Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882.A. v. Humboldt. statten. Wenn er als ein schmiegsamer Hofmann Jedem nach dem Munderedete und Jeden ohne Unterschied mit einem Schwalle schmeichlerischen Lobes überschüttete, so warb er dadurch immer neue Gönner und Ge- hilfen für die Sache der universalen Bildung, welche doch nur durch die Arbeit Aller gedeihen konnte; wenn er seinen eigenen Weltruhm mit unver- hohlener Eitelkeit genoß und förderte, so diente ihm sein glänzender Name zugleich als ein Mittel um die Großen der Erde auf den Werth der unzäh- ligen wissenschaftlichen Unternehmungen, die er mit warmem Fürwort unter- stützte, nachdrücklich hinzuweisen. Wo es noth that trat er für die be- drohte Freiheit der Forschung weit muthiger ein als vormals Leibniz, und während die weite Welt ihm ihre Huldigungen darbrachte, blieb er in seinem Herzen doch ein Deutscher: er kannte wie Niemand sonst die Ge- brechen unserer jungen Gesittung, unserer Armuth und Kleinmeisterei, und beobachtete mit stiller Freude, wie die Deutschen Schritt für Schritt an die alte Cultur der Nachbarvölker näher heranrückten. Gleich allen großen Reisenden hatte er schon im Kindesalter sich Sein Ansehen stieg noch, als der Verkehr zwischen den beiden Nachbar- Treitschke, Deutsche Geschichte. II. 6
A. v. Humboldt. ſtatten. Wenn er als ein ſchmiegſamer Hofmann Jedem nach dem Munderedete und Jeden ohne Unterſchied mit einem Schwalle ſchmeichleriſchen Lobes überſchüttete, ſo warb er dadurch immer neue Gönner und Ge- hilfen für die Sache der univerſalen Bildung, welche doch nur durch die Arbeit Aller gedeihen konnte; wenn er ſeinen eigenen Weltruhm mit unver- hohlener Eitelkeit genoß und förderte, ſo diente ihm ſein glänzender Name zugleich als ein Mittel um die Großen der Erde auf den Werth der unzäh- ligen wiſſenſchaftlichen Unternehmungen, die er mit warmem Fürwort unter- ſtützte, nachdrücklich hinzuweiſen. Wo es noth that trat er für die be- drohte Freiheit der Forſchung weit muthiger ein als vormals Leibniz, und während die weite Welt ihm ihre Huldigungen darbrachte, blieb er in ſeinem Herzen doch ein Deutſcher: er kannte wie Niemand ſonſt die Ge- brechen unſerer jungen Geſittung, unſerer Armuth und Kleinmeiſterei, und beobachtete mit ſtiller Freude, wie die Deutſchen Schritt für Schritt an die alte Cultur der Nachbarvölker näher heranrückten. Gleich allen großen Reiſenden hatte er ſchon im Kindesalter ſich Sein Anſehen ſtieg noch, als der Verkehr zwiſchen den beiden Nachbar- Treitſchke, Deutſche Geſchichte. II. 6
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0095" n="81"/><fw place="top" type="header">A. v. Humboldt.</fw><lb/> ſtatten. Wenn er als ein ſchmiegſamer Hofmann Jedem nach dem Munde<lb/> redete und Jeden ohne Unterſchied mit einem Schwalle ſchmeichleriſchen<lb/> Lobes überſchüttete, ſo warb er dadurch immer neue Gönner und Ge-<lb/> hilfen für die Sache der univerſalen Bildung, welche doch nur durch die<lb/> Arbeit Aller gedeihen konnte; wenn er ſeinen eigenen Weltruhm mit unver-<lb/> hohlener Eitelkeit genoß und förderte, ſo diente ihm ſein glänzender Name<lb/> zugleich als ein Mittel um die Großen der Erde auf den Werth der unzäh-<lb/> ligen wiſſenſchaftlichen Unternehmungen, die er mit warmem Fürwort unter-<lb/> ſtützte, nachdrücklich hinzuweiſen. Wo es noth that trat er für die be-<lb/> drohte Freiheit der Forſchung weit muthiger ein als vormals Leibniz, und<lb/> während die weite Welt ihm ihre Huldigungen darbrachte, blieb er in<lb/> ſeinem Herzen doch ein Deutſcher: er kannte wie Niemand ſonſt die Ge-<lb/> brechen unſerer jungen Geſittung, unſerer Armuth und Kleinmeiſterei,<lb/> und beobachtete mit ſtiller Freude, wie die Deutſchen Schritt für Schritt<lb/> an die alte Cultur der Nachbarvölker näher heranrückten.</p><lb/> <p>Gleich allen großen Reiſenden hatte er ſchon im Kindesalter ſich<lb/> hinausgeſehnt in die ungemeſſene Ferne; wenn er im Palmenhauſe der<lb/> Potsdamer Pfaueninſel zu den zierlichen Blätterfächern emporſchaute,<lb/> dann ſtieg die Wunderwelt der Tropen lockend und glänzend vor ſeinem<lb/> Geiſte auf. Was der Knabe geträumt, ging dem Manne herrlich in<lb/> Erfüllung. Während fünf reicher Jahre durchwanderte er mit ſeinem<lb/> treuen Bonpland das Innere Süd- und Mittelamerikas; die Freunde<lb/> beſtiegen den Chimborazo, weilten viele Monate, von der Welt abgeſchie-<lb/> den, in den nie betretenen Urwäldern am Orinoco. Als Humboldt zu-<lb/> rückkehrte, war er der einzige deutſche Mann, der ſich in jenen napoleo-<lb/> niſchen Tagen die ungetheilte Bewunderung des Auslandes errang. Sein<lb/> Ruhm hielt die Ehre des deutſchen Namens ſelbſt unter den franzöſiſchen<lb/> Siegern aufrecht; für Bonpland wußten ſeine Landsleute kein höheres<lb/> Lob, als daß er der Mitarbeiter des deutſchen Forſchers geweſen. Hum-<lb/> boldt ſiedelte ſich nun in Paris an; hier bot ihm der Umgang mit La-<lb/> place, Arago, Cuvier, Gay-Luſſac einen fruchtbaren Gedankenaustauſch,<lb/> wie ihn ein Naturforſcher in Deutſchland noch nirgends finden konnte.<lb/> Alles drängte ſich um den bezaubernden Cauſeur, ſobald er nach arbeits-<lb/> reichem Tage Abends in den Salons erſchien und durch geiſtvolle Be-<lb/> merkungen, Reiſeerinnerungen, Tagesneuigkeiten und boshafte Scherze bis<lb/> in die tiefe Nacht hinein die Geſellſchaft in Athem hielt.</p><lb/> <p>Sein Anſehen ſtieg noch, als der Verkehr zwiſchen den beiden Nachbar-<lb/> völkern nach dem Kriege wieder lebendiger wurde; ſeitdem galt er bei den<lb/> Pariſern als der natürliche Vertreter der deutſchen Wiſſenſchaft, alle Lands-<lb/> leute an der Seine ſuchten ſeinen Schutz, und ſein Wort wog oft ſchwerer<lb/> als die Fürſprache der Diplomaten. In neunundzwanzig großen Bänden<lb/> theilte er der Welt nach und nach die Ergebniſſe ſeiner amerikaniſchen Fahr-<lb/> ten mit. Sein Reiſebericht war das unübertroffene Muſter ſtreng wiſſen-<lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Treitſchke</hi>, Deutſche Geſchichte. <hi rendition="#aq">II.</hi> 6</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [81/0095]
A. v. Humboldt.
ſtatten. Wenn er als ein ſchmiegſamer Hofmann Jedem nach dem Munde
redete und Jeden ohne Unterſchied mit einem Schwalle ſchmeichleriſchen
Lobes überſchüttete, ſo warb er dadurch immer neue Gönner und Ge-
hilfen für die Sache der univerſalen Bildung, welche doch nur durch die
Arbeit Aller gedeihen konnte; wenn er ſeinen eigenen Weltruhm mit unver-
hohlener Eitelkeit genoß und förderte, ſo diente ihm ſein glänzender Name
zugleich als ein Mittel um die Großen der Erde auf den Werth der unzäh-
ligen wiſſenſchaftlichen Unternehmungen, die er mit warmem Fürwort unter-
ſtützte, nachdrücklich hinzuweiſen. Wo es noth that trat er für die be-
drohte Freiheit der Forſchung weit muthiger ein als vormals Leibniz, und
während die weite Welt ihm ihre Huldigungen darbrachte, blieb er in
ſeinem Herzen doch ein Deutſcher: er kannte wie Niemand ſonſt die Ge-
brechen unſerer jungen Geſittung, unſerer Armuth und Kleinmeiſterei,
und beobachtete mit ſtiller Freude, wie die Deutſchen Schritt für Schritt
an die alte Cultur der Nachbarvölker näher heranrückten.
Gleich allen großen Reiſenden hatte er ſchon im Kindesalter ſich
hinausgeſehnt in die ungemeſſene Ferne; wenn er im Palmenhauſe der
Potsdamer Pfaueninſel zu den zierlichen Blätterfächern emporſchaute,
dann ſtieg die Wunderwelt der Tropen lockend und glänzend vor ſeinem
Geiſte auf. Was der Knabe geträumt, ging dem Manne herrlich in
Erfüllung. Während fünf reicher Jahre durchwanderte er mit ſeinem
treuen Bonpland das Innere Süd- und Mittelamerikas; die Freunde
beſtiegen den Chimborazo, weilten viele Monate, von der Welt abgeſchie-
den, in den nie betretenen Urwäldern am Orinoco. Als Humboldt zu-
rückkehrte, war er der einzige deutſche Mann, der ſich in jenen napoleo-
niſchen Tagen die ungetheilte Bewunderung des Auslandes errang. Sein
Ruhm hielt die Ehre des deutſchen Namens ſelbſt unter den franzöſiſchen
Siegern aufrecht; für Bonpland wußten ſeine Landsleute kein höheres
Lob, als daß er der Mitarbeiter des deutſchen Forſchers geweſen. Hum-
boldt ſiedelte ſich nun in Paris an; hier bot ihm der Umgang mit La-
place, Arago, Cuvier, Gay-Luſſac einen fruchtbaren Gedankenaustauſch,
wie ihn ein Naturforſcher in Deutſchland noch nirgends finden konnte.
Alles drängte ſich um den bezaubernden Cauſeur, ſobald er nach arbeits-
reichem Tage Abends in den Salons erſchien und durch geiſtvolle Be-
merkungen, Reiſeerinnerungen, Tagesneuigkeiten und boshafte Scherze bis
in die tiefe Nacht hinein die Geſellſchaft in Athem hielt.
Sein Anſehen ſtieg noch, als der Verkehr zwiſchen den beiden Nachbar-
völkern nach dem Kriege wieder lebendiger wurde; ſeitdem galt er bei den
Pariſern als der natürliche Vertreter der deutſchen Wiſſenſchaft, alle Lands-
leute an der Seine ſuchten ſeinen Schutz, und ſein Wort wog oft ſchwerer
als die Fürſprache der Diplomaten. In neunundzwanzig großen Bänden
theilte er der Welt nach und nach die Ergebniſſe ſeiner amerikaniſchen Fahr-
ten mit. Sein Reiſebericht war das unübertroffene Muſter ſtreng wiſſen-
Treitſchke, Deutſche Geſchichte. II. 6
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |