wenn sie nur hübsch war. Hatte ich ein ar¬ tiges Mädchen bemerkt, das ich weiter gar nicht kannte, das von mir gar nichts wußte, so stand meine Begier vor ihrem Bilde gleich¬ sam Wache, ich war auf jedermann neidisch und böse, der nur durch den Zufall zu ihr in's Haus ging, der sie grüßte und dem sie höflich dankte. -- Sprach einer freundlich mit ihr, so konnte ich mir diesen Unbekann¬ ten auf mehrere Tage auszeichnen und mer¬ ken, um ihn zu hassen. O, diese Eifersucht ist noch viel unbegreiflicher als unsre Liebe, denn wir können doch nicht alle Weiber und Mädchen zu unserm Eigenthum machen; aber das lüsterne Auge läßt sich keine Schranken setzen, unsre Phantasie ist wie das Faß der Danaiden, unser Sehnen umfängt und um¬ armt jeglichen Busen.
Indem war es ganz finster geworden, der müde Pilgrim war eingeschlafen, einige
Hörner¬
wenn ſie nur hübſch war. Hatte ich ein ar¬ tiges Mädchen bemerkt, das ich weiter gar nicht kannte, das von mir gar nichts wußte, ſo ſtand meine Begier vor ihrem Bilde gleich¬ ſam Wache, ich war auf jedermann neidiſch und böſe, der nur durch den Zufall zu ihr in's Haus ging, der ſie grüßte und dem ſie höflich dankte. — Sprach einer freundlich mit ihr, ſo konnte ich mir dieſen Unbekann¬ ten auf mehrere Tage auszeichnen und mer¬ ken, um ihn zu haſſen. O, dieſe Eiferſucht iſt noch viel unbegreiflicher als unſre Liebe, denn wir können doch nicht alle Weiber und Mädchen zu unſerm Eigenthum machen; aber das lüſterne Auge läßt ſich keine Schranken ſetzen, unſre Phantaſie iſt wie das Faß der Danaiden, unſer Sehnen umfängt und um¬ armt jeglichen Buſen.
Indem war es ganz finſter geworden, der müde Pilgrim war eingeſchlafen, einige
Hörner¬
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wenn ſie nur hübſch war. Hatte ich ein ar¬
tiges Mädchen bemerkt, das ich weiter gar
nicht kannte, das von mir gar nichts wußte,
ſo ſtand meine Begier vor ihrem Bilde gleich¬
ſam Wache, ich war auf jedermann neidiſch
und böſe, der nur durch den Zufall zu ihr
in's Haus ging, der ſie grüßte und dem ſie
höflich dankte. — Sprach einer freundlich
mit ihr, ſo konnte ich mir dieſen Unbekann¬
ten auf mehrere Tage auszeichnen und mer¬
ken, um ihn zu haſſen. O, dieſe Eiferſucht
iſt noch viel unbegreiflicher als unſre Liebe,
denn wir können doch nicht alle Weiber und
Mädchen zu unſerm Eigenthum machen; aber
das lüſterne Auge läßt ſich keine Schranken
ſetzen, unſre Phantaſie iſt wie das Faß der
Danaiden, unſer Sehnen umfängt und um¬
armt jeglichen Buſen.
Indem war es ganz finſter geworden,
der müde Pilgrim war eingeſchlafen, einige
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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/280>, abgerufen am 21.11.2024.
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