Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

dicht neben ihm, die so kürzlich noch sein
Kunstgeist belebte und bewegte. O, man
sollte denken, alle jene lebendigen Gestalten
hätten sich verändern, und nur Schmerz
und Verzweiflung über den entflohenen Ra¬
fael äußern müssen.

Der Bildhauer sagte: Nun, gewiß,
Ihr habt eine lebhafte Imagination; am
Ende meint Ihr gar, sein gemahlter Chri¬
stus hätte ihn wieder vom Tode erwecken
können!

Und ist denn Rafael gestorben? rief
Sternbald in seiner Begeisterung aus. Wird
Albrecht Dürer jemals sterben? Nein, kein
großer Künstler verläßt uns ganz; er kann
es nicht, sein Geist, seine Kunst bleibt freund¬
lich unter uns wohnen. Der Nahme der
Feldherren wird auch vom späten Enkel
noch genannt; aber größern Triumph ge¬
nießt der Künstler. Rafael ruht neben sei¬

dicht neben ihm, die ſo kürzlich noch ſein
Kunſtgeiſt belebte und bewegte. O, man
ſollte denken, alle jene lebendigen Geſtalten
hätten ſich verändern, und nur Schmerz
und Verzweiflung über den entflohenen Ra¬
fael äußern müſſen.

Der Bildhauer ſagte: Nun, gewiß,
Ihr habt eine lebhafte Imagination; am
Ende meint Ihr gar, ſein gemahlter Chri¬
ſtus hätte ihn wieder vom Tode erwecken
können!

Und iſt denn Rafael geſtorben? rief
Sternbald in ſeiner Begeiſterung aus. Wird
Albrecht Dürer jemals ſterben? Nein, kein
großer Künſtler verläßt uns ganz; er kann
es nicht, ſein Geiſt, ſeine Kunſt bleibt freund¬
lich unter uns wohnen. Der Nahme der
Feldherren wird auch vom ſpäten Enkel
noch genannt; aber größern Triumph ge¬
nießt der Künſtler. Rafael ruht neben ſei¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0048" n="40"/>
dicht neben ihm, die &#x017F;o kürzlich noch &#x017F;ein<lb/>
Kun&#x017F;tgei&#x017F;t belebte und bewegte. O, man<lb/>
&#x017F;ollte denken, alle jene lebendigen Ge&#x017F;talten<lb/>
hätten &#x017F;ich verändern, und nur Schmerz<lb/>
und Verzweiflung über den entflohenen Ra¬<lb/>
fael äußern mü&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Der Bildhauer &#x017F;agte: Nun, gewiß,<lb/>
Ihr habt eine lebhafte Imagination; am<lb/>
Ende meint Ihr gar, &#x017F;ein gemahlter Chri¬<lb/>
&#x017F;tus hätte ihn wieder vom Tode erwecken<lb/>
können!</p><lb/>
          <p>Und i&#x017F;t denn Rafael ge&#x017F;torben? rief<lb/>
Sternbald in &#x017F;einer Begei&#x017F;terung aus. Wird<lb/>
Albrecht Dürer jemals &#x017F;terben? Nein, kein<lb/>
großer Kün&#x017F;tler verläßt uns ganz; er kann<lb/>
es nicht, &#x017F;ein Gei&#x017F;t, &#x017F;eine Kun&#x017F;t bleibt freund¬<lb/>
lich unter uns wohnen. Der Nahme der<lb/>
Feldherren wird auch vom &#x017F;päten Enkel<lb/>
noch genannt; aber größern Triumph ge¬<lb/>
nießt der Kün&#x017F;tler. Rafael ruht neben &#x017F;ei¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[40/0048] dicht neben ihm, die ſo kürzlich noch ſein Kunſtgeiſt belebte und bewegte. O, man ſollte denken, alle jene lebendigen Geſtalten hätten ſich verändern, und nur Schmerz und Verzweiflung über den entflohenen Ra¬ fael äußern müſſen. Der Bildhauer ſagte: Nun, gewiß, Ihr habt eine lebhafte Imagination; am Ende meint Ihr gar, ſein gemahlter Chri¬ ſtus hätte ihn wieder vom Tode erwecken können! Und iſt denn Rafael geſtorben? rief Sternbald in ſeiner Begeiſterung aus. Wird Albrecht Dürer jemals ſterben? Nein, kein großer Künſtler verläßt uns ganz; er kann es nicht, ſein Geiſt, ſeine Kunſt bleibt freund¬ lich unter uns wohnen. Der Nahme der Feldherren wird auch vom ſpäten Enkel noch genannt; aber größern Triumph ge¬ nießt der Künſtler. Rafael ruht neben ſei¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/48
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbald's Wanderungen. Bd. 2. Berlin, 1798, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald02_1798/48>, abgerufen am 21.11.2024.