Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

Verkettung reißen darf, alles dies ist mir
immer ungemein erhaben erschienen.

Ich erinnere mich, antwortete Rudolf,
eines alten Bildes in Pisa, das schon über
hundert Jahr alt wurde, und das Dir auch
vielleicht gefallen wird; wenn ich nicht irre,
ist von Andrea Orgagna gemahlt. Dieser
Künstler hat den Dante mit besondrer Vor¬
liebe studirt, und in seiner Kunst auch et¬
was ähnliches dichten wollen. Auf seinem
großen Bilde ist in der That das ganze
menschliche Leben auf eine recht wehmüthige
Art abgebildet. Ein Feld prangt mit schö¬
nen Blumen von frischen und glänzenden
Farben, geschmückte Herren und Damen ge¬
hen umher, und ergötzen sich an der Pracht.
Tanzende Mädchen ziehen mit ihrer muntern
Bewegung den Blick auf sich, in den Bäu¬
men, die von Orangen glühn, erblickt man
Liebesgötter, die schalkhaft mit ihren Ge¬

Verkettung reißen darf, alles dies iſt mir
immer ungemein erhaben erſchienen.

Ich erinnere mich, antwortete Rudolf,
eines alten Bildes in Piſa, das ſchon über
hundert Jahr alt wurde, und das Dir auch
vielleicht gefallen wird; wenn ich nicht irre,
iſt von Andrea Orgagna gemahlt. Dieſer
Künſtler hat den Dante mit beſondrer Vor¬
liebe ſtudirt, und in ſeiner Kunſt auch et¬
was ähnliches dichten wollen. Auf ſeinem
großen Bilde iſt in der That das ganze
menſchliche Leben auf eine recht wehmüthige
Art abgebildet. Ein Feld prangt mit ſchö¬
nen Blumen von friſchen und glänzenden
Farben, geſchmückte Herren und Damen ge¬
hen umher, und ergötzen ſich an der Pracht.
Tanzende Mädchen ziehen mit ihrer muntern
Bewegung den Blick auf ſich, in den Bäu¬
men, die von Orangen glühn, erblickt man
Liebesgötter, die ſchalkhaft mit ihren Ge¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0186" n="178"/>
Verkettung reißen darf, alles dies i&#x017F;t mir<lb/>
immer ungemein erhaben er&#x017F;chienen.</p><lb/>
          <p>Ich erinnere mich, antwortete Rudolf,<lb/>
eines alten Bildes in Pi&#x017F;a, das &#x017F;chon über<lb/>
hundert Jahr alt wurde, und das Dir auch<lb/>
vielleicht gefallen wird; wenn ich nicht irre,<lb/>
i&#x017F;t von Andrea Orgagna gemahlt. Die&#x017F;er<lb/>
Kün&#x017F;tler hat den Dante mit be&#x017F;ondrer Vor¬<lb/>
liebe &#x017F;tudirt, und in &#x017F;einer Kun&#x017F;t auch et¬<lb/>
was ähnliches dichten wollen. Auf &#x017F;einem<lb/>
großen Bilde i&#x017F;t in der That das ganze<lb/>
men&#x017F;chliche Leben auf eine recht wehmüthige<lb/>
Art abgebildet. Ein Feld prangt mit &#x017F;chö¬<lb/>
nen Blumen von fri&#x017F;chen und glänzenden<lb/>
Farben, ge&#x017F;chmückte Herren und Damen ge¬<lb/>
hen umher, und ergötzen &#x017F;ich an der Pracht.<lb/>
Tanzende Mädchen ziehen mit ihrer muntern<lb/>
Bewegung den Blick auf &#x017F;ich, in den Bäu¬<lb/>
men, die von Orangen glühn, erblickt man<lb/>
Liebesgötter, die &#x017F;chalkhaft mit ihren Ge¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[178/0186] Verkettung reißen darf, alles dies iſt mir immer ungemein erhaben erſchienen. Ich erinnere mich, antwortete Rudolf, eines alten Bildes in Piſa, das ſchon über hundert Jahr alt wurde, und das Dir auch vielleicht gefallen wird; wenn ich nicht irre, iſt von Andrea Orgagna gemahlt. Dieſer Künſtler hat den Dante mit beſondrer Vor¬ liebe ſtudirt, und in ſeiner Kunſt auch et¬ was ähnliches dichten wollen. Auf ſeinem großen Bilde iſt in der That das ganze menſchliche Leben auf eine recht wehmüthige Art abgebildet. Ein Feld prangt mit ſchö¬ nen Blumen von friſchen und glänzenden Farben, geſchmückte Herren und Damen ge¬ hen umher, und ergötzen ſich an der Pracht. Tanzende Mädchen ziehen mit ihrer muntern Bewegung den Blick auf ſich, in den Bäu¬ men, die von Orangen glühn, erblickt man Liebesgötter, die ſchalkhaft mit ihren Ge¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/186
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/186>, abgerufen am 27.11.2024.