Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

konnte. Die Sprache und der Ausdruck
durch die Reißkohle schien mir natürlicher
als die wirkliche. Ich war unglaublich flei¬
ßig, und interessirte mich für gar nichts an¬
ders in der Welt, denn die übrigen Wissen¬
schaften, so wie Sprachen und dergleichen,
waren mir völlig gleichgütig, ja es war mir
verhaßt, meine Zeit mit solchem Unterrichte
zuzubringen. Wenn ich auch nicht zeichnete,
so gab ich genau auf alle die Dinge Acht,
die mir vor die Augen kamen, um sie
nachher nachahmen zu können. Die größte
Freude machte es mir, wenn meine Eltern
oder andre Menschen die Personen wieder
erkannten die ich kopirt hatte. Kein Spiel
machte mir Vergnügen, andre Knaben wa¬
ren mir zur Last und ich verachtete sie und
ging ihnen aus dem Wege, weil mir ihr
Beginnen zu kindisch vorkam; sie verspotte¬
ten mich auch deshalb, und nannten mich

konnte. Die Sprache und der Ausdruck
durch die Reißkohle ſchien mir natürlicher
als die wirkliche. Ich war unglaublich flei¬
ßig, und intereſſirte mich für gar nichts an¬
ders in der Welt, denn die übrigen Wiſſen¬
ſchaften, ſo wie Sprachen und dergleichen,
waren mir völlig gleichgütig, ja es war mir
verhaßt, meine Zeit mit ſolchem Unterrichte
zuzubringen. Wenn ich auch nicht zeichnete,
ſo gab ich genau auf alle die Dinge Acht,
die mir vor die Augen kamen, um ſie
nachher nachahmen zu können. Die größte
Freude machte es mir, wenn meine Eltern
oder andre Menſchen die Perſonen wieder
erkannten die ich kopirt hatte. Kein Spiel
machte mir Vergnügen, andre Knaben wa¬
ren mir zur Laſt und ich verachtete ſie und
ging ihnen aus dem Wege, weil mir ihr
Beginnen zu kindiſch vorkam; ſie verſpotte¬
ten mich auch deshalb, und nannten mich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0226" n="215"/>
konnte. Die Sprache und der Ausdruck<lb/>
durch die Reißkohle &#x017F;chien mir natürlicher<lb/>
als die wirkliche. Ich war unglaublich flei¬<lb/>
ßig, und intere&#x017F;&#x017F;irte mich für gar nichts an¬<lb/>
ders in der Welt, denn die übrigen Wi&#x017F;&#x017F;en¬<lb/>
&#x017F;chaften, &#x017F;o wie Sprachen und dergleichen,<lb/>
waren mir völlig gleichgütig, ja es war mir<lb/>
verhaßt, meine Zeit mit &#x017F;olchem Unterrichte<lb/>
zuzubringen. Wenn ich auch nicht zeichnete,<lb/>
&#x017F;o gab ich genau auf alle die Dinge Acht,<lb/>
die mir vor die Augen kamen, um &#x017F;ie<lb/>
nachher nachahmen zu können. Die größte<lb/>
Freude machte es mir, wenn meine Eltern<lb/>
oder andre Men&#x017F;chen die Per&#x017F;onen wieder<lb/>
erkannten die ich kopirt hatte. Kein Spiel<lb/>
machte mir Vergnügen, andre Knaben wa¬<lb/>
ren mir zur La&#x017F;t und ich verachtete &#x017F;ie und<lb/>
ging ihnen aus dem Wege, weil mir ihr<lb/>
Beginnen zu kindi&#x017F;ch vorkam; &#x017F;ie ver&#x017F;potte¬<lb/>
ten mich auch deshalb, und nannten mich<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[215/0226] konnte. Die Sprache und der Ausdruck durch die Reißkohle ſchien mir natürlicher als die wirkliche. Ich war unglaublich flei¬ ßig, und intereſſirte mich für gar nichts an¬ ders in der Welt, denn die übrigen Wiſſen¬ ſchaften, ſo wie Sprachen und dergleichen, waren mir völlig gleichgütig, ja es war mir verhaßt, meine Zeit mit ſolchem Unterrichte zuzubringen. Wenn ich auch nicht zeichnete, ſo gab ich genau auf alle die Dinge Acht, die mir vor die Augen kamen, um ſie nachher nachahmen zu können. Die größte Freude machte es mir, wenn meine Eltern oder andre Menſchen die Perſonen wieder erkannten die ich kopirt hatte. Kein Spiel machte mir Vergnügen, andre Knaben wa¬ ren mir zur Laſt und ich verachtete ſie und ging ihnen aus dem Wege, weil mir ihr Beginnen zu kindiſch vorkam; ſie verſpotte¬ ten mich auch deshalb, und nannten mich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/226
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/226>, abgerufen am 21.11.2024.