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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885.

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III. 3. Troppau und Laibach.
hatte. Noch war der Riß schmal, aber ein Ministerwechsel in London
konnte ihn nur erweitern; denn offenbar hatte das Tory-Cabinet allein
dem unwiderstehlichen Drucke der öffentlichen Meinung nachgegeben, alle
Parteien des Landes verdammten wie ein Mann das Troppauer Rund-
schreiben, die Whigs nannten den Bund der Ostmächte ein dreiköpfiges
Ungeheuer und fragten, ob diese apokalyptische Politik etwa die fünfte
Monarchie der Puritaner ins Leben rufen wolle.

Auch in den kleinen deutschen Staaten wurde das diktatorische Auf-
treten der drei Mächte mit Bangen betrachtet. Mit der Presse dieser
Länder wußte man freilich in Troppau rasch fertig zu werden. Kaum hatte
das Weimarische Oppositionsblatt sich einige anzügliche Bemerkungen über
den Bund der meistbeerbten Monarchen erlaubt, so beschwerten sich die
beiden deutschen Großmächte, auf Oesterreichs Wunsch gab der Czar dem
Schwager in Weimar ebenfalls einen Wink, und das unglückliche Blatt,
das sich seit den Karlsbader Beschlüssen sehr zahm gehalten, wurde sofort
unterdrückt.*) Bedenklicher war die Verstimmung der kleinen Höfe selbst.
Daß der königliche Verfasser des Manuscripts aus Süddeutschland die
Troppauer Nachrichten mit Unmuth aufnehmen würde, ließ sich vorher-
sehen. Der hatte schon zur Zeit des Aachener Congresses unter der Hand
versucht, den Brüsseler Hof und einige kleine deutsche Cabinette zu einem
gemeinsamen Protest zu bewegen; jetzt ergötzte man sich in den Stutt-
garter Hofkreisen an dem Traumbilde eines Gegencongresses der Minder-
mächtigen, der etwa nach Würzburg berufen werden sollte, jedoch das luf-
tige Projekt gelangte nicht über erregte Gespräche hinaus. Der treue
Kämpe der Kleinstaaterei, Bignon trat auch wieder auf den Plan; er
schilderte in einer Flugschrift über den Troppauer Congreß, welch ein
heller Tag über Baiern, Württemberg, Baden aufgegangen sei und wie
schwarz daneben die Ostmächte erschienen.

Sogar an dem getreuen Karlsruher Hofe regte sich das Mißtrauen
gegen die Großmächte. Der neue Bundesgesandte Blittersdorff, der auf
den Wiener Conferenzen so eifrig für die Verstärkung der deutschen
Bundesgewalt gewirkt, hatte in Frankfurt mit dem russischen Gesandten
Anstett, dem Freunde Kapodistrias', einen vertraulichen Verkehr ange-
knüpft; er meinte jetzt das Dasein der kleinen deutschen Staaten selbst
bedroht und empfahl seinem Hofe in zahlreichen, drängenden Denkschriften
die Bildung eines Sonderbundes. Er dachte zu nüchtern, um auf die
begehrlichen Träume des Manuscripts aus Süddeutschland einzugehen
und beurtheilte das Zwitterdasein der Mittelstaaten mit einer Bescheiden-
heit, die in diesen Kreisen selten war. "An und für sich, so gestand er,
enthält es eine Art von Widerspruch, wenn man von der Politik eines

*) Russisches Ministerialschreiben an den Geschäftsträger Canicoff in Weimar,
Okt. 1820.

III. 3. Troppau und Laibach.
hatte. Noch war der Riß ſchmal, aber ein Miniſterwechſel in London
konnte ihn nur erweitern; denn offenbar hatte das Tory-Cabinet allein
dem unwiderſtehlichen Drucke der öffentlichen Meinung nachgegeben, alle
Parteien des Landes verdammten wie ein Mann das Troppauer Rund-
ſchreiben, die Whigs nannten den Bund der Oſtmächte ein dreiköpfiges
Ungeheuer und fragten, ob dieſe apokalyptiſche Politik etwa die fünfte
Monarchie der Puritaner ins Leben rufen wolle.

Auch in den kleinen deutſchen Staaten wurde das diktatoriſche Auf-
treten der drei Mächte mit Bangen betrachtet. Mit der Preſſe dieſer
Länder wußte man freilich in Troppau raſch fertig zu werden. Kaum hatte
das Weimariſche Oppoſitionsblatt ſich einige anzügliche Bemerkungen über
den Bund der meiſtbeerbten Monarchen erlaubt, ſo beſchwerten ſich die
beiden deutſchen Großmächte, auf Oeſterreichs Wunſch gab der Czar dem
Schwager in Weimar ebenfalls einen Wink, und das unglückliche Blatt,
das ſich ſeit den Karlsbader Beſchlüſſen ſehr zahm gehalten, wurde ſofort
unterdrückt.*) Bedenklicher war die Verſtimmung der kleinen Höfe ſelbſt.
Daß der königliche Verfaſſer des Manuſcripts aus Süddeutſchland die
Troppauer Nachrichten mit Unmuth aufnehmen würde, ließ ſich vorher-
ſehen. Der hatte ſchon zur Zeit des Aachener Congreſſes unter der Hand
verſucht, den Brüſſeler Hof und einige kleine deutſche Cabinette zu einem
gemeinſamen Proteſt zu bewegen; jetzt ergötzte man ſich in den Stutt-
garter Hofkreiſen an dem Traumbilde eines Gegencongreſſes der Minder-
mächtigen, der etwa nach Würzburg berufen werden ſollte, jedoch das luf-
tige Projekt gelangte nicht über erregte Geſpräche hinaus. Der treue
Kämpe der Kleinſtaaterei, Bignon trat auch wieder auf den Plan; er
ſchilderte in einer Flugſchrift über den Troppauer Congreß, welch ein
heller Tag über Baiern, Württemberg, Baden aufgegangen ſei und wie
ſchwarz daneben die Oſtmächte erſchienen.

Sogar an dem getreuen Karlsruher Hofe regte ſich das Mißtrauen
gegen die Großmächte. Der neue Bundesgeſandte Blittersdorff, der auf
den Wiener Conferenzen ſo eifrig für die Verſtärkung der deutſchen
Bundesgewalt gewirkt, hatte in Frankfurt mit dem ruſſiſchen Geſandten
Anſtett, dem Freunde Kapodiſtrias’, einen vertraulichen Verkehr ange-
knüpft; er meinte jetzt das Daſein der kleinen deutſchen Staaten ſelbſt
bedroht und empfahl ſeinem Hofe in zahlreichen, drängenden Denkſchriften
die Bildung eines Sonderbundes. Er dachte zu nüchtern, um auf die
begehrlichen Träume des Manuſcripts aus Süddeutſchland einzugehen
und beurtheilte das Zwitterdaſein der Mittelſtaaten mit einer Beſcheiden-
heit, die in dieſen Kreiſen ſelten war. „An und für ſich, ſo geſtand er,
enthält es eine Art von Widerſpruch, wenn man von der Politik eines

*) Ruſſiſches Miniſterialſchreiben an den Geſchäftsträger Canicoff in Weimar,
Okt. 1820.
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[170/0186] III. 3. Troppau und Laibach. hatte. Noch war der Riß ſchmal, aber ein Miniſterwechſel in London konnte ihn nur erweitern; denn offenbar hatte das Tory-Cabinet allein dem unwiderſtehlichen Drucke der öffentlichen Meinung nachgegeben, alle Parteien des Landes verdammten wie ein Mann das Troppauer Rund- ſchreiben, die Whigs nannten den Bund der Oſtmächte ein dreiköpfiges Ungeheuer und fragten, ob dieſe apokalyptiſche Politik etwa die fünfte Monarchie der Puritaner ins Leben rufen wolle. Auch in den kleinen deutſchen Staaten wurde das diktatoriſche Auf- treten der drei Mächte mit Bangen betrachtet. Mit der Preſſe dieſer Länder wußte man freilich in Troppau raſch fertig zu werden. Kaum hatte das Weimariſche Oppoſitionsblatt ſich einige anzügliche Bemerkungen über den Bund der meiſtbeerbten Monarchen erlaubt, ſo beſchwerten ſich die beiden deutſchen Großmächte, auf Oeſterreichs Wunſch gab der Czar dem Schwager in Weimar ebenfalls einen Wink, und das unglückliche Blatt, das ſich ſeit den Karlsbader Beſchlüſſen ſehr zahm gehalten, wurde ſofort unterdrückt. *) Bedenklicher war die Verſtimmung der kleinen Höfe ſelbſt. Daß der königliche Verfaſſer des Manuſcripts aus Süddeutſchland die Troppauer Nachrichten mit Unmuth aufnehmen würde, ließ ſich vorher- ſehen. Der hatte ſchon zur Zeit des Aachener Congreſſes unter der Hand verſucht, den Brüſſeler Hof und einige kleine deutſche Cabinette zu einem gemeinſamen Proteſt zu bewegen; jetzt ergötzte man ſich in den Stutt- garter Hofkreiſen an dem Traumbilde eines Gegencongreſſes der Minder- mächtigen, der etwa nach Würzburg berufen werden ſollte, jedoch das luf- tige Projekt gelangte nicht über erregte Geſpräche hinaus. Der treue Kämpe der Kleinſtaaterei, Bignon trat auch wieder auf den Plan; er ſchilderte in einer Flugſchrift über den Troppauer Congreß, welch ein heller Tag über Baiern, Württemberg, Baden aufgegangen ſei und wie ſchwarz daneben die Oſtmächte erſchienen. Sogar an dem getreuen Karlsruher Hofe regte ſich das Mißtrauen gegen die Großmächte. Der neue Bundesgeſandte Blittersdorff, der auf den Wiener Conferenzen ſo eifrig für die Verſtärkung der deutſchen Bundesgewalt gewirkt, hatte in Frankfurt mit dem ruſſiſchen Geſandten Anſtett, dem Freunde Kapodiſtrias’, einen vertraulichen Verkehr ange- knüpft; er meinte jetzt das Daſein der kleinen deutſchen Staaten ſelbſt bedroht und empfahl ſeinem Hofe in zahlreichen, drängenden Denkſchriften die Bildung eines Sonderbundes. Er dachte zu nüchtern, um auf die begehrlichen Träume des Manuſcripts aus Süddeutſchland einzugehen und beurtheilte das Zwitterdaſein der Mittelſtaaten mit einer Beſcheiden- heit, die in dieſen Kreiſen ſelten war. „An und für ſich, ſo geſtand er, enthält es eine Art von Widerſpruch, wenn man von der Politik eines *) Ruſſiſches Miniſterialſchreiben an den Geſchäftsträger Canicoff in Weimar, Okt. 1820.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/186>, abgerufen am 28.11.2024.