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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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Geliebte geheirathet habe, diese Entdeckung
habe sich unvermuthet während ihrer Gebe¬
ter hervorgethan, er sey darüber erbittert
worden, daß er nun noch zum Überfluß sei¬
nem ärgsten Feinde Herberge geben müßte.

Der Pilgrim verantwortete sich dagegen:
daß es seine Schuld nicht sey, daß jener ge¬
gen die Gastfreiheit gehandelt und ihn mit
Schimpfreden überhäuft habe.

Ludoviko sagte: Mein lieber Pilger,
wenn Dir die Großmuth recht an die Seele
geheftet ist, so überlaß jenem eifrigen Lieb¬
haber Deine bisherige Frau, und bewohne
Du seine Klause. Vielleicht, daß er sich bald
hierher zurücksehnt, und Du dann gewiß nicht
zum zweitenmale den Tausch eingehn wirst.

Rudolf lachte laut über den wunderli¬
chen Zank und über diese lustige Entscheidung,
Franz aber erstaunte, daß Einsiedler, heilige
Männer so unheiligen und gemeinen Leiden¬

Geliebte geheirathet habe, dieſe Entdeckung
habe ſich unvermuthet während ihrer Gebe¬
ter hervorgethan, er ſey darüber erbittert
worden, daß er nun noch zum Überfluß ſei¬
nem ärgſten Feinde Herberge geben müßte.

Der Pilgrim verantwortete ſich dagegen:
daß es ſeine Schuld nicht ſey, daß jener ge¬
gen die Gaſtfreiheit gehandelt und ihn mit
Schimpfreden überhäuft habe.

Ludoviko ſagte: Mein lieber Pilger,
wenn Dir die Großmuth recht an die Seele
geheftet iſt, ſo überlaß jenem eifrigen Lieb¬
haber Deine bisherige Frau, und bewohne
Du ſeine Klauſe. Vielleicht, daß er ſich bald
hierher zurückſehnt, und Du dann gewiß nicht
zum zweitenmale den Tauſch eingehn wirſt.

Rudolf lachte laut über den wunderli¬
chen Zank und über dieſe luſtige Entſcheidung,
Franz aber erſtaunte, daß Einſiedler, heilige
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[229/0237] Geliebte geheirathet habe, dieſe Entdeckung habe ſich unvermuthet während ihrer Gebe¬ ter hervorgethan, er ſey darüber erbittert worden, daß er nun noch zum Überfluß ſei¬ nem ärgſten Feinde Herberge geben müßte. Der Pilgrim verantwortete ſich dagegen: daß es ſeine Schuld nicht ſey, daß jener ge¬ gen die Gaſtfreiheit gehandelt und ihn mit Schimpfreden überhäuft habe. Ludoviko ſagte: Mein lieber Pilger, wenn Dir die Großmuth recht an die Seele geheftet iſt, ſo überlaß jenem eifrigen Lieb¬ haber Deine bisherige Frau, und bewohne Du ſeine Klauſe. Vielleicht, daß er ſich bald hierher zurückſehnt, und Du dann gewiß nicht zum zweitenmale den Tauſch eingehn wirſt. Rudolf lachte laut über den wunderli¬ chen Zank und über dieſe luſtige Entſcheidung, Franz aber erſtaunte, daß Einſiedler, heilige Männer ſo unheiligen und gemeinen Leiden¬

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/237>, abgerufen am 24.11.2024.