in denen sie sich selber wahrnehmen. Da¬ durch verliert ein Gegenstand das Fremde, besonders da unsre Tracht, wenn man sie gehörig auswählt, auch mahlerisch ist. Und denken wir denn wohl an die alte Klei¬ dungsart, wenn wir eine Geschichte lesen, die uns rührt und entzückt? Würden wir es nicht gerne sehen, wenn Christus unter uns wandelte, ganz wie wir selber sind? Man darf also die Menschen nur nicht an das sogenannte Kostum erinnern, so verges¬ sen sie es gerne. Die Darstellung der alten Gewänder wird überdies in unsern Gemähl¬ den leicht todt und fremd, denn der Künst¬ ler mag sich gebehrden wie er will, die Tracht setzt ihn in Verlegenheit, er sieht Niemand so gehen, er ist nicht in der ܬ bung diese Falten und Massen zu werfen, sein Auge kann nicht mitarbeiten, die Ima¬ gination muß alles thun, die sich dabei doch
in denen ſie ſich ſelber wahrnehmen. Da¬ durch verliert ein Gegenſtand das Fremde, beſonders da unſre Tracht, wenn man ſie gehörig auswählt, auch mahleriſch iſt. Und denken wir denn wohl an die alte Klei¬ dungsart, wenn wir eine Geſchichte leſen, die uns rührt und entzückt? Würden wir es nicht gerne ſehen, wenn Chriſtus unter uns wandelte, ganz wie wir ſelber ſind? Man darf alſo die Menſchen nur nicht an das ſogenannte Koſtum erinnern, ſo vergeſ¬ ſen ſie es gerne. Die Darſtellung der alten Gewänder wird überdies in unſern Gemähl¬ den leicht todt und fremd, denn der Künſt¬ ler mag ſich gebehrden wie er will, die Tracht ſetzt ihn in Verlegenheit, er ſieht Niemand ſo gehen, er iſt nicht in der ܬ bung dieſe Falten und Maſſen zu werfen, ſein Auge kann nicht mitarbeiten, die Ima¬ gination muß alles thun, die ſich dabei doch
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in denen ſie ſich ſelber wahrnehmen. Da¬
durch verliert ein Gegenſtand das Fremde,
beſonders da unſre Tracht, wenn man ſie
gehörig auswählt, auch mahleriſch iſt. Und
denken wir denn wohl an die alte Klei¬
dungsart, wenn wir eine Geſchichte leſen,
die uns rührt und entzückt? Würden wir
es nicht gerne ſehen, wenn Chriſtus unter
uns wandelte, ganz wie wir ſelber ſind?
Man darf alſo die Menſchen nur nicht an
das ſogenannte Koſtum erinnern, ſo vergeſ¬
ſen ſie es gerne. Die Darſtellung der alten
Gewänder wird überdies in unſern Gemähl¬
den leicht todt und fremd, denn der Künſt¬
ler mag ſich gebehrden wie er will, die
Tracht ſetzt ihn in Verlegenheit, er ſieht
Niemand ſo gehen, er iſt nicht in der ܬ
bung dieſe Falten und Maſſen zu werfen,
ſein Auge kann nicht mitarbeiten, die Ima¬
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Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/240>, abgerufen am 24.11.2024.
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