Gott! deine Güte reicht so weit, So weit die Wolken gehen! Du krönst uns mit Barmherzigkeit Und eilst, uns beizustehen. Herr! meine Burg! mein Fels! mein Hort! Vernimm mein Flehu, merk auf mein Wort: Denn ich will vor dir beten!
So solte jetzt jedermann Gott anreden, vom Monarchen auf dem Thron, bis zum Schuldner im Gefängniß. Was jener mehr empfing wie dieser, ist ein entbehrlicher Zierath: das Noth- wendige, folglich das Wichtigste bekam dieser auch, nemlich Lust, Wasser und Brod. Und sind denn das Kleinigkeiten, ohne wel- che kein Mensch leben, und welche nur der Allmächtige schaffen kan? Gott ist groß, auch in kleinen Gaben.
Die Luft, welche wir athmen und auch durch unsre Schweiß- löcher einziehen, ist ein so erhabnes Geschenk, daß es kein Gerin- gerer besorgen kan als Gott. Die Bestandtheile derselben sind uns Menschen verborgen. Wir können die Luft wol verderben; aber nicht so leicht verbessern; schaffen können wir gar nichts. Jeder Hauch von uns verdirbt eine kleine Masse von Luft; denn nachdem unsre Lunge das feinste derselben an sich gezogen hat, so haucht sie das unnütze von sich, und überläßt es dem Regierer der Welt, wie er dieser zur Fäulniß geneigten Luft eine neue Schnellkraft beibringen will. Zwanzig Personen in einem ver- sperrten kleinen Zimmer machen binnen einer Stunde die ganze Luft um sich her zum gesunden Athmen untauglich. Jhr bedte-
net
Der 24te Maͤrz.
Gott! deine Guͤte reicht ſo weit, So weit die Wolken gehen! Du kroͤnſt uns mit Barmherzigkeit Und eilſt, uns beizuſtehen. Herr! meine Burg! mein Fels! mein Hort! Vernimm mein Flehu, merk auf mein Wort: Denn ich will vor dir beten!
So ſolte jetzt jedermann Gott anreden, vom Monarchen auf dem Thron, bis zum Schuldner im Gefaͤngniß. Was jener mehr empfing wie dieſer, iſt ein entbehrlicher Zierath: das Noth- wendige, folglich das Wichtigſte bekam dieſer auch, nemlich Luſt, Waſſer und Brod. Und ſind denn das Kleinigkeiten, ohne wel- che kein Menſch leben, und welche nur der Allmaͤchtige ſchaffen kan? Gott iſt groß, auch in kleinen Gaben.
Die Luft, welche wir athmen und auch durch unſre Schweiß- loͤcher einziehen, iſt ein ſo erhabnes Geſchenk, daß es kein Gerin- gerer beſorgen kan als Gott. Die Beſtandtheile derſelben ſind uns Menſchen verborgen. Wir koͤnnen die Luft wol verderben; aber nicht ſo leicht verbeſſern; ſchaffen koͤnnen wir gar nichts. Jeder Hauch von uns verdirbt eine kleine Maſſe von Luft; denn nachdem unſre Lunge das feinſte derſelben an ſich gezogen hat, ſo haucht ſie das unnuͤtze von ſich, und uͤberlaͤßt es dem Regierer der Welt, wie er dieſer zur Faͤulniß geneigten Luft eine neue Schnellkraft beibringen will. Zwanzig Perſonen in einem ver- ſperrten kleinen Zimmer machen binnen einer Stunde die ganze Luft um ſich her zum geſunden Athmen untauglich. Jhr bedte-
net
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0210"n="173[203]"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b">Der 24<hirendition="#sup">te</hi> Maͤrz.</hi></head><lb/><lgtype="poem"><l><hirendition="#in">G</hi>ott! deine Guͤte reicht ſo weit,</l><lb/><l>So weit die Wolken gehen!</l><lb/><l>Du kroͤnſt uns mit Barmherzigkeit</l><lb/><l>Und eilſt, uns beizuſtehen.</l><lb/><l>Herr! meine Burg! mein Fels! mein Hort!</l><lb/><l>Vernimm mein Flehu, merk auf mein Wort:</l><lb/><l>Denn ich will vor dir beten!</l></lg><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p><hirendition="#in">S</hi>o ſolte jetzt jedermann Gott anreden, vom Monarchen auf<lb/>
dem Thron, bis zum Schuldner im Gefaͤngniß. Was jener<lb/>
mehr empfing wie dieſer, iſt ein entbehrlicher Zierath: das Noth-<lb/>
wendige, folglich das Wichtigſte bekam dieſer auch, nemlich Luſt,<lb/>
Waſſer und Brod. Und ſind denn das Kleinigkeiten, ohne wel-<lb/>
che kein Menſch leben, und welche nur der Allmaͤchtige ſchaffen<lb/>
kan? <hirendition="#fr">Gott iſt groß,</hi> auch <hirendition="#fr">in kleinen Gaben.</hi></p><lb/><p>Die Luft, welche wir athmen und auch durch unſre Schweiß-<lb/>
loͤcher einziehen, iſt ein ſo erhabnes Geſchenk, daß es kein Gerin-<lb/>
gerer beſorgen kan als Gott. Die Beſtandtheile derſelben ſind<lb/>
uns Menſchen verborgen. Wir koͤnnen die Luft wol verderben;<lb/>
aber nicht ſo leicht verbeſſern; ſchaffen koͤnnen wir gar nichts.<lb/>
Jeder Hauch von uns verdirbt eine kleine Maſſe von Luft; denn<lb/>
nachdem unſre Lunge das feinſte derſelben an ſich gezogen hat, ſo<lb/>
haucht ſie das unnuͤtze von ſich, und uͤberlaͤßt es dem Regierer<lb/>
der Welt, wie er dieſer zur Faͤulniß geneigten Luft eine neue<lb/>
Schnellkraft beibringen will. Zwanzig Perſonen in einem ver-<lb/>ſperrten kleinen Zimmer machen binnen einer Stunde die ganze<lb/>
Luft um ſich her zum geſunden Athmen untauglich. Jhr bedte-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">net</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[173[203]/0210]
Der 24te Maͤrz.
Gott! deine Guͤte reicht ſo weit,
So weit die Wolken gehen!
Du kroͤnſt uns mit Barmherzigkeit
Und eilſt, uns beizuſtehen.
Herr! meine Burg! mein Fels! mein Hort!
Vernimm mein Flehu, merk auf mein Wort:
Denn ich will vor dir beten!
So ſolte jetzt jedermann Gott anreden, vom Monarchen auf
dem Thron, bis zum Schuldner im Gefaͤngniß. Was jener
mehr empfing wie dieſer, iſt ein entbehrlicher Zierath: das Noth-
wendige, folglich das Wichtigſte bekam dieſer auch, nemlich Luſt,
Waſſer und Brod. Und ſind denn das Kleinigkeiten, ohne wel-
che kein Menſch leben, und welche nur der Allmaͤchtige ſchaffen
kan? Gott iſt groß, auch in kleinen Gaben.
Die Luft, welche wir athmen und auch durch unſre Schweiß-
loͤcher einziehen, iſt ein ſo erhabnes Geſchenk, daß es kein Gerin-
gerer beſorgen kan als Gott. Die Beſtandtheile derſelben ſind
uns Menſchen verborgen. Wir koͤnnen die Luft wol verderben;
aber nicht ſo leicht verbeſſern; ſchaffen koͤnnen wir gar nichts.
Jeder Hauch von uns verdirbt eine kleine Maſſe von Luft; denn
nachdem unſre Lunge das feinſte derſelben an ſich gezogen hat, ſo
haucht ſie das unnuͤtze von ſich, und uͤberlaͤßt es dem Regierer
der Welt, wie er dieſer zur Faͤulniß geneigten Luft eine neue
Schnellkraft beibringen will. Zwanzig Perſonen in einem ver-
ſperrten kleinen Zimmer machen binnen einer Stunde die ganze
Luft um ſich her zum geſunden Athmen untauglich. Jhr bedte-
net
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Matthias Boenig, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Li Xang: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2023-05-24T12:24:22Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 173[203]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/210>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.