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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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meinen Wünschen geneigt, ich war auf dem
höchsten Gipfel meiner Seligkeit. Wie arm
kam mir mein Leben bis dahin vor, wie
entsagte ich allen meinen Schwärmereien!
Der Tag unsrer Hochzeit war festgesetzt.

O, meine Freunde, ich kann Euch nicht
beschreiben, ich kann sie selber nicht begrei¬
fen, die wunderbare Veränderung, die nun
mit mir vorging! Ich sah ein bestimmtes
Glück vor mir liegen, aber ich war an die¬
sem Glücke festgeschmiedet: wie wenn ich in
Meeresstille vor Anker läge, und nun sähe,
wie Mast und Seegel vom Schiffe herunter¬
geschlagen würden, um mich hier, nur hier
ewig festzuhalten.

O, süße Reiselust! sagte ich zu mir sel¬
ber, geheimnißreiche Ferne, ich werde nun
von Euch Abschied nehmen und eine Hei¬
math dafür besitzen! Lockt mich nicht mehr
weit weg, denn alle Eure Töne sind vergeb¬

meinen Wünſchen geneigt, ich war auf dem
höchſten Gipfel meiner Seligkeit. Wie arm
kam mir mein Leben bis dahin vor, wie
entſagte ich allen meinen Schwärmereien!
Der Tag unſrer Hochzeit war feſtgeſetzt.

O, meine Freunde, ich kann Euch nicht
beſchreiben, ich kann ſie ſelber nicht begrei¬
fen, die wunderbare Veränderung, die nun
mit mir vorging! Ich ſah ein beſtimmtes
Glück vor mir liegen, aber ich war an die¬
ſem Glücke feſtgeſchmiedet: wie wenn ich in
Meeresſtille vor Anker läge, und nun ſähe,
wie Maſt und Seegel vom Schiffe herunter¬
geſchlagen würden, um mich hier, nur hier
ewig feſtzuhalten.

O, ſüße Reiſeluſt! ſagte ich zu mir ſel¬
ber, geheimnißreiche Ferne, ich werde nun
von Euch Abſchied nehmen und eine Hei¬
math dafür beſitzen! Lockt mich nicht mehr
weit weg, denn alle Eure Töne ſind vergeb¬

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[207/0215] meinen Wünſchen geneigt, ich war auf dem höchſten Gipfel meiner Seligkeit. Wie arm kam mir mein Leben bis dahin vor, wie entſagte ich allen meinen Schwärmereien! Der Tag unſrer Hochzeit war feſtgeſetzt. O, meine Freunde, ich kann Euch nicht beſchreiben, ich kann ſie ſelber nicht begrei¬ fen, die wunderbare Veränderung, die nun mit mir vorging! Ich ſah ein beſtimmtes Glück vor mir liegen, aber ich war an die¬ ſem Glücke feſtgeſchmiedet: wie wenn ich in Meeresſtille vor Anker läge, und nun ſähe, wie Maſt und Seegel vom Schiffe herunter¬ geſchlagen würden, um mich hier, nur hier ewig feſtzuhalten. O, ſüße Reiſeluſt! ſagte ich zu mir ſel¬ ber, geheimnißreiche Ferne, ich werde nun von Euch Abſchied nehmen und eine Hei¬ math dafür beſitzen! Lockt mich nicht mehr weit weg, denn alle Eure Töne ſind vergeb¬

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/215>, abgerufen am 26.11.2024.