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Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775.

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Der 2te Junius.
Von dir komt das Gedein und jede gute Gabe
Von dir, du höchstes Gut!
Bewahre mich, o Gott! von dem ich alles habe,
Vor Stolz und Uebermuth.


Daß eine vernünftige Kreatur Stolz gegen den Schö-
pfer
hegen könne, das wäre unglaublich, wenn es nicht
Schrift und Erfahrung lehrten. Engel und Menschen blähten
sich gegen Gott auf und -- fielen. Dieser warnenden Beispiele
ohnerachtet, fragen Tausende: wer ist der Herr, daß wir ihm
dienen sollen; oder was sind wirs gebessert, wenn wir seinen Na-
men anrufen? Gesunde trotzen, Kranke zittern, Arme gehen nach
Brod und Vornehme schämen sich des Gebets. Es gibt wenige,
die nach dem Herrn fragen.

Stolz gegen die Gaben Gottes, nimt sie der Mensch kalt-
sinnig an. Nicht zufrieden, daß er Gesundheit, Nahrung und
Kleider habe, fodert er der Vorsicht auch Güter zum Wegwer-
fen ab. Gleich Kindern, welche mit Thränen und aufgehabnen
Händen ihren Eltern eine glänzende Kleinigkeit abtrotzen, welche
sie bald nachher aus Ueberdruß in den Winkel werfen. Gott!
was ist der beseelte Staub, der von deiner Gnade athmende
Mensch! Jndem Welten, Sonnen, Engel und selige Geister
um deinen Thron her lobsingen, so sinnet er darauf, wie er dich
zu seinem Knechte machen will! Er befielt und du solst auszahlen.
Er winkt und du solst gehorchen. O eingebildete Thoren! ver-
kriechet euch mit eurem Unsinn in die Hölle, und beleidiget die
Augen und Ohren vernünftiger Mitgeschöpfe nicht. Weltgebäude
solten euch die Grösse Gottes und euer Nichts lehren: aber Bet-

telstab,


Der 2te Junius.
Von dir komt das Gedein und jede gute Gabe
Von dir, du hoͤchſtes Gut!
Bewahre mich, o Gott! von dem ich alles habe,
Vor Stolz und Uebermuth.


Daß eine vernuͤnftige Kreatur Stolz gegen den Schoͤ-
pfer
hegen koͤnne, das waͤre unglaublich, wenn es nicht
Schrift und Erfahrung lehrten. Engel und Menſchen blaͤhten
ſich gegen Gott auf und — fielen. Dieſer warnenden Beiſpiele
ohnerachtet, fragen Tauſende: wer iſt der Herr, daß wir ihm
dienen ſollen; oder was ſind wirs gebeſſert, wenn wir ſeinen Na-
men anrufen? Geſunde trotzen, Kranke zittern, Arme gehen nach
Brod und Vornehme ſchaͤmen ſich des Gebets. Es gibt wenige,
die nach dem Herrn fragen.

Stolz gegen die Gaben Gottes, nimt ſie der Menſch kalt-
ſinnig an. Nicht zufrieden, daß er Geſundheit, Nahrung und
Kleider habe, fodert er der Vorſicht auch Guͤter zum Wegwer-
fen ab. Gleich Kindern, welche mit Thraͤnen und aufgehabnen
Haͤnden ihren Eltern eine glaͤnzende Kleinigkeit abtrotzen, welche
ſie bald nachher aus Ueberdruß in den Winkel werfen. Gott!
was iſt der beſeelte Staub, der von deiner Gnade athmende
Menſch! Jndem Welten, Sonnen, Engel und ſelige Geiſter
um deinen Thron her lobſingen, ſo ſinnet er darauf, wie er dich
zu ſeinem Knechte machen will! Er befielt und du ſolſt auszahlen.
Er winkt und du ſolſt gehorchen. O eingebildete Thoren! ver-
kriechet euch mit eurem Unſinn in die Hoͤlle, und beleidiget die
Augen und Ohren vernuͤnftiger Mitgeſchoͤpfe nicht. Weltgebaͤude
ſolten euch die Groͤſſe Gottes und euer Nichts lehren: aber Bet-

telſtab,
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[319[349]/0356] Der 2te Junius. Von dir komt das Gedein und jede gute Gabe Von dir, du hoͤchſtes Gut! Bewahre mich, o Gott! von dem ich alles habe, Vor Stolz und Uebermuth. Daß eine vernuͤnftige Kreatur Stolz gegen den Schoͤ- pfer hegen koͤnne, das waͤre unglaublich, wenn es nicht Schrift und Erfahrung lehrten. Engel und Menſchen blaͤhten ſich gegen Gott auf und — fielen. Dieſer warnenden Beiſpiele ohnerachtet, fragen Tauſende: wer iſt der Herr, daß wir ihm dienen ſollen; oder was ſind wirs gebeſſert, wenn wir ſeinen Na- men anrufen? Geſunde trotzen, Kranke zittern, Arme gehen nach Brod und Vornehme ſchaͤmen ſich des Gebets. Es gibt wenige, die nach dem Herrn fragen. Stolz gegen die Gaben Gottes, nimt ſie der Menſch kalt- ſinnig an. Nicht zufrieden, daß er Geſundheit, Nahrung und Kleider habe, fodert er der Vorſicht auch Guͤter zum Wegwer- fen ab. Gleich Kindern, welche mit Thraͤnen und aufgehabnen Haͤnden ihren Eltern eine glaͤnzende Kleinigkeit abtrotzen, welche ſie bald nachher aus Ueberdruß in den Winkel werfen. Gott! was iſt der beſeelte Staub, der von deiner Gnade athmende Menſch! Jndem Welten, Sonnen, Engel und ſelige Geiſter um deinen Thron her lobſingen, ſo ſinnet er darauf, wie er dich zu ſeinem Knechte machen will! Er befielt und du ſolſt auszahlen. Er winkt und du ſolſt gehorchen. O eingebildete Thoren! ver- kriechet euch mit eurem Unſinn in die Hoͤlle, und beleidiget die Augen und Ohren vernuͤnftiger Mitgeſchoͤpfe nicht. Weltgebaͤude ſolten euch die Groͤſſe Gottes und euer Nichts lehren: aber Bet- telſtab,

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 319[349]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/356>, abgerufen am 21.11.2024.