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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882.

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König Wilhelm.
tragen?" Seitdem entspann sich zwischen dem schwäbischen Thronfolger
und dem Prinzen von Oranien ein geheimer Verkehr, zur lebhaften
Beunruhigung der conservativen Höfe; man wußte, daß beide Prinzen
in radikalen Plänen schwelgten und der Württemberger sich lebhaft ge-
schmeichelt fühlte wenn ihn da und dort ein Politiker der Bierbank als
den künftigen deutschen Kaiser feierte. Obwohl der Eine wie der Andere
im Grunde der Seele die neuen liberalen Ideen geringschätzte, so erhofften
doch Beide als machiavellistische Politiker von einem großen Umsturz ein
unbestimmtes Glück für sich selber. Wo der Ehrgeiz ins Spiel kam, da
hielt die Nüchternheit des Prinzen Wilhelm nicht mehr Stand, und die
luftigsten Phantasiegebilde erschienen ihm möglich. Jahrelang brütete
er über dem Gedanken eines deutschen Südbundes, und doch hatte er
selber Alles gethan um diesen Triasplänen jeden Boden zu entziehen.
Denn hochmüthig gegen den badischen Hof, war er mit dem bairischen
tief verfeindet. Der Haß des gestrengen Friedrich gegen den gutmüthigen
Max Joseph vererbte sich auf die Söhne. Die phantastische Ueberschwäng-
lichkeit des bairischen Kronprinzen Ludwig war dem trockenen, verschlossenen
Wesen des Prinzen Wilhelm unausstehlich; die Freundschaft ward auch
nicht inniger als Beide zugleich um die Hand Katharinas warben und
der Wittelsbacher den Kürzeren zog.

Die lautere patriotische Begeisterung der Befreiungskriege ließ diesen
engherzigen Charakter kalt. Dynastischer Dünkel und persönliche Herrsch-
sucht bestimmten seine deutsche Politik; wie er Napoleon haßte, weil ihm
die Herrschaft des Fremdlings über das Haus Württemberg schimpflich
schien, so wollte er auch sein souveränes Haus keiner mächtigen deutschen
Centralgewalt unterordnen, es sei denn, daß ihm selber die Leitung
Deutschlands zufiele, und selbst der gutmüthige Küster errieth, daß der
Kronprinz im Herzen ganz ebenso partikularistisch denke wie sein Vater.*)
Mit den beiden führenden Mächten des Deutschen Bundes stand er von
Haus aus auf schlechtem Fuße. Die Politik des Dualismus lief seinen
Triasplänen schnurstracks zuwider; auch konnte er nach seiner kleinlich
reizbaren Art ein Gefühl persönlicher Empfindlichkeit gegen die beiden
Monarchen nicht unterdrücken. Bald nach seiner Thronbesteigung ließ
er dem König von Preußen die Hand einer württembergischen Prinzessin
für den jungen Kronprinzen anbieten und empfing die gelassene Antwort,
Friedrich Wilhelm wolle den Neigungen seiner Kinder keinen Zwang an-
thun.**) Das verzieh er nie. Kaiser Franz aber erwählte sich um die
nämliche Zeit die geschiedene Gemahlin des Württembergers für seine
vierte Ehe; seitdem wuchs sein altes Mißtrauen gegen den unberechen-
baren Pläneschmied in Stuttgart und ward von drüben herzlich erwidert.

*) Küsters Berichte, 24. Okt., 11. Nov. 1815.
**) Küster an Hardenberg, Stuttgart 18. Januar; Weisung des Staatskanzlers
24. Februar 1817.

König Wilhelm.
tragen?“ Seitdem entſpann ſich zwiſchen dem ſchwäbiſchen Thronfolger
und dem Prinzen von Oranien ein geheimer Verkehr, zur lebhaften
Beunruhigung der conſervativen Höfe; man wußte, daß beide Prinzen
in radikalen Plänen ſchwelgten und der Württemberger ſich lebhaft ge-
ſchmeichelt fühlte wenn ihn da und dort ein Politiker der Bierbank als
den künftigen deutſchen Kaiſer feierte. Obwohl der Eine wie der Andere
im Grunde der Seele die neuen liberalen Ideen geringſchätzte, ſo erhofften
doch Beide als machiavelliſtiſche Politiker von einem großen Umſturz ein
unbeſtimmtes Glück für ſich ſelber. Wo der Ehrgeiz ins Spiel kam, da
hielt die Nüchternheit des Prinzen Wilhelm nicht mehr Stand, und die
luftigſten Phantaſiegebilde erſchienen ihm möglich. Jahrelang brütete
er über dem Gedanken eines deutſchen Südbundes, und doch hatte er
ſelber Alles gethan um dieſen Triasplänen jeden Boden zu entziehen.
Denn hochmüthig gegen den badiſchen Hof, war er mit dem bairiſchen
tief verfeindet. Der Haß des geſtrengen Friedrich gegen den gutmüthigen
Max Joſeph vererbte ſich auf die Söhne. Die phantaſtiſche Ueberſchwäng-
lichkeit des bairiſchen Kronprinzen Ludwig war dem trockenen, verſchloſſenen
Weſen des Prinzen Wilhelm unausſtehlich; die Freundſchaft ward auch
nicht inniger als Beide zugleich um die Hand Katharinas warben und
der Wittelsbacher den Kürzeren zog.

Die lautere patriotiſche Begeiſterung der Befreiungskriege ließ dieſen
engherzigen Charakter kalt. Dynaſtiſcher Dünkel und perſönliche Herrſch-
ſucht beſtimmten ſeine deutſche Politik; wie er Napoleon haßte, weil ihm
die Herrſchaft des Fremdlings über das Haus Württemberg ſchimpflich
ſchien, ſo wollte er auch ſein ſouveränes Haus keiner mächtigen deutſchen
Centralgewalt unterordnen, es ſei denn, daß ihm ſelber die Leitung
Deutſchlands zufiele, und ſelbſt der gutmüthige Küſter errieth, daß der
Kronprinz im Herzen ganz ebenſo partikulariſtiſch denke wie ſein Vater.*)
Mit den beiden führenden Mächten des Deutſchen Bundes ſtand er von
Haus aus auf ſchlechtem Fuße. Die Politik des Dualismus lief ſeinen
Triasplänen ſchnurſtracks zuwider; auch konnte er nach ſeiner kleinlich
reizbaren Art ein Gefühl perſönlicher Empfindlichkeit gegen die beiden
Monarchen nicht unterdrücken. Bald nach ſeiner Thronbeſteigung ließ
er dem König von Preußen die Hand einer württembergiſchen Prinzeſſin
für den jungen Kronprinzen anbieten und empfing die gelaſſene Antwort,
Friedrich Wilhelm wolle den Neigungen ſeiner Kinder keinen Zwang an-
thun.**) Das verzieh er nie. Kaiſer Franz aber erwählte ſich um die
nämliche Zeit die geſchiedene Gemahlin des Württembergers für ſeine
vierte Ehe; ſeitdem wuchs ſein altes Mißtrauen gegen den unberechen-
baren Pläneſchmied in Stuttgart und ward von drüben herzlich erwidert.

*) Küſters Berichte, 24. Okt., 11. Nov. 1815.
**) Küſter an Hardenberg, Stuttgart 18. Januar; Weiſung des Staatskanzlers
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[319/0333] König Wilhelm. tragen?“ Seitdem entſpann ſich zwiſchen dem ſchwäbiſchen Thronfolger und dem Prinzen von Oranien ein geheimer Verkehr, zur lebhaften Beunruhigung der conſervativen Höfe; man wußte, daß beide Prinzen in radikalen Plänen ſchwelgten und der Württemberger ſich lebhaft ge- ſchmeichelt fühlte wenn ihn da und dort ein Politiker der Bierbank als den künftigen deutſchen Kaiſer feierte. Obwohl der Eine wie der Andere im Grunde der Seele die neuen liberalen Ideen geringſchätzte, ſo erhofften doch Beide als machiavelliſtiſche Politiker von einem großen Umſturz ein unbeſtimmtes Glück für ſich ſelber. Wo der Ehrgeiz ins Spiel kam, da hielt die Nüchternheit des Prinzen Wilhelm nicht mehr Stand, und die luftigſten Phantaſiegebilde erſchienen ihm möglich. Jahrelang brütete er über dem Gedanken eines deutſchen Südbundes, und doch hatte er ſelber Alles gethan um dieſen Triasplänen jeden Boden zu entziehen. Denn hochmüthig gegen den badiſchen Hof, war er mit dem bairiſchen tief verfeindet. Der Haß des geſtrengen Friedrich gegen den gutmüthigen Max Joſeph vererbte ſich auf die Söhne. Die phantaſtiſche Ueberſchwäng- lichkeit des bairiſchen Kronprinzen Ludwig war dem trockenen, verſchloſſenen Weſen des Prinzen Wilhelm unausſtehlich; die Freundſchaft ward auch nicht inniger als Beide zugleich um die Hand Katharinas warben und der Wittelsbacher den Kürzeren zog. Die lautere patriotiſche Begeiſterung der Befreiungskriege ließ dieſen engherzigen Charakter kalt. Dynaſtiſcher Dünkel und perſönliche Herrſch- ſucht beſtimmten ſeine deutſche Politik; wie er Napoleon haßte, weil ihm die Herrſchaft des Fremdlings über das Haus Württemberg ſchimpflich ſchien, ſo wollte er auch ſein ſouveränes Haus keiner mächtigen deutſchen Centralgewalt unterordnen, es ſei denn, daß ihm ſelber die Leitung Deutſchlands zufiele, und ſelbſt der gutmüthige Küſter errieth, daß der Kronprinz im Herzen ganz ebenſo partikulariſtiſch denke wie ſein Vater. *) Mit den beiden führenden Mächten des Deutſchen Bundes ſtand er von Haus aus auf ſchlechtem Fuße. Die Politik des Dualismus lief ſeinen Triasplänen ſchnurſtracks zuwider; auch konnte er nach ſeiner kleinlich reizbaren Art ein Gefühl perſönlicher Empfindlichkeit gegen die beiden Monarchen nicht unterdrücken. Bald nach ſeiner Thronbeſteigung ließ er dem König von Preußen die Hand einer württembergiſchen Prinzeſſin für den jungen Kronprinzen anbieten und empfing die gelaſſene Antwort, Friedrich Wilhelm wolle den Neigungen ſeiner Kinder keinen Zwang an- thun. **) Das verzieh er nie. Kaiſer Franz aber erwählte ſich um die nämliche Zeit die geſchiedene Gemahlin des Württembergers für ſeine vierte Ehe; ſeitdem wuchs ſein altes Mißtrauen gegen den unberechen- baren Pläneſchmied in Stuttgart und ward von drüben herzlich erwidert. *) Küſters Berichte, 24. Okt., 11. Nov. 1815. **) Küſter an Hardenberg, Stuttgart 18. Januar; Weiſung des Staatskanzlers 24. Februar 1817.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte02_1882/333>, abgerufen am 22.11.2024.