Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.Zweite Abtheilung. etwas leisten, was man nicht alle Tage hört, denner hat besonders die tiefen Töne so in seiner Ge- walt, und die schnellen gurgelnden Passagen, die dann plötzlich in die Höhe hinauf tremuliren, und mit einem Schnelltriller dann wieder in den ruhi- gen gesetzten Ton herabspringen, daß man über die ungeheure Fertigkeit erstaunen muß. Wenn dann die liebe alte Königinn auch anfängt einzu- stimmen, die sich mehr auf die Lachtöne gelegt hat, und immer ganz plötzlich mit einem Seufzer ab- schnappt, ohne die Cadenz zu Ende zu führen, dann ohne alle Harmonie und Uebergang mit den abgebrochenen röchelnden kurzen Sätzen wieder an- fängt, so schnarchen und fugiren die beiden Herr- schaften ein äußerst wundersames Duett. -- Was aber der einfältige Spaß mit der Vertauschung der Säckel nur bedeuten soll? Und dazu die vie- len Anstalten, die Heimlichkeit, die Gefahr seinen guten Namen zu verlieren? Ja, die Langeweile treibt die Menschen zu wunderbaren Sachen. -- Er wird immer noch nicht munter, und der Mor- gen fängt schon an zu dämmern. Wie wird der gute Mensch verdrüßlich werden, wenn er merkt, daß man ihn mit dieser Liebe nur genarrt hat. Ich muß ihn aufwecken und aus dem Schlosse schaffen, meine Reputation könnte selbst dabei lei- den. -- Er rührt sich, ja. -- Seht doch die Impertinenz, nur um sich auf der andern Seite wieder zurecht zu legen. -- Nein, mein gnädiger Herr Graf, (sie geht hinein) so ist es nicht gemeint, das darf hier nicht sein; (rüttelt ihn) ermuntert euch doch, und seht um euch, daß das hier keine Schlaf- stelle für euch ist. An-
Zweite Abtheilung. etwas leiſten, was man nicht alle Tage hoͤrt, denner hat beſonders die tiefen Toͤne ſo in ſeiner Ge- walt, und die ſchnellen gurgelnden Paſſagen, die dann ploͤtzlich in die Hoͤhe hinauf tremuliren, und mit einem Schnelltriller dann wieder in den ruhi- gen geſetzten Ton herabſpringen, daß man uͤber die ungeheure Fertigkeit erſtaunen muß. Wenn dann die liebe alte Koͤniginn auch anfaͤngt einzu- ſtimmen, die ſich mehr auf die Lachtoͤne gelegt hat, und immer ganz ploͤtzlich mit einem Seufzer ab- ſchnappt, ohne die Cadenz zu Ende zu fuͤhren, dann ohne alle Harmonie und Uebergang mit den abgebrochenen roͤchelnden kurzen Saͤtzen wieder an- faͤngt, ſo ſchnarchen und fugiren die beiden Herr- ſchaften ein aͤußerſt wunderſames Duett. — Was aber der einfaͤltige Spaß mit der Vertauſchung der Saͤckel nur bedeuten ſoll? Und dazu die vie- len Anſtalten, die Heimlichkeit, die Gefahr ſeinen guten Namen zu verlieren? Ja, die Langeweile treibt die Menſchen zu wunderbaren Sachen. — Er wird immer noch nicht munter, und der Mor- gen faͤngt ſchon an zu daͤmmern. Wie wird der gute Menſch verdruͤßlich werden, wenn er merkt, daß man ihn mit dieſer Liebe nur genarrt hat. Ich muß ihn aufwecken und aus dem Schloſſe ſchaffen, meine Reputation koͤnnte ſelbſt dabei lei- den. — Er ruͤhrt ſich, ja. — Seht doch die Impertinenz, nur um ſich auf der andern Seite wieder zurecht zu legen. — Nein, mein gnaͤdiger Herr Graf, (ſie geht hinein) ſo iſt es nicht gemeint, das darf hier nicht ſein; (ruͤttelt ihn) ermuntert euch doch, und ſeht um euch, daß das hier keine Schlaf- ſtelle fuͤr euch iſt. An-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <sp who="#Margarethe"> <p><pb facs="#f0330" n="320"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/> etwas leiſten, was man nicht alle Tage hoͤrt, denn<lb/> er hat beſonders die tiefen Toͤne ſo in ſeiner Ge-<lb/> walt, und die ſchnellen gurgelnden Paſſagen, die<lb/> dann ploͤtzlich in die Hoͤhe hinauf tremuliren, und<lb/> mit einem Schnelltriller dann wieder in den ruhi-<lb/> gen geſetzten Ton herabſpringen, daß man uͤber<lb/> die ungeheure Fertigkeit erſtaunen muß. Wenn<lb/> dann die liebe alte Koͤniginn auch anfaͤngt einzu-<lb/> ſtimmen, die ſich mehr auf die Lachtoͤne gelegt hat,<lb/> und immer ganz ploͤtzlich mit einem Seufzer ab-<lb/> ſchnappt, ohne die Cadenz zu Ende zu fuͤhren,<lb/> dann ohne alle Harmonie und Uebergang mit den<lb/> abgebrochenen roͤchelnden kurzen Saͤtzen wieder an-<lb/> faͤngt, ſo ſchnarchen und fugiren die beiden Herr-<lb/> ſchaften ein aͤußerſt wunderſames Duett. — Was<lb/> aber der einfaͤltige Spaß mit der Vertauſchung<lb/> der Saͤckel nur bedeuten ſoll? Und dazu die vie-<lb/> len Anſtalten, die Heimlichkeit, die Gefahr ſeinen<lb/> guten Namen zu verlieren? Ja, die Langeweile<lb/> treibt die Menſchen zu wunderbaren Sachen. —<lb/> Er wird immer noch nicht munter, und der Mor-<lb/> gen faͤngt ſchon an zu daͤmmern. Wie wird der<lb/> gute Menſch verdruͤßlich werden, wenn er merkt,<lb/> daß man ihn mit dieſer Liebe nur genarrt hat.<lb/> Ich muß ihn aufwecken und aus dem Schloſſe<lb/> ſchaffen, meine Reputation koͤnnte ſelbſt dabei lei-<lb/> den. — Er ruͤhrt ſich, ja. — Seht doch die<lb/> Impertinenz, nur um ſich auf der andern Seite<lb/> wieder zurecht zu legen. — Nein, mein gnaͤdiger<lb/> Herr Graf, <stage>(ſie geht hinein)</stage> ſo iſt es nicht gemeint,<lb/> das darf hier nicht ſein; <stage>(ruͤttelt ihn)</stage> ermuntert euch<lb/> doch, und ſeht um euch, daß das hier keine Schlaf-<lb/> ſtelle fuͤr euch iſt.</p> </sp><lb/> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#g">An</hi>-</fw><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [320/0330]
Zweite Abtheilung.
etwas leiſten, was man nicht alle Tage hoͤrt, denn
er hat beſonders die tiefen Toͤne ſo in ſeiner Ge-
walt, und die ſchnellen gurgelnden Paſſagen, die
dann ploͤtzlich in die Hoͤhe hinauf tremuliren, und
mit einem Schnelltriller dann wieder in den ruhi-
gen geſetzten Ton herabſpringen, daß man uͤber
die ungeheure Fertigkeit erſtaunen muß. Wenn
dann die liebe alte Koͤniginn auch anfaͤngt einzu-
ſtimmen, die ſich mehr auf die Lachtoͤne gelegt hat,
und immer ganz ploͤtzlich mit einem Seufzer ab-
ſchnappt, ohne die Cadenz zu Ende zu fuͤhren,
dann ohne alle Harmonie und Uebergang mit den
abgebrochenen roͤchelnden kurzen Saͤtzen wieder an-
faͤngt, ſo ſchnarchen und fugiren die beiden Herr-
ſchaften ein aͤußerſt wunderſames Duett. — Was
aber der einfaͤltige Spaß mit der Vertauſchung
der Saͤckel nur bedeuten ſoll? Und dazu die vie-
len Anſtalten, die Heimlichkeit, die Gefahr ſeinen
guten Namen zu verlieren? Ja, die Langeweile
treibt die Menſchen zu wunderbaren Sachen. —
Er wird immer noch nicht munter, und der Mor-
gen faͤngt ſchon an zu daͤmmern. Wie wird der
gute Menſch verdruͤßlich werden, wenn er merkt,
daß man ihn mit dieſer Liebe nur genarrt hat.
Ich muß ihn aufwecken und aus dem Schloſſe
ſchaffen, meine Reputation koͤnnte ſelbſt dabei lei-
den. — Er ruͤhrt ſich, ja. — Seht doch die
Impertinenz, nur um ſich auf der andern Seite
wieder zurecht zu legen. — Nein, mein gnaͤdiger
Herr Graf, (ſie geht hinein) ſo iſt es nicht gemeint,
das darf hier nicht ſein; (ruͤttelt ihn) ermuntert euch
doch, und ſeht um euch, daß das hier keine Schlaf-
ſtelle fuͤr euch iſt.
An-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |