Landeskenntniß um die Einführung der Reformen nach und nach, unter behutsamer Schonung der eigenartigen Verhältnisse durchzusetzen.
Und wie kläglich lag der Wohlstand des Landes, der sich einst nach dem Einzuge der Preußen so erstaunlich rasch gehoben, jetzt darnieder. Wo waren sie hin, die glücklichen Zeiten, da John Quincy Adams das Land bereiste um die Wunder der fridericianischen Verwaltung kennen zu lernen, da die Fürsten und Grafen in den Bädern von Warmbrunn und Salz- brunn ihr schwelgerisches Sommerleben führten, fast in jedem Landhause des Waldenburger Thales ein reicher Fabrikant wohnte und droben auf dem rauhen Kamme des Gebirges, in Landeshut, bei den "Amerikanern", den großen nach Amerika und Spanien handelnden Kaufherren, der Ungar- wein in Strömen floß? Die Leinwandausfuhr erreichte nie mehr ihre alte Höhe, in den Weberdörfern des Gebirges herrschte ein Nothstand, der endlich selbst der heitern Genügsamkeit dieses leichtlebigen Völkchens uner- träglich schien; auch der Handel mit Polen, die Nahrungsquelle Breslaus, ward durch die neuen russischen Schlagbäume vielfach geschädigt. Indeß hob sich die Baumwollmanufaktur, und die Wollmärkte gewannen an Be- deutung seit Thaer seine Stammschäferei in Panten einrichtete. Die unter Friedrich II. gegründeten Fürstenthums-Landschaften nahmen im Jahre 1814 sofort ihre Zinszahlungen wieder auf und retteten den Credit des großen Grundbesitzes, so weit dies bei der Entwerthung der Güter möglich war. Die Königshütte in Oberschlesien stellte ihren großartigen Betrieb bald wieder her, und allmählich entstand dort, trotz der bedrohlichen Nähe der Zoll- grenzen Oesterreichs und Rußlands, eine stattliche Zahl neuer Berg- und Hüttenwerke. Das Alles vollzog sich sehr langsam. Die kühne Unterneh- mungslust aufstrebender Zeiten war diesem ermüdeten Volke nicht gegeben; in bedächtiger Arbeit und stiller Entsagung ging ihm das Leben auf. --
Daß die neuen Formen der Provinzialverwaltung so schnell feste Wurzeln schlugen, war vor Allem das persönliche Verdienst der Ober- präsidenten. Mit glücklicher Hand hatte Hardenberg fast durchweg be- deutende, und zumeist ziemlich junge Männer für diesen schwierigen Posten ausgewählt. Am Wenigsten vielleicht genügte ihm der brandenburgische Oberpräsident v. Heydebreck. Der war in den collegialischen Berathungen der alten Kriegs- und Domänenkammern aufgewachsen und wollte zuerst "die sogenannte Oberpräsidentenstelle" nicht annehmen, bis ihn der Staats- kanzler belehrte, wie wichtig und ehrenvoll das Amt sei.*) Aber unter ihm wirkte einer der fähigsten Beamten, der Potsdamer Regierungspräsi- dent v. Bassewitz, ein Mann von erstaunlichem praktischem Wissen, der jede Flurkarte der Kurmark im Kopfe trug, über jeden Thaler der Kriegs- contributionen Bescheid wußte und eine ganze Schule tüchtiger Verwal- tungsbeamten heranzog, so daß die Potsdamer Regierung ihren einst unter
*) Hardenberg an Heydebreck, 29. Juni 1815.
Schleſien.
Landeskenntniß um die Einführung der Reformen nach und nach, unter behutſamer Schonung der eigenartigen Verhältniſſe durchzuſetzen.
Und wie kläglich lag der Wohlſtand des Landes, der ſich einſt nach dem Einzuge der Preußen ſo erſtaunlich raſch gehoben, jetzt darnieder. Wo waren ſie hin, die glücklichen Zeiten, da John Quincy Adams das Land bereiſte um die Wunder der fridericianiſchen Verwaltung kennen zu lernen, da die Fürſten und Grafen in den Bädern von Warmbrunn und Salz- brunn ihr ſchwelgeriſches Sommerleben führten, faſt in jedem Landhauſe des Waldenburger Thales ein reicher Fabrikant wohnte und droben auf dem rauhen Kamme des Gebirges, in Landeshut, bei den „Amerikanern“, den großen nach Amerika und Spanien handelnden Kaufherren, der Ungar- wein in Strömen floß? Die Leinwandausfuhr erreichte nie mehr ihre alte Höhe, in den Weberdörfern des Gebirges herrſchte ein Nothſtand, der endlich ſelbſt der heitern Genügſamkeit dieſes leichtlebigen Völkchens uner- träglich ſchien; auch der Handel mit Polen, die Nahrungsquelle Breslaus, ward durch die neuen ruſſiſchen Schlagbäume vielfach geſchädigt. Indeß hob ſich die Baumwollmanufaktur, und die Wollmärkte gewannen an Be- deutung ſeit Thaer ſeine Stammſchäferei in Panten einrichtete. Die unter Friedrich II. gegründeten Fürſtenthums-Landſchaften nahmen im Jahre 1814 ſofort ihre Zinszahlungen wieder auf und retteten den Credit des großen Grundbeſitzes, ſo weit dies bei der Entwerthung der Güter möglich war. Die Königshütte in Oberſchleſien ſtellte ihren großartigen Betrieb bald wieder her, und allmählich entſtand dort, trotz der bedrohlichen Nähe der Zoll- grenzen Oeſterreichs und Rußlands, eine ſtattliche Zahl neuer Berg- und Hüttenwerke. Das Alles vollzog ſich ſehr langſam. Die kühne Unterneh- mungsluſt aufſtrebender Zeiten war dieſem ermüdeten Volke nicht gegeben; in bedächtiger Arbeit und ſtiller Entſagung ging ihm das Leben auf. —
Daß die neuen Formen der Provinzialverwaltung ſo ſchnell feſte Wurzeln ſchlugen, war vor Allem das perſönliche Verdienſt der Ober- präſidenten. Mit glücklicher Hand hatte Hardenberg faſt durchweg be- deutende, und zumeiſt ziemlich junge Männer für dieſen ſchwierigen Poſten ausgewählt. Am Wenigſten vielleicht genügte ihm der brandenburgiſche Oberpräſident v. Heydebreck. Der war in den collegialiſchen Berathungen der alten Kriegs- und Domänenkammern aufgewachſen und wollte zuerſt „die ſogenannte Oberpräſidentenſtelle“ nicht annehmen, bis ihn der Staats- kanzler belehrte, wie wichtig und ehrenvoll das Amt ſei.*) Aber unter ihm wirkte einer der fähigſten Beamten, der Potsdamer Regierungspräſi- dent v. Baſſewitz, ein Mann von erſtaunlichem praktiſchem Wiſſen, der jede Flurkarte der Kurmark im Kopfe trug, über jeden Thaler der Kriegs- contributionen Beſcheid wußte und eine ganze Schule tüchtiger Verwal- tungsbeamten heranzog, ſo daß die Potsdamer Regierung ihren einſt unter
*) Hardenberg an Heydebreck, 29. Juni 1815.
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Schleſien.
Landeskenntniß um die Einführung der Reformen nach und nach, unter
behutſamer Schonung der eigenartigen Verhältniſſe durchzuſetzen.
Und wie kläglich lag der Wohlſtand des Landes, der ſich einſt nach
dem Einzuge der Preußen ſo erſtaunlich raſch gehoben, jetzt darnieder. Wo
waren ſie hin, die glücklichen Zeiten, da John Quincy Adams das Land
bereiſte um die Wunder der fridericianiſchen Verwaltung kennen zu lernen,
da die Fürſten und Grafen in den Bädern von Warmbrunn und Salz-
brunn ihr ſchwelgeriſches Sommerleben führten, faſt in jedem Landhauſe
des Waldenburger Thales ein reicher Fabrikant wohnte und droben auf
dem rauhen Kamme des Gebirges, in Landeshut, bei den „Amerikanern“,
den großen nach Amerika und Spanien handelnden Kaufherren, der Ungar-
wein in Strömen floß? Die Leinwandausfuhr erreichte nie mehr ihre
alte Höhe, in den Weberdörfern des Gebirges herrſchte ein Nothſtand, der
endlich ſelbſt der heitern Genügſamkeit dieſes leichtlebigen Völkchens uner-
träglich ſchien; auch der Handel mit Polen, die Nahrungsquelle Breslaus,
ward durch die neuen ruſſiſchen Schlagbäume vielfach geſchädigt. Indeß
hob ſich die Baumwollmanufaktur, und die Wollmärkte gewannen an Be-
deutung ſeit Thaer ſeine Stammſchäferei in Panten einrichtete. Die unter
Friedrich II. gegründeten Fürſtenthums-Landſchaften nahmen im Jahre 1814
ſofort ihre Zinszahlungen wieder auf und retteten den Credit des großen
Grundbeſitzes, ſo weit dies bei der Entwerthung der Güter möglich war.
Die Königshütte in Oberſchleſien ſtellte ihren großartigen Betrieb bald
wieder her, und allmählich entſtand dort, trotz der bedrohlichen Nähe der Zoll-
grenzen Oeſterreichs und Rußlands, eine ſtattliche Zahl neuer Berg- und
Hüttenwerke. Das Alles vollzog ſich ſehr langſam. Die kühne Unterneh-
mungsluſt aufſtrebender Zeiten war dieſem ermüdeten Volke nicht gegeben;
in bedächtiger Arbeit und ſtiller Entſagung ging ihm das Leben auf. —
Daß die neuen Formen der Provinzialverwaltung ſo ſchnell feſte
Wurzeln ſchlugen, war vor Allem das perſönliche Verdienſt der Ober-
präſidenten. Mit glücklicher Hand hatte Hardenberg faſt durchweg be-
deutende, und zumeiſt ziemlich junge Männer für dieſen ſchwierigen Poſten
ausgewählt. Am Wenigſten vielleicht genügte ihm der brandenburgiſche
Oberpräſident v. Heydebreck. Der war in den collegialiſchen Berathungen
der alten Kriegs- und Domänenkammern aufgewachſen und wollte zuerſt
„die ſogenannte Oberpräſidentenſtelle“ nicht annehmen, bis ihn der Staats-
kanzler belehrte, wie wichtig und ehrenvoll das Amt ſei. *) Aber unter
ihm wirkte einer der fähigſten Beamten, der Potsdamer Regierungspräſi-
dent v. Baſſewitz, ein Mann von erſtaunlichem praktiſchem Wiſſen, der
jede Flurkarte der Kurmark im Kopfe trug, über jeden Thaler der Kriegs-
contributionen Beſcheid wußte und eine ganze Schule tüchtiger Verwal-
tungsbeamten heranzog, ſo daß die Potsdamer Regierung ihren einſt unter
*) Hardenberg an Heydebreck, 29. Juni 1815.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte02_1882/269>, abgerufen am 24.11.2024.
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