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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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keit nicht, er verspottete meinen Kleinmuth,
und die Corsaren betheuerten, daß sie noch
nie einen so tollkühnen Wagehals gesehen
hätten. Was soll mir das Leben? sagte er
dagegen in ihrer Sprache, die wir beide ge¬
lernt hatten, heute ist es da, morgen wieder
fort; jedermann sey froh, so hat er seine
Pflicht gethan, keiner weiß, was morgen
ist, keiner hat das Angesicht der zukünftigen
Stunde gesehn. Spotte über die Falten,
über das Zürnen, das uns Saturn oft im
Vorüberfliegen vorhält, der Alte wird schon
wieder gut, er ist wacker, und lächelt end¬
lich über seine eigne Verspottung, er bittet
Euch, wie Alte Kindern thun, nachher seine
Unfreundlichkeit ab. Heute mir, morgen
Dir: wer Glück liebt, muß auch sein Un¬
glück willkommen heißen. Das ganze Leben
ist nicht der Sorge werth.

So stand er mit seinen Ketten unter

keit nicht, er verſpottete meinen Kleinmuth,
und die Corſaren betheuerten, daß ſie noch
nie einen ſo tollkühnen Wagehals geſehen
hätten. Was ſoll mir das Leben? ſagte er
dagegen in ihrer Sprache, die wir beide ge¬
lernt hatten, heute iſt es da, morgen wieder
fort; jedermann ſey froh, ſo hat er ſeine
Pflicht gethan, keiner weiß, was morgen
iſt, keiner hat das Angeſicht der zukünftigen
Stunde geſehn. Spotte über die Falten,
über das Zürnen, das uns Saturn oft im
Vorüberfliegen vorhält, der Alte wird ſchon
wieder gut, er iſt wacker, und lächelt end¬
lich über ſeine eigne Verſpottung, er bittet
Euch, wie Alte Kindern thun, nachher ſeine
Unfreundlichkeit ab. Heute mir, morgen
Dir: wer Glück liebt, muß auch ſein Un¬
glück willkommen heißen. Das ganze Leben
iſt nicht der Sorge werth.

So ſtand er mit ſeinen Ketten unter

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[198/0206] keit nicht, er verſpottete meinen Kleinmuth, und die Corſaren betheuerten, daß ſie noch nie einen ſo tollkühnen Wagehals geſehen hätten. Was ſoll mir das Leben? ſagte er dagegen in ihrer Sprache, die wir beide ge¬ lernt hatten, heute iſt es da, morgen wieder fort; jedermann ſey froh, ſo hat er ſeine Pflicht gethan, keiner weiß, was morgen iſt, keiner hat das Angeſicht der zukünftigen Stunde geſehn. Spotte über die Falten, über das Zürnen, das uns Saturn oft im Vorüberfliegen vorhält, der Alte wird ſchon wieder gut, er iſt wacker, und lächelt end¬ lich über ſeine eigne Verſpottung, er bittet Euch, wie Alte Kindern thun, nachher ſeine Unfreundlichkeit ab. Heute mir, morgen Dir: wer Glück liebt, muß auch ſein Un¬ glück willkommen heißen. Das ganze Leben iſt nicht der Sorge werth. So ſtand er mit ſeinen Ketten unter

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/206>, abgerufen am 27.11.2024.