Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

unnatürlich wären, ja wie sie gewissermaßen
das ganze Gemählde vernichteten, aber die
Äbtissin antwortete: Dies alles ist mir sehr
gleich, aber eine geistliche, bewegliche Hi¬
storie muß durchaus nicht auf eine ganz
weltliche Art ausgedrückt werden, Reiz,
und was Ihr Mahler Schönheit nennt, ge¬
hört gar nicht in ein Bild, das zur Er¬
bauung dienen und heilige Gedanken erwek¬
ken soll. Mir ist hier das Steife, Altfrän¬
kische viel erwünschter, dies schon trägt zu
einer gewissen Erhebung bei. Die Worte
sind aber eigentlich die Erklärung des Ge¬
mähldes, und diese gottseligen Betrachtun¬
gen könnt Ihr nimmermehr durch den Aus¬
druck der Mienen ersetzen. An der soge¬
nannten Wahrheit und Täuschung liegt mir
sehr wenig: wenn ich mich einmal davon
überzeugen kann, daß ich hier in der Kirche
diese Wildniß mit Thieren und Felsen an¬

unnatürlich wären, ja wie ſie gewiſſermaßen
das ganze Gemählde vernichteten, aber die
Äbtiſſin antwortete: Dies alles iſt mir ſehr
gleich, aber eine geiſtliche, bewegliche Hi¬
ſtorie muß durchaus nicht auf eine ganz
weltliche Art ausgedrückt werden, Reiz,
und was Ihr Mahler Schönheit nennt, ge¬
hört gar nicht in ein Bild, das zur Er¬
bauung dienen und heilige Gedanken erwek¬
ken ſoll. Mir iſt hier das Steife, Altfrän¬
kiſche viel erwünſchter, dies ſchon trägt zu
einer gewiſſen Erhebung bei. Die Worte
ſind aber eigentlich die Erklärung des Ge¬
mähldes, und dieſe gottſeligen Betrachtun¬
gen könnt Ihr nimmermehr durch den Aus¬
druck der Mienen erſetzen. An der ſoge¬
nannten Wahrheit und Täuſchung liegt mir
ſehr wenig: wenn ich mich einmal davon
überzeugen kann, daß ich hier in der Kirche
dieſe Wildniß mit Thieren und Felſen an¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0324" n="316"/>
unnatürlich wären, ja wie &#x017F;ie gewi&#x017F;&#x017F;ermaßen<lb/>
das ganze Gemählde vernichteten, aber die<lb/>
Äbti&#x017F;&#x017F;in antwortete: Dies alles i&#x017F;t mir &#x017F;ehr<lb/>
gleich, aber eine gei&#x017F;tliche, bewegliche Hi¬<lb/>
&#x017F;torie muß durchaus nicht auf eine ganz<lb/>
weltliche Art ausgedrückt werden, Reiz,<lb/>
und was Ihr Mahler Schönheit nennt, ge¬<lb/>
hört gar nicht in ein Bild, das zur Er¬<lb/>
bauung dienen und heilige Gedanken erwek¬<lb/>
ken &#x017F;oll. Mir i&#x017F;t hier das Steife, Altfrän¬<lb/>
ki&#x017F;che viel erwün&#x017F;chter, dies &#x017F;chon trägt zu<lb/>
einer gewi&#x017F;&#x017F;en Erhebung bei. Die Worte<lb/>
&#x017F;ind aber eigentlich die Erklärung des Ge¬<lb/>
mähldes, und die&#x017F;e gott&#x017F;eligen Betrachtun¬<lb/>
gen könnt Ihr nimmermehr durch den Aus¬<lb/>
druck der Mienen er&#x017F;etzen. An der &#x017F;oge¬<lb/>
nannten Wahrheit und Täu&#x017F;chung liegt mir<lb/>
&#x017F;ehr wenig: wenn ich mich einmal davon<lb/>
überzeugen kann, daß ich hier in der Kirche<lb/>
die&#x017F;e Wildniß mit Thieren und Fel&#x017F;en an¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[316/0324] unnatürlich wären, ja wie ſie gewiſſermaßen das ganze Gemählde vernichteten, aber die Äbtiſſin antwortete: Dies alles iſt mir ſehr gleich, aber eine geiſtliche, bewegliche Hi¬ ſtorie muß durchaus nicht auf eine ganz weltliche Art ausgedrückt werden, Reiz, und was Ihr Mahler Schönheit nennt, ge¬ hört gar nicht in ein Bild, das zur Er¬ bauung dienen und heilige Gedanken erwek¬ ken ſoll. Mir iſt hier das Steife, Altfrän¬ kiſche viel erwünſchter, dies ſchon trägt zu einer gewiſſen Erhebung bei. Die Worte ſind aber eigentlich die Erklärung des Ge¬ mähldes, und dieſe gottſeligen Betrachtun¬ gen könnt Ihr nimmermehr durch den Aus¬ druck der Mienen erſetzen. An der ſoge¬ nannten Wahrheit und Täuſchung liegt mir ſehr wenig: wenn ich mich einmal davon überzeugen kann, daß ich hier in der Kirche dieſe Wildniß mit Thieren und Felſen an¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/324
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/324>, abgerufen am 27.11.2024.