insgeheim zu rüsten um nöthigenfalls dem Wiener Hofe Beistand zu leisten.
Napoleon war unterdessen nach Spanien geeilt und hatte in einem raschen Triumphzuge die zur Feldschlacht unfähigen Heere der Spanier geschlagen, eine englische Armee bis an die Küste zurückgeworfen. Kaum war also der Waffenruhm seiner Adler wieder hergestellt, so nahm er alsbald die im vorigen Herbst nur vertagten Pläne gegen Oesterreich wieder auf und traf seine Anstalten die Hofburg für ihre Rüstungen zu züchtigen. Noch im Januar 1809 befahl er, von Spanien aus, die Armee des Rheinbunds marschbereit zu halten, ließ die Corps von Da- voust und Oudinot gegen die obere Donau marschiren. Zu Ende des Monats war er selbst wieder in Paris. Er rechnete, mit 260,000 Fran- zosen, Polen und Rheinbündnern in Deutschland, mit 150,000 Mann in Italien den Krieg zu eröffnen, schrieb seinen Vasallen höhnisch: ob denn die Donau ein Lethestrom geworden sei, daß man in Wien alle früheren Niederlagen vergessen habe? Seine Absicht war jedoch den Aus- bruch des Krieges bis zum Frühjahr hinauszuzögern; früher konnte seine Rüstung nicht beendet sein, auch wollte er als der Angegriffene erscheinen weil Rußland nur für den Fall eines Vertheidigungskrieges zur Beihilfe verpflichtet war. "Mein Streit mit Oesterreich, sagte er in einem Briefe an Friedrich von Württemberg, ist die Fabel von dem Wolfe und dem Lamme; es wäre doch gar zu ergötzlich, wenn man uns dabei die Rolle des Lammes spielen lassen wollte!"
In dem alten Oesterreich gährte eine ungeheure Aufregung; Jeder- mann meinte den Augenblick einer großen Entscheidung gekommen. Frei- lich war in der liebenswürdigen, ritterlichen Natur des Grafen Stadion keine Ader von reformatorischer Größe; an seinem Franzosenhasse hatte der Standesstolz des mediatisirten Reichsgrafen starken Antheil. Immer- hin kam unter seiner Leitung ein etwas freierer und milderer Geist in die Verwaltung. Noch mehr hatte das Heer unter der Führung des Erz- herzogs Karl gewonnen. Wohl gerüstet, wie seit Jahren nicht, konnte Oesterreich die Waffen erheben. Mit hellem Jubel eilten die Landwehr- männer zu den Fahnen. Ueberall, vornehmlich unter den deutschen Stäm- men, festes Vertrauen zu dem alten Kaiserhause, freudige Bereitwilligkeit zu jedem Opfer. Das Jahr 1809 wurde das schönste der österreichischen Geschichte: die an Tapferkeit so reichen, an Genie und Begeisterung so armen Annalen des kaiserlichen Heeres sollten doch noch einmal einige glänzende Züge echten Heldenthums aufweisen. Wohl war es undenkbar, daß diese durch die Unterdrückung alles Volksthums emporgewachsene habsburgische Hausmacht den Kampf für die Freiheit der Völker ehrlich durchfechten sollte; es lag eine grausame Ironie darin, daß Erzherzog Karl in einem schwungvollen Aufrufe an die Deutschen die fragwürdige Behauptung aufstellte: "mit Oesterreich war Deutschland selbständig und
I. 3. Preußens Erhebung.
insgeheim zu rüſten um nöthigenfalls dem Wiener Hofe Beiſtand zu leiſten.
Napoleon war unterdeſſen nach Spanien geeilt und hatte in einem raſchen Triumphzuge die zur Feldſchlacht unfähigen Heere der Spanier geſchlagen, eine engliſche Armee bis an die Küſte zurückgeworfen. Kaum war alſo der Waffenruhm ſeiner Adler wieder hergeſtellt, ſo nahm er alsbald die im vorigen Herbſt nur vertagten Pläne gegen Oeſterreich wieder auf und traf ſeine Anſtalten die Hofburg für ihre Rüſtungen zu züchtigen. Noch im Januar 1809 befahl er, von Spanien aus, die Armee des Rheinbunds marſchbereit zu halten, ließ die Corps von Da- vouſt und Oudinot gegen die obere Donau marſchiren. Zu Ende des Monats war er ſelbſt wieder in Paris. Er rechnete, mit 260,000 Fran- zoſen, Polen und Rheinbündnern in Deutſchland, mit 150,000 Mann in Italien den Krieg zu eröffnen, ſchrieb ſeinen Vaſallen höhniſch: ob denn die Donau ein Letheſtrom geworden ſei, daß man in Wien alle früheren Niederlagen vergeſſen habe? Seine Abſicht war jedoch den Aus- bruch des Krieges bis zum Frühjahr hinauszuzögern; früher konnte ſeine Rüſtung nicht beendet ſein, auch wollte er als der Angegriffene erſcheinen weil Rußland nur für den Fall eines Vertheidigungskrieges zur Beihilfe verpflichtet war. „Mein Streit mit Oeſterreich, ſagte er in einem Briefe an Friedrich von Württemberg, iſt die Fabel von dem Wolfe und dem Lamme; es wäre doch gar zu ergötzlich, wenn man uns dabei die Rolle des Lammes ſpielen laſſen wollte!“
In dem alten Oeſterreich gährte eine ungeheure Aufregung; Jeder- mann meinte den Augenblick einer großen Entſcheidung gekommen. Frei- lich war in der liebenswürdigen, ritterlichen Natur des Grafen Stadion keine Ader von reformatoriſcher Größe; an ſeinem Franzoſenhaſſe hatte der Standesſtolz des mediatiſirten Reichsgrafen ſtarken Antheil. Immer- hin kam unter ſeiner Leitung ein etwas freierer und milderer Geiſt in die Verwaltung. Noch mehr hatte das Heer unter der Führung des Erz- herzogs Karl gewonnen. Wohl gerüſtet, wie ſeit Jahren nicht, konnte Oeſterreich die Waffen erheben. Mit hellem Jubel eilten die Landwehr- männer zu den Fahnen. Ueberall, vornehmlich unter den deutſchen Stäm- men, feſtes Vertrauen zu dem alten Kaiſerhauſe, freudige Bereitwilligkeit zu jedem Opfer. Das Jahr 1809 wurde das ſchönſte der öſterreichiſchen Geſchichte: die an Tapferkeit ſo reichen, an Genie und Begeiſterung ſo armen Annalen des kaiſerlichen Heeres ſollten doch noch einmal einige glänzende Züge echten Heldenthums aufweiſen. Wohl war es undenkbar, daß dieſe durch die Unterdrückung alles Volksthums emporgewachſene habsburgiſche Hausmacht den Kampf für die Freiheit der Völker ehrlich durchfechten ſollte; es lag eine grauſame Ironie darin, daß Erzherzog Karl in einem ſchwungvollen Aufrufe an die Deutſchen die fragwürdige Behauptung aufſtellte: „mit Oeſterreich war Deutſchland ſelbſtändig und
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I. 3. Preußens Erhebung.
insgeheim zu rüſten um nöthigenfalls dem Wiener Hofe Beiſtand zu
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Napoleon war unterdeſſen nach Spanien geeilt und hatte in einem
raſchen Triumphzuge die zur Feldſchlacht unfähigen Heere der Spanier
geſchlagen, eine engliſche Armee bis an die Küſte zurückgeworfen. Kaum
war alſo der Waffenruhm ſeiner Adler wieder hergeſtellt, ſo nahm er
alsbald die im vorigen Herbſt nur vertagten Pläne gegen Oeſterreich
wieder auf und traf ſeine Anſtalten die Hofburg für ihre Rüſtungen zu
züchtigen. Noch im Januar 1809 befahl er, von Spanien aus, die
Armee des Rheinbunds marſchbereit zu halten, ließ die Corps von Da-
vouſt und Oudinot gegen die obere Donau marſchiren. Zu Ende des
Monats war er ſelbſt wieder in Paris. Er rechnete, mit 260,000 Fran-
zoſen, Polen und Rheinbündnern in Deutſchland, mit 150,000 Mann
in Italien den Krieg zu eröffnen, ſchrieb ſeinen Vaſallen höhniſch: ob
denn die Donau ein Letheſtrom geworden ſei, daß man in Wien alle
früheren Niederlagen vergeſſen habe? Seine Abſicht war jedoch den Aus-
bruch des Krieges bis zum Frühjahr hinauszuzögern; früher konnte ſeine
Rüſtung nicht beendet ſein, auch wollte er als der Angegriffene erſcheinen
weil Rußland nur für den Fall eines Vertheidigungskrieges zur Beihilfe
verpflichtet war. „Mein Streit mit Oeſterreich, ſagte er in einem Briefe
an Friedrich von Württemberg, iſt die Fabel von dem Wolfe und dem
Lamme; es wäre doch gar zu ergötzlich, wenn man uns dabei die Rolle
des Lammes ſpielen laſſen wollte!“
In dem alten Oeſterreich gährte eine ungeheure Aufregung; Jeder-
mann meinte den Augenblick einer großen Entſcheidung gekommen. Frei-
lich war in der liebenswürdigen, ritterlichen Natur des Grafen Stadion
keine Ader von reformatoriſcher Größe; an ſeinem Franzoſenhaſſe hatte
der Standesſtolz des mediatiſirten Reichsgrafen ſtarken Antheil. Immer-
hin kam unter ſeiner Leitung ein etwas freierer und milderer Geiſt in
die Verwaltung. Noch mehr hatte das Heer unter der Führung des Erz-
herzogs Karl gewonnen. Wohl gerüſtet, wie ſeit Jahren nicht, konnte
Oeſterreich die Waffen erheben. Mit hellem Jubel eilten die Landwehr-
männer zu den Fahnen. Ueberall, vornehmlich unter den deutſchen Stäm-
men, feſtes Vertrauen zu dem alten Kaiſerhauſe, freudige Bereitwilligkeit
zu jedem Opfer. Das Jahr 1809 wurde das ſchönſte der öſterreichiſchen
Geſchichte: die an Tapferkeit ſo reichen, an Genie und Begeiſterung ſo
armen Annalen des kaiſerlichen Heeres ſollten doch noch einmal einige
glänzende Züge echten Heldenthums aufweiſen. Wohl war es undenkbar,
daß dieſe durch die Unterdrückung alles Volksthums emporgewachſene
habsburgiſche Hausmacht den Kampf für die Freiheit der Völker ehrlich
durchfechten ſollte; es lag eine grauſame Ironie darin, daß Erzherzog
Karl in einem ſchwungvollen Aufrufe an die Deutſchen die fragwürdige
Behauptung aufſtellte: „mit Oeſterreich war Deutſchland ſelbſtändig und
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 1: Bis zum zweiten Pariser Frieden. Leipzig, 1879, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte01_1879/356>, abgerufen am 22.11.2024.
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