Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

Hohlwege, die sie durchkreuzten, über die
feuchte Wiese herüber, von den Bergen in
zauberischen Widerscheinen. Die ganze Ge¬
gend war in Eine Masse verschmolzen, und
doch waren die verschiedenen Gründe leicht
gesondert, mehr angedeutet, als ausgezeich¬
net; keine Wolke war am Himmel, es war,
als wenn sich ein Meer mit unendlichen gol¬
denen Glanzwogen sanft über Wiese und
Wald ausströmte und herüber nach den Fel¬
sen bewegte.

Könnten wir nur die Natur genau nach¬
ahmen, sagte Sternbald, oder begleitete
uns diese Stimmung nur so lange, als wir
an einem Werke arbeiten, um in frischer
Kraft, in voller Neuheit das hinzustellen,
was wir jetzt empfinden, damit auch andre
so davon ergriffen würden, wahrlich, wir
könnten oft Handlung und Composition ent¬
behren, und doch eine große, herrliche Wir¬
kung hervorbringen!

Hohlwege, die ſie durchkreuzten, über die
feuchte Wieſe herüber, von den Bergen in
zauberiſchen Widerſcheinen. Die ganze Ge¬
gend war in Eine Maſſe verſchmolzen, und
doch waren die verſchiedenen Gründe leicht
geſondert, mehr angedeutet, als ausgezeich¬
net; keine Wolke war am Himmel, es war,
als wenn ſich ein Meer mit unendlichen gol¬
denen Glanzwogen ſanft über Wieſe und
Wald ausſtrömte und herüber nach den Fel¬
ſen bewegte.

Könnten wir nur die Natur genau nach¬
ahmen, ſagte Sternbald, oder begleitete
uns dieſe Stimmung nur ſo lange, als wir
an einem Werke arbeiten, um in friſcher
Kraft, in voller Neuheit das hinzuſtellen,
was wir jetzt empfinden, damit auch andre
ſo davon ergriffen würden, wahrlich, wir
könnten oft Handlung und Compoſition ent¬
behren, und doch eine große, herrliche Wir¬
kung hervorbringen!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0304" n="296"/>
Hohlwege, die &#x017F;ie durchkreuzten, über die<lb/>
feuchte Wie&#x017F;e herüber, von den Bergen in<lb/>
zauberi&#x017F;chen Wider&#x017F;cheinen. Die ganze Ge¬<lb/>
gend war in Eine Ma&#x017F;&#x017F;e ver&#x017F;chmolzen, und<lb/>
doch waren die ver&#x017F;chiedenen Gründe leicht<lb/>
ge&#x017F;ondert, mehr angedeutet, als ausgezeich¬<lb/>
net; keine Wolke war am Himmel, es war,<lb/>
als wenn &#x017F;ich ein Meer mit unendlichen gol¬<lb/>
denen Glanzwogen &#x017F;anft über Wie&#x017F;e und<lb/>
Wald aus&#x017F;trömte und herüber nach den Fel¬<lb/>
&#x017F;en bewegte.</p><lb/>
          <p>Könnten wir nur die Natur genau nach¬<lb/>
ahmen, &#x017F;agte Sternbald, oder begleitete<lb/>
uns die&#x017F;e Stimmung nur &#x017F;o lange, als wir<lb/>
an einem Werke arbeiten, um in fri&#x017F;cher<lb/>
Kraft, in voller Neuheit das hinzu&#x017F;tellen,<lb/>
was wir jetzt empfinden, damit auch andre<lb/>
&#x017F;o davon ergriffen würden, wahrlich, wir<lb/>
könnten oft Handlung und Compo&#x017F;ition ent¬<lb/>
behren, und doch eine große, herrliche Wir¬<lb/>
kung hervorbringen!</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[296/0304] Hohlwege, die ſie durchkreuzten, über die feuchte Wieſe herüber, von den Bergen in zauberiſchen Widerſcheinen. Die ganze Ge¬ gend war in Eine Maſſe verſchmolzen, und doch waren die verſchiedenen Gründe leicht geſondert, mehr angedeutet, als ausgezeich¬ net; keine Wolke war am Himmel, es war, als wenn ſich ein Meer mit unendlichen gol¬ denen Glanzwogen ſanft über Wieſe und Wald ausſtrömte und herüber nach den Fel¬ ſen bewegte. Könnten wir nur die Natur genau nach¬ ahmen, ſagte Sternbald, oder begleitete uns dieſe Stimmung nur ſo lange, als wir an einem Werke arbeiten, um in friſcher Kraft, in voller Neuheit das hinzuſtellen, was wir jetzt empfinden, damit auch andre ſo davon ergriffen würden, wahrlich, wir könnten oft Handlung und Compoſition ent¬ behren, und doch eine große, herrliche Wir¬ kung hervorbringen!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/304
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/304>, abgerufen am 22.11.2024.