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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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haben, sie beweint ihr Schicksal. Ich war
bereit, sie in dieser Nacht zu entführen; ich
vertraute dem Gefährten meinen Plan, die¬
ser Tückische, der sie anbetet, lockt mich hier¬
her in den dichten Wald, und versetzt mir
heimlich diese Wunde. Darauf verließ er
mich schnell. Seht, das ist meine Geschichte.

Unaufhörlich schwebt das Bild der Grä¬
fin nun vor meinen Augen. Soll ich sie
lassen? kann ich sie wiederfinden? soll ich
einem Wesen mein ganzes Leben opfern?

Franz sagte: Eure Geschichte ist selt¬
sam, die Liebe heilt Euch vielleicht einmal,
daß Ihr Euch in der Beschränkung durch¬
aus glücklich fühlt, denn noch habt Ihr die
Liebe nicht gekannt.

Du bist zu voreilig, mein Freund, sagte
Florestan, nicht alle Menschen sind wie Du,
und genau genommen, weißt Du auch noch
nicht einmal, wie Du beschaffen bist.

haben, ſie beweint ihr Schickſal. Ich war
bereit, ſie in dieſer Nacht zu entführen; ich
vertraute dem Gefährten meinen Plan, die¬
ſer Tückiſche, der ſie anbetet, lockt mich hier¬
her in den dichten Wald, und verſetzt mir
heimlich dieſe Wunde. Darauf verließ er
mich ſchnell. Seht, das iſt meine Geſchichte.

Unaufhörlich ſchwebt das Bild der Grä¬
fin nun vor meinen Augen. Soll ich ſie
laſſen? kann ich ſie wiederfinden? ſoll ich
einem Weſen mein ganzes Leben opfern?

Franz ſagte: Eure Geſchichte iſt ſelt¬
ſam, die Liebe heilt Euch vielleicht einmal,
daß Ihr Euch in der Beſchränkung durch¬
aus glücklich fühlt, denn noch habt Ihr die
Liebe nicht gekannt.

Du biſt zu voreilig, mein Freund, ſagte
Floreſtan, nicht alle Menſchen ſind wie Du,
und genau genommen, weißt Du auch noch
nicht einmal, wie Du beſchaffen biſt.

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[215/0223] haben, ſie beweint ihr Schickſal. Ich war bereit, ſie in dieſer Nacht zu entführen; ich vertraute dem Gefährten meinen Plan, die¬ ſer Tückiſche, der ſie anbetet, lockt mich hier¬ her in den dichten Wald, und verſetzt mir heimlich dieſe Wunde. Darauf verließ er mich ſchnell. Seht, das iſt meine Geſchichte. Unaufhörlich ſchwebt das Bild der Grä¬ fin nun vor meinen Augen. Soll ich ſie laſſen? kann ich ſie wiederfinden? ſoll ich einem Weſen mein ganzes Leben opfern? Franz ſagte: Eure Geſchichte iſt ſelt¬ ſam, die Liebe heilt Euch vielleicht einmal, daß Ihr Euch in der Beſchränkung durch¬ aus glücklich fühlt, denn noch habt Ihr die Liebe nicht gekannt. Du biſt zu voreilig, mein Freund, ſagte Floreſtan, nicht alle Menſchen ſind wie Du, und genau genommen, weißt Du auch noch nicht einmal, wie Du beſchaffen biſt.

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/223>, abgerufen am 25.11.2024.