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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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vorsätzlich das verschmäht hat, was ihnen
an ihren Lieblingen gefällt. Warum kein
Künstler noch diese Größe erstrebt hat? Wer
hat denn richtigen Begriff von seiner Kunst,
um das Beste zu wollen? Ja, wer von
den Künstlern will denn überhaupt irgend
was? Sie können sich ja nie von ihrem
Talente Rechenschaft geben, das sie blind¬
lings ausüben, sie sind ja zufrieden, wenn
sie den leichtesten Wohlgefallen erregen, auf
welchem Wege es auch sey. Sie wissen ja
gar nicht, daß es eine Kunst giebt, woher
sollen sie denn erfahren, daß diese Kunst
eine höchste, letzte Spitze habe. Mit Mi¬
chael Angelo ist die Kunst erst gebohren wor¬
den, und von ihm wird eine Schule aus¬
gehn, die die erste ist und bald die einzige
seyn wird.

Und wie meint Ihr, fragte Franz, daß
dann die Kunst beschaffen seyn wird?

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vorſätzlich das verſchmäht hat, was ihnen
an ihren Lieblingen gefällt. Warum kein
Künſtler noch dieſe Größe erſtrebt hat? Wer
hat denn richtigen Begriff von ſeiner Kunſt,
um das Beſte zu wollen? Ja, wer von
den Künſtlern will denn überhaupt irgend
was? Sie können ſich ja nie von ihrem
Talente Rechenſchaft geben, das ſie blind¬
lings ausüben, ſie ſind ja zufrieden, wenn
ſie den leichteſten Wohlgefallen erregen, auf
welchem Wege es auch ſey. Sie wiſſen ja
gar nicht, daß es eine Kunſt giebt, woher
ſollen ſie denn erfahren, daß dieſe Kunſt
eine höchſte, letzte Spitze habe. Mit Mi¬
chael Angelo iſt die Kunſt erſt gebohren wor¬
den, und von ihm wird eine Schule aus¬
gehn, die die erſte iſt und bald die einzige
ſeyn wird.

Und wie meint Ihr, fragte Franz, daß
dann die Kunſt beſchaffen ſeyn wird?

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[291/0299] vorſätzlich das verſchmäht hat, was ihnen an ihren Lieblingen gefällt. Warum kein Künſtler noch dieſe Größe erſtrebt hat? Wer hat denn richtigen Begriff von ſeiner Kunſt, um das Beſte zu wollen? Ja, wer von den Künſtlern will denn überhaupt irgend was? Sie können ſich ja nie von ihrem Talente Rechenſchaft geben, das ſie blind¬ lings ausüben, ſie ſind ja zufrieden, wenn ſie den leichteſten Wohlgefallen erregen, auf welchem Wege es auch ſey. Sie wiſſen ja gar nicht, daß es eine Kunſt giebt, woher ſollen ſie denn erfahren, daß dieſe Kunſt eine höchſte, letzte Spitze habe. Mit Mi¬ chael Angelo iſt die Kunſt erſt gebohren wor¬ den, und von ihm wird eine Schule aus¬ gehn, die die erſte iſt und bald die einzige ſeyn wird. Und wie meint Ihr, fragte Franz, daß dann die Kunſt beſchaffen ſeyn wird? T 2

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/299>, abgerufen am 01.06.2024.