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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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lichste Fuß schwebte vor mir, von der Bewe¬
gung entblößt, die frische rothe Wange dicht
an der meinigen, die freundlichen Augen mir
nahe gegenüber. So zogen wir über das
Feld, indem sie mir ihre Herkunft und Er¬
ziehung erzählte: wir wurden bald vertrau¬
ter, und sie sträubte sich gegen meine Küsse
nicht mehr.

Nun wurde es Nacht, und die Bangig¬
keit, die sie erfüllte, erlaubte mir, dreister
zu seyn. Endlich kamen wir in der Nähe
ihrer Behausung, sie stieg behende herunter,
wir hatten schon unsre Abrede genommen.
Sie eilte voraus, ich blieb eine Weile zu¬
rück, dann zwang ich mein Pferd, in einer
Art von Gallopp mit mir vor das Haus zu
sprengen. Es war ein altes, weitläuftiges
Gebäude, das abseits vom übrigen Dorfe
lag; das Mädchen kam mir entgegen, ich
trat als ein verirrter Fremdling ein, und

lichſte Fuß ſchwebte vor mir, von der Bewe¬
gung entblößt, die friſche rothe Wange dicht
an der meinigen, die freundlichen Augen mir
nahe gegenüber. So zogen wir über das
Feld, indem ſie mir ihre Herkunft und Er¬
ziehung erzählte: wir wurden bald vertrau¬
ter, und ſie ſträubte ſich gegen meine Küſſe
nicht mehr.

Nun wurde es Nacht, und die Bangig¬
keit, die ſie erfüllte, erlaubte mir, dreiſter
zu ſeyn. Endlich kamen wir in der Nähe
ihrer Behauſung, ſie ſtieg behende herunter,
wir hatten ſchon unſre Abrede genommen.
Sie eilte voraus, ich blieb eine Weile zu¬
rück, dann zwang ich mein Pferd, in einer
Art von Gallopp mit mir vor das Haus zu
ſprengen. Es war ein altes, weitläuftiges
Gebäude, das abſeits vom übrigen Dorfe
lag; das Mädchen kam mir entgegen, ich
trat als ein verirrter Fremdling ein, und

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[157/0165] lichſte Fuß ſchwebte vor mir, von der Bewe¬ gung entblößt, die friſche rothe Wange dicht an der meinigen, die freundlichen Augen mir nahe gegenüber. So zogen wir über das Feld, indem ſie mir ihre Herkunft und Er¬ ziehung erzählte: wir wurden bald vertrau¬ ter, und ſie ſträubte ſich gegen meine Küſſe nicht mehr. Nun wurde es Nacht, und die Bangig¬ keit, die ſie erfüllte, erlaubte mir, dreiſter zu ſeyn. Endlich kamen wir in der Nähe ihrer Behauſung, ſie ſtieg behende herunter, wir hatten ſchon unſre Abrede genommen. Sie eilte voraus, ich blieb eine Weile zu¬ rück, dann zwang ich mein Pferd, in einer Art von Gallopp mit mir vor das Haus zu ſprengen. Es war ein altes, weitläuftiges Gebäude, das abſeits vom übrigen Dorfe lag; das Mädchen kam mir entgegen, ich trat als ein verirrter Fremdling ein, und

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/165>, abgerufen am 25.11.2024.