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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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gen, oder in Euren Bemühungen erliegen.
Eure Einbildung ist so lebhaft und lebendig,
so zahlreich an Gestalt und Erfindung, daß
ihr das Unmöglichste nur ein leichtes Spiel
dünkt. O, wie viel billigere Forderungen
muß der Künstler aufgeben, wenn er zur
wirklichen Arbeit schreitet!

Hier stimmte der Pilgrim plötzlich ein
geistliches Lied an, denn es war nun die
Tageszeit gekommen, an welcher er es nach
seinem Gelübde absingen mußte. Das Ge¬
spräch wurde unterbrochen, weil alle auf¬
merksam zuhörten, ohne daß eigentlich einer
von ihnen wußte, warum er es that.

Mit dem Schlusse des Gesanges traten
sie in ein anmuthiges Thal, in dem eine
Heerde weidete, eine Schallmey tönte her¬
über, und Sternbalds Gemüth ward so hei¬
ter und muthig gestimmt, daß er von freien

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gen, oder in Euren Bemühungen erliegen.
Eure Einbildung iſt ſo lebhaft und lebendig,
ſo zahlreich an Geſtalt und Erfindung, daß
ihr das Unmöglichſte nur ein leichtes Spiel
dünkt. O, wie viel billigere Forderungen
muß der Künſtler aufgeben, wenn er zur
wirklichen Arbeit ſchreitet!

Hier ſtimmte der Pilgrim plötzlich ein
geiſtliches Lied an, denn es war nun die
Tageszeit gekommen, an welcher er es nach
ſeinem Gelübde abſingen mußte. Das Ge¬
ſpräch wurde unterbrochen, weil alle auf¬
merkſam zuhörten, ohne daß eigentlich einer
von ihnen wußte, warum er es that.

Mit dem Schluſſe des Geſanges traten
ſie in ein anmuthiges Thal, in dem eine
Heerde weidete, eine Schallmey tönte her¬
über, und Sternbalds Gemüth ward ſo hei¬
ter und muthig geſtimmt, daß er von freien

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[243/0251] gen, oder in Euren Bemühungen erliegen. Eure Einbildung iſt ſo lebhaft und lebendig, ſo zahlreich an Geſtalt und Erfindung, daß ihr das Unmöglichſte nur ein leichtes Spiel dünkt. O, wie viel billigere Forderungen muß der Künſtler aufgeben, wenn er zur wirklichen Arbeit ſchreitet! Hier ſtimmte der Pilgrim plötzlich ein geiſtliches Lied an, denn es war nun die Tageszeit gekommen, an welcher er es nach ſeinem Gelübde abſingen mußte. Das Ge¬ ſpräch wurde unterbrochen, weil alle auf¬ merkſam zuhörten, ohne daß eigentlich einer von ihnen wußte, warum er es that. Mit dem Schluſſe des Geſanges traten ſie in ein anmuthiges Thal, in dem eine Heerde weidete, eine Schallmey tönte her¬ über, und Sternbalds Gemüth ward ſo hei¬ ter und muthig geſtimmt, daß er von freien Q 2

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/251>, abgerufen am 22.11.2024.