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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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wenn sie nur hübsch war. Hatte ich ein ar¬
tiges Mädchen bemerkt, das ich weiter gar
nicht kannte, das von mir gar nichts wußte,
so stand meine Begier vor ihrem Bilde gleich¬
sam Wache, ich war auf jedermann neidisch
und böse, der nur durch den Zufall zu ihr
in's Haus ging, der sie grüßte und dem sie
höflich dankte. -- Sprach einer freundlich
mit ihr, so konnte ich mir diesen Unbekann¬
ten auf mehrere Tage auszeichnen und mer¬
ken, um ihn zu hassen. O, diese Eifersucht
ist noch viel unbegreiflicher als unsre Liebe,
denn wir können doch nicht alle Weiber und
Mädchen zu unserm Eigenthum machen; aber
das lüsterne Auge läßt sich keine Schranken
setzen, unsre Phantasie ist wie das Faß der
Danaiden, unser Sehnen umfängt und um¬
armt jeglichen Busen.

Indem war es ganz finster geworden,
der müde Pilgrim war eingeschlafen, einige

Hörner¬

wenn ſie nur hübſch war. Hatte ich ein ar¬
tiges Mädchen bemerkt, das ich weiter gar
nicht kannte, das von mir gar nichts wußte,
ſo ſtand meine Begier vor ihrem Bilde gleich¬
ſam Wache, ich war auf jedermann neidiſch
und böſe, der nur durch den Zufall zu ihr
in's Haus ging, der ſie grüßte und dem ſie
höflich dankte. — Sprach einer freundlich
mit ihr, ſo konnte ich mir dieſen Unbekann¬
ten auf mehrere Tage auszeichnen und mer¬
ken, um ihn zu haſſen. O, dieſe Eiferſucht
iſt noch viel unbegreiflicher als unſre Liebe,
denn wir können doch nicht alle Weiber und
Mädchen zu unſerm Eigenthum machen; aber
das lüſterne Auge läßt ſich keine Schranken
ſetzen, unſre Phantaſie iſt wie das Faß der
Danaiden, unſer Sehnen umfängt und um¬
armt jeglichen Buſen.

Indem war es ganz finſter geworden,
der müde Pilgrim war eingeſchlafen, einige

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[272/0280] wenn ſie nur hübſch war. Hatte ich ein ar¬ tiges Mädchen bemerkt, das ich weiter gar nicht kannte, das von mir gar nichts wußte, ſo ſtand meine Begier vor ihrem Bilde gleich¬ ſam Wache, ich war auf jedermann neidiſch und böſe, der nur durch den Zufall zu ihr in's Haus ging, der ſie grüßte und dem ſie höflich dankte. — Sprach einer freundlich mit ihr, ſo konnte ich mir dieſen Unbekann¬ ten auf mehrere Tage auszeichnen und mer¬ ken, um ihn zu haſſen. O, dieſe Eiferſucht iſt noch viel unbegreiflicher als unſre Liebe, denn wir können doch nicht alle Weiber und Mädchen zu unſerm Eigenthum machen; aber das lüſterne Auge läßt ſich keine Schranken ſetzen, unſre Phantaſie iſt wie das Faß der Danaiden, unſer Sehnen umfängt und um¬ armt jeglichen Buſen. Indem war es ganz finſter geworden, der müde Pilgrim war eingeſchlafen, einige Hörner¬

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/280>, abgerufen am 21.11.2024.