konnte. Die Sprache und der Ausdruck durch die Reißkohle schien mir natürlicher als die wirkliche. Ich war unglaublich flei¬ ßig, und interessirte mich für gar nichts an¬ ders in der Welt, denn die übrigen Wissen¬ schaften, so wie Sprachen und dergleichen, waren mir völlig gleichgütig, ja es war mir verhaßt, meine Zeit mit solchem Unterrichte zuzubringen. Wenn ich auch nicht zeichnete, so gab ich genau auf alle die Dinge Acht, die mir vor die Augen kamen, um sie nachher nachahmen zu können. Die größte Freude machte es mir, wenn meine Eltern oder andre Menschen die Personen wieder erkannten die ich kopirt hatte. Kein Spiel machte mir Vergnügen, andre Knaben wa¬ ren mir zur Last und ich verachtete sie und ging ihnen aus dem Wege, weil mir ihr Beginnen zu kindisch vorkam; sie verspotte¬ ten mich auch deshalb, und nannten mich
konnte. Die Sprache und der Ausdruck durch die Reißkohle ſchien mir natürlicher als die wirkliche. Ich war unglaublich flei¬ ßig, und intereſſirte mich für gar nichts an¬ ders in der Welt, denn die übrigen Wiſſen¬ ſchaften, ſo wie Sprachen und dergleichen, waren mir völlig gleichgütig, ja es war mir verhaßt, meine Zeit mit ſolchem Unterrichte zuzubringen. Wenn ich auch nicht zeichnete, ſo gab ich genau auf alle die Dinge Acht, die mir vor die Augen kamen, um ſie nachher nachahmen zu können. Die größte Freude machte es mir, wenn meine Eltern oder andre Menſchen die Perſonen wieder erkannten die ich kopirt hatte. Kein Spiel machte mir Vergnügen, andre Knaben wa¬ ren mir zur Laſt und ich verachtete ſie und ging ihnen aus dem Wege, weil mir ihr Beginnen zu kindiſch vorkam; ſie verſpotte¬ ten mich auch deshalb, und nannten mich
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0226"n="215"/>
konnte. Die Sprache und der Ausdruck<lb/>
durch die Reißkohle ſchien mir natürlicher<lb/>
als die wirkliche. Ich war unglaublich flei¬<lb/>
ßig, und intereſſirte mich für gar nichts an¬<lb/>
ders in der Welt, denn die übrigen Wiſſen¬<lb/>ſchaften, ſo wie Sprachen und dergleichen,<lb/>
waren mir völlig gleichgütig, ja es war mir<lb/>
verhaßt, meine Zeit mit ſolchem Unterrichte<lb/>
zuzubringen. Wenn ich auch nicht zeichnete,<lb/>ſo gab ich genau auf alle die Dinge Acht,<lb/>
die mir vor die Augen kamen, um ſie<lb/>
nachher nachahmen zu können. Die größte<lb/>
Freude machte es mir, wenn meine Eltern<lb/>
oder andre Menſchen die Perſonen wieder<lb/>
erkannten die ich kopirt hatte. Kein Spiel<lb/>
machte mir Vergnügen, andre Knaben wa¬<lb/>
ren mir zur Laſt und ich verachtete ſie und<lb/>
ging ihnen aus dem Wege, weil mir ihr<lb/>
Beginnen zu kindiſch vorkam; ſie verſpotte¬<lb/>
ten mich auch deshalb, und nannten mich<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[215/0226]
konnte. Die Sprache und der Ausdruck
durch die Reißkohle ſchien mir natürlicher
als die wirkliche. Ich war unglaublich flei¬
ßig, und intereſſirte mich für gar nichts an¬
ders in der Welt, denn die übrigen Wiſſen¬
ſchaften, ſo wie Sprachen und dergleichen,
waren mir völlig gleichgütig, ja es war mir
verhaßt, meine Zeit mit ſolchem Unterrichte
zuzubringen. Wenn ich auch nicht zeichnete,
ſo gab ich genau auf alle die Dinge Acht,
die mir vor die Augen kamen, um ſie
nachher nachahmen zu können. Die größte
Freude machte es mir, wenn meine Eltern
oder andre Menſchen die Perſonen wieder
erkannten die ich kopirt hatte. Kein Spiel
machte mir Vergnügen, andre Knaben wa¬
ren mir zur Laſt und ich verachtete ſie und
ging ihnen aus dem Wege, weil mir ihr
Beginnen zu kindiſch vorkam; ſie verſpotte¬
ten mich auch deshalb, und nannten mich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/226>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.