Erheb, o Sonne! seine Macht, O Mond! erhebe Gott! Jhr helle Leuchten in der Nacht, Jhr Sterne! preiset Gott!
Nur einiges Nachdenken, so setzet der nächtliche Himmel in Er- staunen. Mein blosses Auge entdecket zwar nur sieben bis achthundert Sterne: aber bewafnet mit Fernröhren, erblickt es eine wimmolnde Menge, gleich den Flocken bei dichtem Schnee- gestöber. Jch sehe sie, und falle nieder; ich sehe jetzt auf einige Wunder an den Weltkörpern, und bete an.
So unordentlich das Gestirn unter einander geworfen zu seyn scheint, so ist doch die allergenaueste Ordnung von dem göttlichen Bauherrn dabei beobachtet worden. Ein jeder Planet hat seine angewiesene Laufbahn. Könte ein einziger aus seinem Geleise treten, so würde durch ihn ein Theil der Schöpfung, wo nicht das Ganze, in Verfall gerathen. Aber der Abstand des Einen von dem andern ist so geordnet, daß keinem darunter Nachtheil zuwachsen kan. Wäre unsre Erde der Sonne um ein merkliches häher, so würde uns die Hitze verderben, so wie bei einer wei- tern Entfernung uns die Kälte aufreiben würde. Und wäre die Erde von dem Monde noch einige mal so weit entfernt, wie dun- kel würde alsdann sein Licht für uns seyn! wie schwach Ebbe und Flut! wie langweiliger jeder Monat, ehe nemlich der Mond sei- nen Lauf um uns alsdann vollendete! Kurz: bei nachdenkender Betrachtung des gestirnten Himmels lernet der niedrige Mensch groß, der stolze aber klein von sich denken. Jeder Kronprinz solte erst seine Staaten kennen lernen, wenn er die Reiche Gottes ge- nung studitet hätte.
Gott!
Der 17te April.
Erheb, o Sonne! ſeine Macht, O Mond! erhebe Gott! Jhr helle Leuchten in der Nacht, Jhr Sterne! preiſet Gott!
Nur einiges Nachdenken, ſo ſetzet der naͤchtliche Himmel in Er- ſtaunen. Mein bloſſes Auge entdecket zwar nur ſieben bis achthundert Sterne: aber bewafnet mit Fernroͤhren, erblickt es eine wimmolnde Menge, gleich den Flocken bei dichtem Schnee- geſtoͤber. Jch ſehe ſie, und falle nieder; ich ſehe jetzt auf einige Wunder an den Weltkoͤrpern, und bete an.
So unordentlich das Geſtirn unter einander geworfen zu ſeyn ſcheint, ſo iſt doch die allergenaueſte Ordnung von dem goͤttlichen Bauherrn dabei beobachtet worden. Ein jeder Planet hat ſeine angewieſene Laufbahn. Koͤnte ein einziger aus ſeinem Geleiſe treten, ſo wuͤrde durch ihn ein Theil der Schoͤpfung, wo nicht das Ganze, in Verfall gerathen. Aber der Abſtand des Einen von dem andern iſt ſo geordnet, daß keinem darunter Nachtheil zuwachſen kan. Waͤre unſre Erde der Sonne um ein merkliches haͤher, ſo wuͤrde uns die Hitze verderben, ſo wie bei einer wei- tern Entfernung uns die Kaͤlte aufreiben wuͤrde. Und waͤre die Erde von dem Monde noch einige mal ſo weit entfernt, wie dun- kel wuͤrde alsdann ſein Licht fuͤr uns ſeyn! wie ſchwach Ebbe und Flut! wie langweiliger jeder Monat, ehe nemlich der Mond ſei- nen Lauf um uns alsdann vollendete! Kurz: bei nachdenkender Betrachtung des geſtirnten Himmels lernet der niedrige Menſch groß, der ſtolze aber klein von ſich denken. Jeder Kronprinz ſolte erſt ſeine Staaten kennen lernen, wenn er die Reiche Gottes ge- nung ſtuditet haͤtte.
Gott!
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[223[253]/0260]
Der 17te April.
Erheb, o Sonne! ſeine Macht,
O Mond! erhebe Gott!
Jhr helle Leuchten in der Nacht,
Jhr Sterne! preiſet Gott!
Nur einiges Nachdenken, ſo ſetzet der naͤchtliche Himmel in Er-
ſtaunen. Mein bloſſes Auge entdecket zwar nur ſieben bis
achthundert Sterne: aber bewafnet mit Fernroͤhren, erblickt es
eine wimmolnde Menge, gleich den Flocken bei dichtem Schnee-
geſtoͤber. Jch ſehe ſie, und falle nieder; ich ſehe jetzt auf
einige Wunder an den Weltkoͤrpern, und bete an.
So unordentlich das Geſtirn unter einander geworfen zu ſeyn
ſcheint, ſo iſt doch die allergenaueſte Ordnung von dem goͤttlichen
Bauherrn dabei beobachtet worden. Ein jeder Planet hat ſeine
angewieſene Laufbahn. Koͤnte ein einziger aus ſeinem Geleiſe
treten, ſo wuͤrde durch ihn ein Theil der Schoͤpfung, wo nicht
das Ganze, in Verfall gerathen. Aber der Abſtand des Einen
von dem andern iſt ſo geordnet, daß keinem darunter Nachtheil
zuwachſen kan. Waͤre unſre Erde der Sonne um ein merkliches
haͤher, ſo wuͤrde uns die Hitze verderben, ſo wie bei einer wei-
tern Entfernung uns die Kaͤlte aufreiben wuͤrde. Und waͤre die
Erde von dem Monde noch einige mal ſo weit entfernt, wie dun-
kel wuͤrde alsdann ſein Licht fuͤr uns ſeyn! wie ſchwach Ebbe und
Flut! wie langweiliger jeder Monat, ehe nemlich der Mond ſei-
nen Lauf um uns alsdann vollendete! Kurz: bei nachdenkender
Betrachtung des geſtirnten Himmels lernet der niedrige Menſch
groß, der ſtolze aber klein von ſich denken. Jeder Kronprinz ſolte
erſt ſeine Staaten kennen lernen, wenn er die Reiche Gottes ge-
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Matthias Boenig, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Li Xang: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2023-05-24T12:24:22Z)
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Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 223[253]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/260>, abgerufen am 21.11.2024.
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