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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 1: Bis zum zweiten Pariser Frieden. Leipzig, 1879.

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Krieg von 1809.
glücklich!" -- und gleichzeitig sein Bruder Johann den Italienern sagte,
sie seien heute keine Italiener mehr, nur durch Oesterreich könnten sie
ihre Freiheit wieder erlangen. Der heilige Zorn der Patrioten im Reiche
hatte kein Auge für solche Widersprüche. Die alte Kaisertreue unseres
Volkes erwachte von Neuem; man wollte vergessen, daß dieser selbe Kaiser
Franz vor drei Jahren erst sein hohes Amt kaltsinnig preisgegeben, daß
sein neues Kriegsmanifest mit keiner Silbe von der Herstellung des Reiches
sprach. Genug, daß er das Schwert zog gegen "ein System, das kein
anderes Gesetz als das seine in Europa anerkennt". An seine Fahnen
schien jetzt das Schicksal des ganzen Vaterlandes angekettet, ihm Heeres-
folge zu leisten hieß jetzt deutsche Ehrenpflicht selbst unter den Norddeut-
schen, die bisher von Kaiser und Reich kaum gesprochen hatten.

Der Krieg war für Oesterreich unvermeidlich, doch er wurde vor-
zeitig begonnen, mit leichtsinniger Selbstüberhebung, ohne genügende diplo-
matische Vorbereitung. Getäuscht durch die zuversichtlichen Berichte des
Grafen Metternich aus Paris, meinte die Hofburg den Streitkräften
Napoleons weit überlegen zu sein; ohne auf die Warnungen des Czaren
zu achten übernahm sie die gefährliche Rolle des Angreifers und theilte
ihren Entschluß in London und Berlin erst so spät mit, daß England
und Preußen im Anfange des Feldzugs gar nicht mitwirken konnten.
War die kaiserliche Diplomatie zu dreist vorgegangen, so fehlte Erzherzog
Karl durch bedachtsames Zaudern. Er konnte, da die Hauptmasse der
französischen Armee noch nicht heran war und fast nur Rheinbündner
ihm gegenüberstanden, durch einen kühnen Vorstoß den Kriegsschauplatz
sogleich nach Schwaben hinein verlegen, doch er verlor unschätzbare Tage
indem er seine gesammelte Armee theilte. Indem kam Napoleon selbst
herbei und nahm sein Hauptquartier unter den bairischen Regimentern,
wie sonst inmitten seiner Garde. Die tapferen Truppen fühlten sich hoch
geehrt; der alte Stammeshaß flammte wieder auf als der Imperator
ihnen in stolzer Rede versprach, er werde sie zum Siege gegen Baierns
ewigen Todfeind führen. Dienstwilliger denn je folgten die Fürsten des
Rheinbundes dem Heerbann ihres Protectors; versicherte er ihnen doch,
es gelte die Wiederaufrichtung des deutschen Kaiserthums der Habsburger
zu verhindern. Nun erst zeigte sich ganz, was der Rheinbund für Frank-
reichs militärische Macht bedeutete; nur der Beistand des deutschen Sü-
dens sicherte dem Imperator den Sieg in diesem Feldzuge.

In einer Reihe glänzender Gefechte schlug er darauf die vereinzelten
Corps der Oesterreicher auf der bairischen Ebene zwischen Isar und Donau
und zwang den Erzherzog durch einen Feldzug von fünf Tagen, mit einem
Verluste von 50,000 Mann nach Böhmen zurückzugehen. Die mit so
überschwänglichen Hoffnungen unternommene Erhebung begann wieder so
kläglich wie der Krieg von 1805, und wieder wie vor vier Jahren zog der
Sieger unaufhaltsam die Donau abwärts, nahm die Hauptstadt und be-

Krieg von 1809.
glücklich!“ — und gleichzeitig ſein Bruder Johann den Italienern ſagte,
ſie ſeien heute keine Italiener mehr, nur durch Oeſterreich könnten ſie
ihre Freiheit wieder erlangen. Der heilige Zorn der Patrioten im Reiche
hatte kein Auge für ſolche Widerſprüche. Die alte Kaiſertreue unſeres
Volkes erwachte von Neuem; man wollte vergeſſen, daß dieſer ſelbe Kaiſer
Franz vor drei Jahren erſt ſein hohes Amt kaltſinnig preisgegeben, daß
ſein neues Kriegsmanifeſt mit keiner Silbe von der Herſtellung des Reiches
ſprach. Genug, daß er das Schwert zog gegen „ein Syſtem, das kein
anderes Geſetz als das ſeine in Europa anerkennt“. An ſeine Fahnen
ſchien jetzt das Schickſal des ganzen Vaterlandes angekettet, ihm Heeres-
folge zu leiſten hieß jetzt deutſche Ehrenpflicht ſelbſt unter den Norddeut-
ſchen, die bisher von Kaiſer und Reich kaum geſprochen hatten.

Der Krieg war für Oeſterreich unvermeidlich, doch er wurde vor-
zeitig begonnen, mit leichtſinniger Selbſtüberhebung, ohne genügende diplo-
matiſche Vorbereitung. Getäuſcht durch die zuverſichtlichen Berichte des
Grafen Metternich aus Paris, meinte die Hofburg den Streitkräften
Napoleons weit überlegen zu ſein; ohne auf die Warnungen des Czaren
zu achten übernahm ſie die gefährliche Rolle des Angreifers und theilte
ihren Entſchluß in London und Berlin erſt ſo ſpät mit, daß England
und Preußen im Anfange des Feldzugs gar nicht mitwirken konnten.
War die kaiſerliche Diplomatie zu dreiſt vorgegangen, ſo fehlte Erzherzog
Karl durch bedachtſames Zaudern. Er konnte, da die Hauptmaſſe der
franzöſiſchen Armee noch nicht heran war und faſt nur Rheinbündner
ihm gegenüberſtanden, durch einen kühnen Vorſtoß den Kriegsſchauplatz
ſogleich nach Schwaben hinein verlegen, doch er verlor unſchätzbare Tage
indem er ſeine geſammelte Armee theilte. Indem kam Napoleon ſelbſt
herbei und nahm ſein Hauptquartier unter den bairiſchen Regimentern,
wie ſonſt inmitten ſeiner Garde. Die tapferen Truppen fühlten ſich hoch
geehrt; der alte Stammeshaß flammte wieder auf als der Imperator
ihnen in ſtolzer Rede verſprach, er werde ſie zum Siege gegen Baierns
ewigen Todfeind führen. Dienſtwilliger denn je folgten die Fürſten des
Rheinbundes dem Heerbann ihres Protectors; verſicherte er ihnen doch,
es gelte die Wiederaufrichtung des deutſchen Kaiſerthums der Habsburger
zu verhindern. Nun erſt zeigte ſich ganz, was der Rheinbund für Frank-
reichs militäriſche Macht bedeutete; nur der Beiſtand des deutſchen Sü-
dens ſicherte dem Imperator den Sieg in dieſem Feldzuge.

In einer Reihe glänzender Gefechte ſchlug er darauf die vereinzelten
Corps der Oeſterreicher auf der bairiſchen Ebene zwiſchen Iſar und Donau
und zwang den Erzherzog durch einen Feldzug von fünf Tagen, mit einem
Verluſte von 50,000 Mann nach Böhmen zurückzugehen. Die mit ſo
überſchwänglichen Hoffnungen unternommene Erhebung begann wieder ſo
kläglich wie der Krieg von 1805, und wieder wie vor vier Jahren zog der
Sieger unaufhaltſam die Donau abwärts, nahm die Hauptſtadt und be-

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[341/0357] Krieg von 1809. glücklich!“ — und gleichzeitig ſein Bruder Johann den Italienern ſagte, ſie ſeien heute keine Italiener mehr, nur durch Oeſterreich könnten ſie ihre Freiheit wieder erlangen. Der heilige Zorn der Patrioten im Reiche hatte kein Auge für ſolche Widerſprüche. Die alte Kaiſertreue unſeres Volkes erwachte von Neuem; man wollte vergeſſen, daß dieſer ſelbe Kaiſer Franz vor drei Jahren erſt ſein hohes Amt kaltſinnig preisgegeben, daß ſein neues Kriegsmanifeſt mit keiner Silbe von der Herſtellung des Reiches ſprach. Genug, daß er das Schwert zog gegen „ein Syſtem, das kein anderes Geſetz als das ſeine in Europa anerkennt“. An ſeine Fahnen ſchien jetzt das Schickſal des ganzen Vaterlandes angekettet, ihm Heeres- folge zu leiſten hieß jetzt deutſche Ehrenpflicht ſelbſt unter den Norddeut- ſchen, die bisher von Kaiſer und Reich kaum geſprochen hatten. Der Krieg war für Oeſterreich unvermeidlich, doch er wurde vor- zeitig begonnen, mit leichtſinniger Selbſtüberhebung, ohne genügende diplo- matiſche Vorbereitung. Getäuſcht durch die zuverſichtlichen Berichte des Grafen Metternich aus Paris, meinte die Hofburg den Streitkräften Napoleons weit überlegen zu ſein; ohne auf die Warnungen des Czaren zu achten übernahm ſie die gefährliche Rolle des Angreifers und theilte ihren Entſchluß in London und Berlin erſt ſo ſpät mit, daß England und Preußen im Anfange des Feldzugs gar nicht mitwirken konnten. War die kaiſerliche Diplomatie zu dreiſt vorgegangen, ſo fehlte Erzherzog Karl durch bedachtſames Zaudern. Er konnte, da die Hauptmaſſe der franzöſiſchen Armee noch nicht heran war und faſt nur Rheinbündner ihm gegenüberſtanden, durch einen kühnen Vorſtoß den Kriegsſchauplatz ſogleich nach Schwaben hinein verlegen, doch er verlor unſchätzbare Tage indem er ſeine geſammelte Armee theilte. Indem kam Napoleon ſelbſt herbei und nahm ſein Hauptquartier unter den bairiſchen Regimentern, wie ſonſt inmitten ſeiner Garde. Die tapferen Truppen fühlten ſich hoch geehrt; der alte Stammeshaß flammte wieder auf als der Imperator ihnen in ſtolzer Rede verſprach, er werde ſie zum Siege gegen Baierns ewigen Todfeind führen. Dienſtwilliger denn je folgten die Fürſten des Rheinbundes dem Heerbann ihres Protectors; verſicherte er ihnen doch, es gelte die Wiederaufrichtung des deutſchen Kaiſerthums der Habsburger zu verhindern. Nun erſt zeigte ſich ganz, was der Rheinbund für Frank- reichs militäriſche Macht bedeutete; nur der Beiſtand des deutſchen Sü- dens ſicherte dem Imperator den Sieg in dieſem Feldzuge. In einer Reihe glänzender Gefechte ſchlug er darauf die vereinzelten Corps der Oeſterreicher auf der bairiſchen Ebene zwiſchen Iſar und Donau und zwang den Erzherzog durch einen Feldzug von fünf Tagen, mit einem Verluſte von 50,000 Mann nach Böhmen zurückzugehen. Die mit ſo überſchwänglichen Hoffnungen unternommene Erhebung begann wieder ſo kläglich wie der Krieg von 1805, und wieder wie vor vier Jahren zog der Sieger unaufhaltſam die Donau abwärts, nahm die Hauptſtadt und be-

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 1: Bis zum zweiten Pariser Frieden. Leipzig, 1879, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte01_1879/357>, abgerufen am 22.11.2024.