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Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

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gedachte an Roderigo's Worte, der von der
Gräfin gesagt hatte, daß sie in Bewegun¬
gen Musik schriebe, daß jede Biegung der
Gelenke ein Wohllaut sey.

Sie gingen fort, der Gesang der Non¬
nen erklang wieder. Franz fühlte sich ver¬
lassen, daß er nicht neben der schönen Heili¬
gen knien konnte, ganz in Andacht hinge¬
gossen, die Augen dahin gerichtet, wohin
die ihrigen blickten, er glaubte, daß das al¬
lein schon ein höchst seliges Gefühl seyn müsse,
nur mit ihr dieselben Worte zu singen, zu
denken. Wie widerlich waren ihm die Far¬
ben, die er auftragen, die Figuren, die er
neu beleben sollte!

Auf den Abend sprach er den Bildhauer.
Er schilderte ihm die Schönheit, die er ge¬
sehn hatte, Augustin schien beinahe eifersüch¬
tig. Er erzählte, wie es dasselbe Mädchen
sey, das in Kurzem das Gelübde ablegen

gedachte an Roderigo's Worte, der von der
Gräfin geſagt hatte, daß ſie in Bewegun¬
gen Muſik ſchriebe, daß jede Biegung der
Gelenke ein Wohllaut ſey.

Sie gingen fort, der Geſang der Non¬
nen erklang wieder. Franz fühlte ſich ver¬
laſſen, daß er nicht neben der ſchönen Heili¬
gen knien konnte, ganz in Andacht hinge¬
goſſen, die Augen dahin gerichtet, wohin
die ihrigen blickten, er glaubte, daß das al¬
lein ſchon ein höchſt ſeliges Gefühl ſeyn müſſe,
nur mit ihr dieſelben Worte zu ſingen, zu
denken. Wie widerlich waren ihm die Far¬
ben, die er auftragen, die Figuren, die er
neu beleben ſollte!

Auf den Abend ſprach er den Bildhauer.
Er ſchilderte ihm die Schönheit, die er ge¬
ſehn hatte, Auguſtin ſchien beinahe eiferſüch¬
tig. Er erzählte, wie es daſſelbe Mädchen
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[330/0338] gedachte an Roderigo's Worte, der von der Gräfin geſagt hatte, daß ſie in Bewegun¬ gen Muſik ſchriebe, daß jede Biegung der Gelenke ein Wohllaut ſey. Sie gingen fort, der Geſang der Non¬ nen erklang wieder. Franz fühlte ſich ver¬ laſſen, daß er nicht neben der ſchönen Heili¬ gen knien konnte, ganz in Andacht hinge¬ goſſen, die Augen dahin gerichtet, wohin die ihrigen blickten, er glaubte, daß das al¬ lein ſchon ein höchſt ſeliges Gefühl ſeyn müſſe, nur mit ihr dieſelben Worte zu ſingen, zu denken. Wie widerlich waren ihm die Far¬ ben, die er auftragen, die Figuren, die er neu beleben ſollte! Auf den Abend ſprach er den Bildhauer. Er ſchilderte ihm die Schönheit, die er ge¬ ſehn hatte, Auguſtin ſchien beinahe eiferſüch¬ tig. Er erzählte, wie es daſſelbe Mädchen ſey, das in Kurzem das Gelübde ablegen

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/338>, abgerufen am 25.11.2024.