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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885.

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III. 5. Die Großmächte und die Trias.
war die Hilfe, welche Deutschlands Volkswirthschaft von Oesterreich zu
erwarten hatte!*) Zuletzt riefen die unsicheren, vereinzelten Retorsionen
der süddeutschen Höfe nur einen neuen gehässigen Zank zwischen Baiern
und Baden hervor; denn da die bairische Pfalz keine Mauthen besaß,
so mußte Baden, um die französischen Weine wirksam zu treffen, auch die
Weineinfuhr vom bairischen Ueberrhein verbieten, was wieder bairische
Klagen veranlaßte -- und so weiter ins Unendliche.

Gegen den Herbst 1822 schienen die Verhandlungen wieder vorwärts
zu rücken. Baiern, ermuthigt durch einen drängenden Beschluß seines
Landtags, legte sich kräftig ins Zeug; der rastlose Wangenheim brachte
einen Vermittlungsantrag ein, zu Gunsten der bairischen Vorschläge. Aber
noch immer ward man nicht Handels einig, man zerrte herüber und hin-
über. Da verlor die darmstädtische Regierung die Geduld; sie hatte ihrem
Landtage baldige Regelung des Zollwesens versprochen und erklärte jetzt
(Februar 1823): wenn man nicht endlich sich vergleiche, so werde Darm-
stadt für sein eignes Haus sorgen.

Die preußische Regierung sah diesen wohlgemeinten aber aussichts-
losen Verhandlungen gelassen zu, da sie sich mit jedem Jahre mehr von
der Lebenskraft ihres eigenen Zollgesetzes überzeugte, und ließ sich in ihrer
kühlen Geringschätzung nicht stören, als die landesüblichen Kraftreden wider
Preußens Zollsystem auch auf der Darmstädter Conferenz erklangen. Eine
Denkschrift des Auswärtigen Amts bemerkte darüber späterhin trocken:
"Man wählte in Darmstadt Preußen zum Stichblatt, weil man dadurch
die öffentliche Meinung gewann und seine eigenen Pläne leichter durch-
setzen konnte."**) Metternich hingegen, der den Darmstädter Plänen keinen
fruchtbaren Gedanken entgegenzustellen wußte, ward der Sorgen nicht
ledig. Schon vor Eröffnung der Conferenzen ermahnte er Berstett, min-
destens den Einfluß der Subalternen und der Landstände fern zu halten.
Zugleich mußte Marschall gegen den Karlsruher Hof den Verdacht äußern,
ob vielleicht Nebenius selber zu den verkappten Demagogen gehöre. Der
badische Minister versuchte seinen Gönner zu beschwichtigen und gab an Nebe-
nius gemessene Weisung, sich vor allen politischen Nebengedanken zu hüten:
"Auch aus dem Einfachsten wird Gift gesogen. Rücksichten, die mehr ge-
fühlt als bezeichnet werden können, verbieten, den Landtagen irgend welche
Einwirkung zu gestatten." Gleichwohl blieb Metternich argwöhnisch, und
sein Marschall gestand ihm wehmüthig: da der Kaufmann mit seinem be-
weglichen Capitale leider nicht einem, sondern allen deutschen Staaten
angehöre, so könne die Handelssache von den Revolutionären allerdings
leicht für ihre Einheitsträume ausgebeutet werden.***) Selbst der unver-

*) Weisung Berstett's an Tettenborn in Wien, 18. Juni, Metternich an Hruby in
Karlsruhe, 12. Aug. 1822.
**) H. v. Bülow, Denkschrift über die süddeutschen Handelsvereine, 9. April 1828.
***) Metternich an Berstett, 1. Sept.; Berstett an Nebenius, 13. Sept.; Marschall
an Metternich, 10. Sept. 1820.

III. 5. Die Großmächte und die Trias.
war die Hilfe, welche Deutſchlands Volkswirthſchaft von Oeſterreich zu
erwarten hatte!*) Zuletzt riefen die unſicheren, vereinzelten Retorſionen
der ſüddeutſchen Höfe nur einen neuen gehäſſigen Zank zwiſchen Baiern
und Baden hervor; denn da die bairiſche Pfalz keine Mauthen beſaß,
ſo mußte Baden, um die franzöſiſchen Weine wirkſam zu treffen, auch die
Weineinfuhr vom bairiſchen Ueberrhein verbieten, was wieder bairiſche
Klagen veranlaßte — und ſo weiter ins Unendliche.

Gegen den Herbſt 1822 ſchienen die Verhandlungen wieder vorwärts
zu rücken. Baiern, ermuthigt durch einen drängenden Beſchluß ſeines
Landtags, legte ſich kräftig ins Zeug; der raſtloſe Wangenheim brachte
einen Vermittlungsantrag ein, zu Gunſten der bairiſchen Vorſchläge. Aber
noch immer ward man nicht Handels einig, man zerrte herüber und hin-
über. Da verlor die darmſtädtiſche Regierung die Geduld; ſie hatte ihrem
Landtage baldige Regelung des Zollweſens verſprochen und erklärte jetzt
(Februar 1823): wenn man nicht endlich ſich vergleiche, ſo werde Darm-
ſtadt für ſein eignes Haus ſorgen.

Die preußiſche Regierung ſah dieſen wohlgemeinten aber ausſichts-
loſen Verhandlungen gelaſſen zu, da ſie ſich mit jedem Jahre mehr von
der Lebenskraft ihres eigenen Zollgeſetzes überzeugte, und ließ ſich in ihrer
kühlen Geringſchätzung nicht ſtören, als die landesüblichen Kraftreden wider
Preußens Zollſyſtem auch auf der Darmſtädter Conferenz erklangen. Eine
Denkſchrift des Auswärtigen Amts bemerkte darüber ſpäterhin trocken:
„Man wählte in Darmſtadt Preußen zum Stichblatt, weil man dadurch
die öffentliche Meinung gewann und ſeine eigenen Pläne leichter durch-
ſetzen konnte.“**) Metternich hingegen, der den Darmſtädter Plänen keinen
fruchtbaren Gedanken entgegenzuſtellen wußte, ward der Sorgen nicht
ledig. Schon vor Eröffnung der Conferenzen ermahnte er Berſtett, min-
deſtens den Einfluß der Subalternen und der Landſtände fern zu halten.
Zugleich mußte Marſchall gegen den Karlsruher Hof den Verdacht äußern,
ob vielleicht Nebenius ſelber zu den verkappten Demagogen gehöre. Der
badiſche Miniſter verſuchte ſeinen Gönner zu beſchwichtigen und gab an Nebe-
nius gemeſſene Weiſung, ſich vor allen politiſchen Nebengedanken zu hüten:
„Auch aus dem Einfachſten wird Gift geſogen. Rückſichten, die mehr ge-
fühlt als bezeichnet werden können, verbieten, den Landtagen irgend welche
Einwirkung zu geſtatten.“ Gleichwohl blieb Metternich argwöhniſch, und
ſein Marſchall geſtand ihm wehmüthig: da der Kaufmann mit ſeinem be-
weglichen Capitale leider nicht einem, ſondern allen deutſchen Staaten
angehöre, ſo könne die Handelsſache von den Revolutionären allerdings
leicht für ihre Einheitsträume ausgebeutet werden.***) Selbſt der unver-

*) Weiſung Berſtett’s an Tettenborn in Wien, 18. Juni, Metternich an Hruby in
Karlsruhe, 12. Aug. 1822.
**) H. v. Bülow, Denkſchrift über die ſüddeutſchen Handelsvereine, 9. April 1828.
***) Metternich an Berſtett, 1. Sept.; Berſtett an Nebenius, 13. Sept.; Marſchall
an Metternich, 10. Sept. 1820.
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[308/0324] III. 5. Die Großmächte und die Trias. war die Hilfe, welche Deutſchlands Volkswirthſchaft von Oeſterreich zu erwarten hatte! *) Zuletzt riefen die unſicheren, vereinzelten Retorſionen der ſüddeutſchen Höfe nur einen neuen gehäſſigen Zank zwiſchen Baiern und Baden hervor; denn da die bairiſche Pfalz keine Mauthen beſaß, ſo mußte Baden, um die franzöſiſchen Weine wirkſam zu treffen, auch die Weineinfuhr vom bairiſchen Ueberrhein verbieten, was wieder bairiſche Klagen veranlaßte — und ſo weiter ins Unendliche. Gegen den Herbſt 1822 ſchienen die Verhandlungen wieder vorwärts zu rücken. Baiern, ermuthigt durch einen drängenden Beſchluß ſeines Landtags, legte ſich kräftig ins Zeug; der raſtloſe Wangenheim brachte einen Vermittlungsantrag ein, zu Gunſten der bairiſchen Vorſchläge. Aber noch immer ward man nicht Handels einig, man zerrte herüber und hin- über. Da verlor die darmſtädtiſche Regierung die Geduld; ſie hatte ihrem Landtage baldige Regelung des Zollweſens verſprochen und erklärte jetzt (Februar 1823): wenn man nicht endlich ſich vergleiche, ſo werde Darm- ſtadt für ſein eignes Haus ſorgen. Die preußiſche Regierung ſah dieſen wohlgemeinten aber ausſichts- loſen Verhandlungen gelaſſen zu, da ſie ſich mit jedem Jahre mehr von der Lebenskraft ihres eigenen Zollgeſetzes überzeugte, und ließ ſich in ihrer kühlen Geringſchätzung nicht ſtören, als die landesüblichen Kraftreden wider Preußens Zollſyſtem auch auf der Darmſtädter Conferenz erklangen. Eine Denkſchrift des Auswärtigen Amts bemerkte darüber ſpäterhin trocken: „Man wählte in Darmſtadt Preußen zum Stichblatt, weil man dadurch die öffentliche Meinung gewann und ſeine eigenen Pläne leichter durch- ſetzen konnte.“ **) Metternich hingegen, der den Darmſtädter Plänen keinen fruchtbaren Gedanken entgegenzuſtellen wußte, ward der Sorgen nicht ledig. Schon vor Eröffnung der Conferenzen ermahnte er Berſtett, min- deſtens den Einfluß der Subalternen und der Landſtände fern zu halten. Zugleich mußte Marſchall gegen den Karlsruher Hof den Verdacht äußern, ob vielleicht Nebenius ſelber zu den verkappten Demagogen gehöre. Der badiſche Miniſter verſuchte ſeinen Gönner zu beſchwichtigen und gab an Nebe- nius gemeſſene Weiſung, ſich vor allen politiſchen Nebengedanken zu hüten: „Auch aus dem Einfachſten wird Gift geſogen. Rückſichten, die mehr ge- fühlt als bezeichnet werden können, verbieten, den Landtagen irgend welche Einwirkung zu geſtatten.“ Gleichwohl blieb Metternich argwöhniſch, und ſein Marſchall geſtand ihm wehmüthig: da der Kaufmann mit ſeinem be- weglichen Capitale leider nicht einem, ſondern allen deutſchen Staaten angehöre, ſo könne die Handelsſache von den Revolutionären allerdings leicht für ihre Einheitsträume ausgebeutet werden. ***) Selbſt der unver- *) Weiſung Berſtett’s an Tettenborn in Wien, 18. Juni, Metternich an Hruby in Karlsruhe, 12. Aug. 1822. **) H. v. Bülow, Denkſchrift über die ſüddeutſchen Handelsvereine, 9. April 1828. ***) Metternich an Berſtett, 1. Sept.; Berſtett an Nebenius, 13. Sept.; Marſchall an Metternich, 10. Sept. 1820.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/324>, abgerufen am 22.11.2024.