Traun, Julius von der [d. i. Alexander Julius Schindler]: Der Gebirgspfarrer. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–156. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.auf der Schwelle. Er gab mit dem Ciborium den Segen, trat ans Bett des Sterbenden, gab ihm die letzte Wegzehrung, salbte ihm die Glieder, und unter diesem Beginnen starb der arme Greis. No so schlaf, lirba Alda, weinte die Bäurin, und wie er so gut schlaft, weil er unsern Hergod no anmal g'noss'n hat. Gelts God, gelts God, lirba Herr Pfarrer. Sie wollte dem Pfarrer die Hand küssen, der machte aber eine verweigernde Bewegung. Die Frau schaute ihm ins Antlitz und schauderte zurück vor dessen Blässe. In seinen Blicken lag der tiefste Schmerz, sein Auge füllte sich mit Thränen -- ein heißer Tropfen fiel auf die Hand der Bäuerin herab -- und als sie darauf sah, war es Blut. -- Pfarrer, was is eng? rief sie. Der aber faltete seine Hände, wies damit gegen den Himmel und verschwand lautlos aus der Stube. Ehe sich die Zurückgebliebenen von ihrem Schrecken erholt hatten, stürzte schon der Meßner athemlos und beschneit herein und rief: War der Pfarrer hier? Ja, Mößner! Ja, ja, ich sehe seine Blutspur. Betet, betet, der Pfarrer ist todt. Was is eam g'scheg'n? Betet, betet -- und damit rannte der fromme Kirchendiener wieder fort -- zurück an die Stelle, wo er den Pfarrer zuerst vermißt hatte, und grub in den Schnee -- dann trachtete er ins Thal zurückzukommen, verirrte sich im Tannenwalde -- fand wieder den auf der Schwelle. Er gab mit dem Ciborium den Segen, trat ans Bett des Sterbenden, gab ihm die letzte Wegzehrung, salbte ihm die Glieder, und unter diesem Beginnen starb der arme Greis. No so schlaf, lirba Alda, weinte die Bäurin, und wie er so gut schlaft, weil er unsern Hergod no anmal g’noss’n hat. Gelts God, gelts God, lirba Herr Pfarrer. Sie wollte dem Pfarrer die Hand küssen, der machte aber eine verweigernde Bewegung. Die Frau schaute ihm ins Antlitz und schauderte zurück vor dessen Blässe. In seinen Blicken lag der tiefste Schmerz, sein Auge füllte sich mit Thränen — ein heißer Tropfen fiel auf die Hand der Bäuerin herab — und als sie darauf sah, war es Blut. — Pfarrer, was is eng? rief sie. Der aber faltete seine Hände, wies damit gegen den Himmel und verschwand lautlos aus der Stube. Ehe sich die Zurückgebliebenen von ihrem Schrecken erholt hatten, stürzte schon der Meßner athemlos und beschneit herein und rief: War der Pfarrer hier? Ja, Mößner! Ja, ja, ich sehe seine Blutspur. Betet, betet, der Pfarrer ist todt. Was is eam g'scheg'n? Betet, betet — und damit rannte der fromme Kirchendiener wieder fort — zurück an die Stelle, wo er den Pfarrer zuerst vermißt hatte, und grub in den Schnee –– dann trachtete er ins Thal zurückzukommen, verirrte sich im Tannenwalde — fand wieder den <TEI> <text> <body> <div n="2"> <p><pb facs="#f0036"/> auf der Schwelle. Er gab mit dem Ciborium den Segen, trat ans Bett des Sterbenden, gab ihm die letzte Wegzehrung, salbte ihm die Glieder, und unter diesem Beginnen starb der arme Greis.</p><lb/> <p>No so schlaf, lirba Alda, weinte die Bäurin, und wie er so gut schlaft, weil er unsern Hergod no anmal g’noss’n hat. Gelts God, gelts God, lirba Herr Pfarrer. Sie wollte dem Pfarrer die Hand küssen, der machte aber eine verweigernde Bewegung. Die Frau schaute ihm ins Antlitz und schauderte zurück vor dessen Blässe. In seinen Blicken lag der tiefste Schmerz, sein Auge füllte sich mit Thränen — ein heißer Tropfen fiel auf die Hand der Bäuerin herab — und als sie darauf sah, war es Blut. — Pfarrer, was is eng? rief sie. Der aber faltete seine Hände, wies damit gegen den Himmel und verschwand lautlos aus der Stube. Ehe sich die Zurückgebliebenen von ihrem Schrecken erholt hatten, stürzte schon der Meßner athemlos und beschneit herein und rief: War der Pfarrer hier?</p><lb/> <p>Ja, Mößner!</p><lb/> <p>Ja, ja, ich sehe seine Blutspur. Betet, betet, der Pfarrer ist todt.</p><lb/> <p>Was is eam g'scheg'n?</p><lb/> <p>Betet, betet — und damit rannte der fromme Kirchendiener wieder fort — zurück an die Stelle, wo er den Pfarrer zuerst vermißt hatte, und grub in den Schnee –– dann trachtete er ins Thal zurückzukommen, verirrte sich im Tannenwalde — fand wieder den<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0036]
auf der Schwelle. Er gab mit dem Ciborium den Segen, trat ans Bett des Sterbenden, gab ihm die letzte Wegzehrung, salbte ihm die Glieder, und unter diesem Beginnen starb der arme Greis.
No so schlaf, lirba Alda, weinte die Bäurin, und wie er so gut schlaft, weil er unsern Hergod no anmal g’noss’n hat. Gelts God, gelts God, lirba Herr Pfarrer. Sie wollte dem Pfarrer die Hand küssen, der machte aber eine verweigernde Bewegung. Die Frau schaute ihm ins Antlitz und schauderte zurück vor dessen Blässe. In seinen Blicken lag der tiefste Schmerz, sein Auge füllte sich mit Thränen — ein heißer Tropfen fiel auf die Hand der Bäuerin herab — und als sie darauf sah, war es Blut. — Pfarrer, was is eng? rief sie. Der aber faltete seine Hände, wies damit gegen den Himmel und verschwand lautlos aus der Stube. Ehe sich die Zurückgebliebenen von ihrem Schrecken erholt hatten, stürzte schon der Meßner athemlos und beschneit herein und rief: War der Pfarrer hier?
Ja, Mößner!
Ja, ja, ich sehe seine Blutspur. Betet, betet, der Pfarrer ist todt.
Was is eam g'scheg'n?
Betet, betet — und damit rannte der fromme Kirchendiener wieder fort — zurück an die Stelle, wo er den Pfarrer zuerst vermißt hatte, und grub in den Schnee –– dann trachtete er ins Thal zurückzukommen, verirrte sich im Tannenwalde — fand wieder den
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