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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885.

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III. 3. Troppau und Laibach.
der auch in der Kammer unter brausendem Beifall das schwere Geschütz
der revolutionären Phrasen -- Pillnitz, Koblenz und die Theilung Polens
-- gegen den Laibacher Congreß spielen ließ. Die deutschen Zeitungsleser
stimmten aus vollen Herzen in den Jubel ein und ließen sich in ihrer
Bewunderung keineswegs stören, als Gentz mit überlegenem Hohne nach-
wies, dieser Held zweier Welten sei im Grunde nur ein von Eitelkeit
aufgeblähter mittelmäßiger Kopf.

Wunderbar, wie das stille Deutschland durch den Anblick der helle-
nischen Kämpfe mit einem male wieder tief und nachhaltig bewegt wurde.
In der philhellenischen Schwärmerei fanden sich fast alle Richtungen des
deutschen Lebens zusammen: der Freiheitsdrang der Liberalen, die Kreuz-
fahrergesinnung der christlichen Teutonen und die romantische Lust am
Fernen und Wunderbaren. Allen voran standen Metternich's alte Feinde,
die Gelehrten und ihre jungen Schüler, denen die Heldenkämpfe von Ma-
rathon und Salamis noch frisch im Herzen lebten. Der greise Voß, der
sich für den deutschen Freiheitskrieg nur mäßig erwärmt hatte, erhob jetzt
freudig seine Stimme; der Uebersetzer Homer's wollte nicht zurückstehen
wenn es galt die Dankesschuld der neuen Zeit an die schöne Heimath der
europäischen Gesittung abzutragen, und jubelnd feierte Thiersch seinen
Phossios in eleganten griechischen Distichen als den Vorfechter der musen-
geborenen Freiheit. Jakobs und Hufeland stimmten mit ein, der Schweizer
Orelli übersetzte die politischen Ermahnungen des alten Korais an seine
Landsleute. Tzschirner in Leipzig hielt von der Kanzel der Thomaskirche
eine philhellenische Predigt, sein schreibseliger Genosse Krug erließ den
ersten Aufruf zur Bildung von Hilfsvereinen, und bald wanderte in vielen
deutschen Städten der Gabenkasten mit dem weißen Hellenenkreuze von
Thür zu Thür. Der Gedanke, für ihre eigenen Parteizwecke Geldopfer zu
bringen, lag dieser gelehrten Nation noch ganz fern; doch für die halb-
sagenhaften Kämpfe eines fremden Volkes steuerte sie willig, die Kinder
leerten ihre Sparbüchsen, und Rückert sang:

Alle Geister, welche danken
Euern Weisen einen Strahl,
Treten mit Euch in die Schranken,
Rufen Sieg auf Euern Stahl.

Die Theilnahme für die kriegerischen Bergstämme des Südostens war
in den gelehrten Kreisen schon seit Jahren durch Byron's farbenglühende
Schilderungen und durch die schönen Volkslieder der Neugriechen erweckt,
dann durch die zahlreichen jungen Hellenen, die auf den deutschen Hoch-
schulen studirten, wach erhalten worden; nun schien die Wirklichkeit die
kühnsten Träume zu überbieten, denn immer wieder berichteten die Blätter
von den verwegenen Fahrten der schnellsegelnden Delphine von Hydräa,
von den glücklichen Berggefechten des Odysseus und seiner waghalsigen
Klephten. Dort auf der See und im Hochgebirge blieben die Griechen

III. 3. Troppau und Laibach.
der auch in der Kammer unter brauſendem Beifall das ſchwere Geſchütz
der revolutionären Phraſen — Pillnitz, Koblenz und die Theilung Polens
— gegen den Laibacher Congreß ſpielen ließ. Die deutſchen Zeitungsleſer
ſtimmten aus vollen Herzen in den Jubel ein und ließen ſich in ihrer
Bewunderung keineswegs ſtören, als Gentz mit überlegenem Hohne nach-
wies, dieſer Held zweier Welten ſei im Grunde nur ein von Eitelkeit
aufgeblähter mittelmäßiger Kopf.

Wunderbar, wie das ſtille Deutſchland durch den Anblick der helle-
niſchen Kämpfe mit einem male wieder tief und nachhaltig bewegt wurde.
In der philhelleniſchen Schwärmerei fanden ſich faſt alle Richtungen des
deutſchen Lebens zuſammen: der Freiheitsdrang der Liberalen, die Kreuz-
fahrergeſinnung der chriſtlichen Teutonen und die romantiſche Luſt am
Fernen und Wunderbaren. Allen voran ſtanden Metternich’s alte Feinde,
die Gelehrten und ihre jungen Schüler, denen die Heldenkämpfe von Ma-
rathon und Salamis noch friſch im Herzen lebten. Der greiſe Voß, der
ſich für den deutſchen Freiheitskrieg nur mäßig erwärmt hatte, erhob jetzt
freudig ſeine Stimme; der Ueberſetzer Homer’s wollte nicht zurückſtehen
wenn es galt die Dankesſchuld der neuen Zeit an die ſchöne Heimath der
europäiſchen Geſittung abzutragen, und jubelnd feierte Thierſch ſeinen
Φόσσιος in eleganten griechiſchen Diſtichen als den Vorfechter der muſen-
geborenen Freiheit. Jakobs und Hufeland ſtimmten mit ein, der Schweizer
Orelli überſetzte die politiſchen Ermahnungen des alten Korais an ſeine
Landsleute. Tzſchirner in Leipzig hielt von der Kanzel der Thomaskirche
eine philhelleniſche Predigt, ſein ſchreibſeliger Genoſſe Krug erließ den
erſten Aufruf zur Bildung von Hilfsvereinen, und bald wanderte in vielen
deutſchen Städten der Gabenkaſten mit dem weißen Hellenenkreuze von
Thür zu Thür. Der Gedanke, für ihre eigenen Parteizwecke Geldopfer zu
bringen, lag dieſer gelehrten Nation noch ganz fern; doch für die halb-
ſagenhaften Kämpfe eines fremden Volkes ſteuerte ſie willig, die Kinder
leerten ihre Sparbüchſen, und Rückert ſang:

Alle Geiſter, welche danken
Euern Weiſen einen Strahl,
Treten mit Euch in die Schranken,
Rufen Sieg auf Euern Stahl.

Die Theilnahme für die kriegeriſchen Bergſtämme des Südoſtens war
in den gelehrten Kreiſen ſchon ſeit Jahren durch Byron’s farbenglühende
Schilderungen und durch die ſchönen Volkslieder der Neugriechen erweckt,
dann durch die zahlreichen jungen Hellenen, die auf den deutſchen Hoch-
ſchulen ſtudirten, wach erhalten worden; nun ſchien die Wirklichkeit die
kühnſten Träume zu überbieten, denn immer wieder berichteten die Blätter
von den verwegenen Fahrten der ſchnellſegelnden Delphine von Hydräa,
von den glücklichen Berggefechten des Odyſſeus und ſeiner waghalſigen
Klephten. Dort auf der See und im Hochgebirge blieben die Griechen

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[194/0210] III. 3. Troppau und Laibach. der auch in der Kammer unter brauſendem Beifall das ſchwere Geſchütz der revolutionären Phraſen — Pillnitz, Koblenz und die Theilung Polens — gegen den Laibacher Congreß ſpielen ließ. Die deutſchen Zeitungsleſer ſtimmten aus vollen Herzen in den Jubel ein und ließen ſich in ihrer Bewunderung keineswegs ſtören, als Gentz mit überlegenem Hohne nach- wies, dieſer Held zweier Welten ſei im Grunde nur ein von Eitelkeit aufgeblähter mittelmäßiger Kopf. Wunderbar, wie das ſtille Deutſchland durch den Anblick der helle- niſchen Kämpfe mit einem male wieder tief und nachhaltig bewegt wurde. In der philhelleniſchen Schwärmerei fanden ſich faſt alle Richtungen des deutſchen Lebens zuſammen: der Freiheitsdrang der Liberalen, die Kreuz- fahrergeſinnung der chriſtlichen Teutonen und die romantiſche Luſt am Fernen und Wunderbaren. Allen voran ſtanden Metternich’s alte Feinde, die Gelehrten und ihre jungen Schüler, denen die Heldenkämpfe von Ma- rathon und Salamis noch friſch im Herzen lebten. Der greiſe Voß, der ſich für den deutſchen Freiheitskrieg nur mäßig erwärmt hatte, erhob jetzt freudig ſeine Stimme; der Ueberſetzer Homer’s wollte nicht zurückſtehen wenn es galt die Dankesſchuld der neuen Zeit an die ſchöne Heimath der europäiſchen Geſittung abzutragen, und jubelnd feierte Thierſch ſeinen Φόσσιος in eleganten griechiſchen Diſtichen als den Vorfechter der muſen- geborenen Freiheit. Jakobs und Hufeland ſtimmten mit ein, der Schweizer Orelli überſetzte die politiſchen Ermahnungen des alten Korais an ſeine Landsleute. Tzſchirner in Leipzig hielt von der Kanzel der Thomaskirche eine philhelleniſche Predigt, ſein ſchreibſeliger Genoſſe Krug erließ den erſten Aufruf zur Bildung von Hilfsvereinen, und bald wanderte in vielen deutſchen Städten der Gabenkaſten mit dem weißen Hellenenkreuze von Thür zu Thür. Der Gedanke, für ihre eigenen Parteizwecke Geldopfer zu bringen, lag dieſer gelehrten Nation noch ganz fern; doch für die halb- ſagenhaften Kämpfe eines fremden Volkes ſteuerte ſie willig, die Kinder leerten ihre Sparbüchſen, und Rückert ſang: Alle Geiſter, welche danken Euern Weiſen einen Strahl, Treten mit Euch in die Schranken, Rufen Sieg auf Euern Stahl. Die Theilnahme für die kriegeriſchen Bergſtämme des Südoſtens war in den gelehrten Kreiſen ſchon ſeit Jahren durch Byron’s farbenglühende Schilderungen und durch die ſchönen Volkslieder der Neugriechen erweckt, dann durch die zahlreichen jungen Hellenen, die auf den deutſchen Hoch- ſchulen ſtudirten, wach erhalten worden; nun ſchien die Wirklichkeit die kühnſten Träume zu überbieten, denn immer wieder berichteten die Blätter von den verwegenen Fahrten der ſchnellſegelnden Delphine von Hydräa, von den glücklichen Berggefechten des Odyſſeus und ſeiner waghalſigen Klephten. Dort auf der See und im Hochgebirge blieben die Griechen

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/210>, abgerufen am 21.11.2024.