiſt im Wort beſchriebe?
Wem einmal Toͤne, Lichter, Farben, Sterne,
Geſchwiſterlich aufgingen, und im Bluͤhen
Aus Thraͤnen ihre Nahrung ſog die Blume:
Fuͤhlt der in Gott ein Nahe noch und Ferne?
Muß nicht ſein Herz in Ewigkeiten gluͤhen?
Antworte Du, wohnend im Heiligthume.
Ich erinnere mich, ſagte Lothar, eines
ſchoͤnen Sonettes von Flemming, mit welchem
das eben geſprochene einige zufaͤllige Aehnlich-
keit hat, denn unſer Freund hat dieſes gewiß
nicht gekannt, welches ſo lautet:
Wie? iſt die Liebe nichts? was liebt man denn
im Lieben?
Was aber? alles? Nein. Wer iſt vergnuͤgt mit ihr?
Nicht Waſſer: Sie ergluͤht die Herzen fuͤr und fuͤr.
Auch Feuer nicht. Warum? was iſt fuͤr Flammen
blieben?
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