fahl von dort aus die Vereinigung des Kirchenstaates mit dem Kaiser- reiche. Aber als er jetzt versuchte im Angesichte der Armee des Erzher- zogs die Donau zu überschreiten, da bereitete ihm der Todesmuth der kaiserlichen Soldaten bei Aspern seine erste Niederlage. Furchtbar war der Eindruck dieses ersten Mißerfolges auf die verwöhnten Kinder des Glücks. Jedermann fühlte, dies Weltreich stand auf zwei Augen. Wäh- rend Napoleon nach der Schlacht durch viele Stunden in starrem Schlum- mer lag, beriethen seine Generale bereits, ob es möglich sei das geschlagene Heer nach Frankreich zurückzuführen, falls der Imperator nicht wieder erwachte.
Die Siegeskunde von Aspern schlug wie ein Blitzstrahl in das deutsche Land; Alles jauchzte mit Heinrich Kleist dem "Ueberwinder des Unüberwindlichen" zu. Und dazu die herzerhebenden Nachrichten aus Tyrol: wie die tapferen frommen Bauern der Berge viermal binnen einem Jahre sich gegen die verhaßten bairischen Herren erhoben um die Herrschaft des geliebten Kaiserhauses und die katholische Glaubenseinheit wieder aufzurichten. Hier war Alles vereinigt was dies romantische Ge- schlecht erheben und begeistern konnte: die wilde Schönheit des Hochge- birges, die rauhe Heldenkraft treuherziger Naturmenschen, der ehrliche Kampf für Sitte, Recht und Glauben der Väter, das malerische Gewim- mel einer freien Volkserhebung -- Kapuziner und Bauern, Gebirgsschützen und Sennerinnen bunt durcheinander. "Vor und nach seiner war und kommt auch Keiner in der Ehrlichkeit" -- so lautet die Inschrift unter dem Bilde Andreas Hofers in seinem Hauptquartiere, im Adler zu Inns- bruck. Die kindliche Einfalt und Treue seines Stammes verkörperte sich in dem wackeren Sandwirth; und mit naiver Freude -- so gänzlich hatte der politische Zorn den alten Bildungsdünkel verdrängt -- begrüßten ihn die norddeutschen Patrioten als einen Helden der Nation. Einseitig- keit ist das gute Recht jeder großen Leidenschaft; die Erbitterten wollten und konnten nicht sehen, daß die Mönche und die Bauern des Hochge- birges sich vom deutschen Vaterlande gar nichts träumen ließen, daß ihr Aufstand ebenso sehr den wohlthätigen Reformen als der bureaukratischen Härte der bairischen Regierung galt, daß die Macht der gedankenlosen Gewohnheit, der finstere Haß gegen die Ketzerei und die alte particula- ristische Abneigung wider den bairischen Nachbarstamm an dem Helden- muthe dieses Bauernkrieges reichen Antheil hatten.
Bald da bald dort schlug der verhaltene Grimm in hellen Flammen aus dem deutschen Boden; der Eroberer erkannte dies geduldige Volk nicht wieder, meinte sich von tausend Vendeen umgeben. Im Tauber- grunde kämpften die vormaligen Unterthanen des deutschen Ordens ver- geblich gegen die Truppen ihres neuen württembergischen Herrn; sie wollten zurück zu dem stillen Glücke der guten alten deutschnärrischen Zeit. Die treuen Preußen im Ansbachischen empfingen mit offenen Armen das
I. 3. Preußens Erhebung.
fahl von dort aus die Vereinigung des Kirchenſtaates mit dem Kaiſer- reiche. Aber als er jetzt verſuchte im Angeſichte der Armee des Erzher- zogs die Donau zu überſchreiten, da bereitete ihm der Todesmuth der kaiſerlichen Soldaten bei Aspern ſeine erſte Niederlage. Furchtbar war der Eindruck dieſes erſten Mißerfolges auf die verwöhnten Kinder des Glücks. Jedermann fühlte, dies Weltreich ſtand auf zwei Augen. Wäh- rend Napoleon nach der Schlacht durch viele Stunden in ſtarrem Schlum- mer lag, beriethen ſeine Generale bereits, ob es möglich ſei das geſchlagene Heer nach Frankreich zurückzuführen, falls der Imperator nicht wieder erwachte.
Die Siegeskunde von Aspern ſchlug wie ein Blitzſtrahl in das deutſche Land; Alles jauchzte mit Heinrich Kleiſt dem „Ueberwinder des Unüberwindlichen“ zu. Und dazu die herzerhebenden Nachrichten aus Tyrol: wie die tapferen frommen Bauern der Berge viermal binnen einem Jahre ſich gegen die verhaßten bairiſchen Herren erhoben um die Herrſchaft des geliebten Kaiſerhauſes und die katholiſche Glaubenseinheit wieder aufzurichten. Hier war Alles vereinigt was dies romantiſche Ge- ſchlecht erheben und begeiſtern konnte: die wilde Schönheit des Hochge- birges, die rauhe Heldenkraft treuherziger Naturmenſchen, der ehrliche Kampf für Sitte, Recht und Glauben der Väter, das maleriſche Gewim- mel einer freien Volkserhebung — Kapuziner und Bauern, Gebirgsſchützen und Sennerinnen bunt durcheinander. „Vor und nach ſeiner war und kommt auch Keiner in der Ehrlichkeit“ — ſo lautet die Inſchrift unter dem Bilde Andreas Hofers in ſeinem Hauptquartiere, im Adler zu Inns- bruck. Die kindliche Einfalt und Treue ſeines Stammes verkörperte ſich in dem wackeren Sandwirth; und mit naiver Freude — ſo gänzlich hatte der politiſche Zorn den alten Bildungsdünkel verdrängt — begrüßten ihn die norddeutſchen Patrioten als einen Helden der Nation. Einſeitig- keit iſt das gute Recht jeder großen Leidenſchaft; die Erbitterten wollten und konnten nicht ſehen, daß die Mönche und die Bauern des Hochge- birges ſich vom deutſchen Vaterlande gar nichts träumen ließen, daß ihr Aufſtand ebenſo ſehr den wohlthätigen Reformen als der bureaukratiſchen Härte der bairiſchen Regierung galt, daß die Macht der gedankenloſen Gewohnheit, der finſtere Haß gegen die Ketzerei und die alte particula- riſtiſche Abneigung wider den bairiſchen Nachbarſtamm an dem Helden- muthe dieſes Bauernkrieges reichen Antheil hatten.
Bald da bald dort ſchlug der verhaltene Grimm in hellen Flammen aus dem deutſchen Boden; der Eroberer erkannte dies geduldige Volk nicht wieder, meinte ſich von tauſend Vendeen umgeben. Im Tauber- grunde kämpften die vormaligen Unterthanen des deutſchen Ordens ver- geblich gegen die Truppen ihres neuen württembergiſchen Herrn; ſie wollten zurück zu dem ſtillen Glücke der guten alten deutſchnärriſchen Zeit. Die treuen Preußen im Ansbachiſchen empfingen mit offenen Armen das
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I. 3. Preußens Erhebung.
fahl von dort aus die Vereinigung des Kirchenſtaates mit dem Kaiſer-
reiche. Aber als er jetzt verſuchte im Angeſichte der Armee des Erzher-
zogs die Donau zu überſchreiten, da bereitete ihm der Todesmuth der
kaiſerlichen Soldaten bei Aspern ſeine erſte Niederlage. Furchtbar war
der Eindruck dieſes erſten Mißerfolges auf die verwöhnten Kinder des
Glücks. Jedermann fühlte, dies Weltreich ſtand auf zwei Augen. Wäh-
rend Napoleon nach der Schlacht durch viele Stunden in ſtarrem Schlum-
mer lag, beriethen ſeine Generale bereits, ob es möglich ſei das geſchlagene
Heer nach Frankreich zurückzuführen, falls der Imperator nicht wieder
erwachte.
Die Siegeskunde von Aspern ſchlug wie ein Blitzſtrahl in das
deutſche Land; Alles jauchzte mit Heinrich Kleiſt dem „Ueberwinder des
Unüberwindlichen“ zu. Und dazu die herzerhebenden Nachrichten aus
Tyrol: wie die tapferen frommen Bauern der Berge viermal binnen
einem Jahre ſich gegen die verhaßten bairiſchen Herren erhoben um die
Herrſchaft des geliebten Kaiſerhauſes und die katholiſche Glaubenseinheit
wieder aufzurichten. Hier war Alles vereinigt was dies romantiſche Ge-
ſchlecht erheben und begeiſtern konnte: die wilde Schönheit des Hochge-
birges, die rauhe Heldenkraft treuherziger Naturmenſchen, der ehrliche
Kampf für Sitte, Recht und Glauben der Väter, das maleriſche Gewim-
mel einer freien Volkserhebung — Kapuziner und Bauern, Gebirgsſchützen
und Sennerinnen bunt durcheinander. „Vor und nach ſeiner war und
kommt auch Keiner in der Ehrlichkeit“ — ſo lautet die Inſchrift unter
dem Bilde Andreas Hofers in ſeinem Hauptquartiere, im Adler zu Inns-
bruck. Die kindliche Einfalt und Treue ſeines Stammes verkörperte ſich
in dem wackeren Sandwirth; und mit naiver Freude — ſo gänzlich hatte
der politiſche Zorn den alten Bildungsdünkel verdrängt — begrüßten
ihn die norddeutſchen Patrioten als einen Helden der Nation. Einſeitig-
keit iſt das gute Recht jeder großen Leidenſchaft; die Erbitterten wollten
und konnten nicht ſehen, daß die Mönche und die Bauern des Hochge-
birges ſich vom deutſchen Vaterlande gar nichts träumen ließen, daß ihr
Aufſtand ebenſo ſehr den wohlthätigen Reformen als der bureaukratiſchen
Härte der bairiſchen Regierung galt, daß die Macht der gedankenloſen
Gewohnheit, der finſtere Haß gegen die Ketzerei und die alte particula-
riſtiſche Abneigung wider den bairiſchen Nachbarſtamm an dem Helden-
muthe dieſes Bauernkrieges reichen Antheil hatten.
Bald da bald dort ſchlug der verhaltene Grimm in hellen Flammen
aus dem deutſchen Boden; der Eroberer erkannte dies geduldige Volk
nicht wieder, meinte ſich von tauſend Vendeen umgeben. Im Tauber-
grunde kämpften die vormaligen Unterthanen des deutſchen Ordens ver-
geblich gegen die Truppen ihres neuen württembergiſchen Herrn; ſie
wollten zurück zu dem ſtillen Glücke der guten alten deutſchnärriſchen Zeit.
Die treuen Preußen im Ansbachiſchen empfingen mit offenen Armen das
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 1: Bis zum zweiten Pariser Frieden. Leipzig, 1879, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte01_1879/358>, abgerufen am 22.11.2024.
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