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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885.

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Aufschwung des Verkehrs.
schen Verkehre zu regen. Bremen und Hamburg besaßen bereits mehrere
Seedampfer. Dann wurde auf der Ostsee ein regelmäßiger Postdampfer-
dienst eröffnet und nach wiederholten vergeblichen Versuchen auch die erste
deutsche Flußdampfschifffahrt auf der Oder eingerichtet. Zur selben Zeit
(1822) sendete eine holländische Gesellschaft den Dampfer "der Nieder-
länder" zum grenzenlosen Erstaunen der Uferbewohner nach Köln hinauf.
Drei Jahre später trat in Köln die erste deutsche Rheinschifffahrtsgesell-
schaft zusammen. Ihre drei Dampfer befuhren den Strom von Rotter-
dam bis Mainz, bald bis nach Mannheim, und beförderten im Jahre
1830 schon an 53,000 Reisende. Die gesammte Einnahme belief sich auf
wenig mehr als 200,000 Thlr., doch bereits war in Ruhrort eine Dampf-
schiffswerft im Bau, die Rheinschiffer ahnten schon das nahende Ver-
derben. Wie üppig hatten noch zu Anfang des Jahrhunderts die Rotter-
damer Beurtschiffer tagelang im heiligen Köln geschlemmt, wenn ihre
schweren Schiffe nach sechswöchentlicher Fahrt, von zwanzig Pferden ge-
zogen, im Hafen angelangt waren. Damals warf der Centner Kaffee
1 Thlr. 40 Stüber Fracht ab, jetzt fiel die Fracht auf 75 Centimes;
unerbittlich bewährte sich das Naturgesetz der modernen Volkswirthschaft,
das den Handel zwingt, kleinen Gewinn durch raschen Umsatz zu mehren.

Noch größere Umwälzungen waren im Anzuge. Im Jahre 1825 wurde
die erste Lokomotiv-Eisenbahn Europas, die kleine Strecke von Stockton nach
Darlington eröffnet, und da und dort wagte schon ein Vorwitziger die
Frage, ob nicht auch Deutschland sich die neue Erfindung zu nutze machen
solle; denn trotz allen Verbesserungen der jüngsten Jahre genügten die
vorhandenen Verkehrswege längst nicht mehr, bei Gleiwitz im oberschle-
sischen Bergwerksbezirke lagen hunderttausende von Centnern Steinkohlen
oft ein halbes Jahr hindurch müßig in den Kanalschiffen, wenn der
Wasserstand der Oder niedrig war. Indeß solche Stimmen blieben ver-
einzelt; die große Mehrzahl wollte sich in den alten Gewohnheiten nicht
stören lassen, die Kaufherren und Fabrikanten dachten kaum anders als
die kleinen Krämer. Als in Leipzig 1829 der Plan einer Eisenbahn nach
der Unterelbe zuerst besprochen wurde, da traten die Aeltesten der Magde-
burger Kaufmannschaft zusammen und verwarfen den Plan einstimmig,
da die Bahn nur den Eigenhandel Magdeburgs nach Leipzig locken würde.
Unter den Wenigen, welche die Macht der großen Neuerung ahnten, war
auch Motz. Er schlug schon im Jahre 1828 dem Könige vor, durch eine
Eisenbahn von Minden nach Lippstadt die Weser mit der schiffbaren Lippe
zu verbinden und also den gesammten Handelsverkehr zwischen Bremen
und Süddeutschland durch preußisches Gebiet zu leiten.*)

Gegen das Ende der zwanziger Jahre hatte der Landbau die ver-
heerenden Wirkungen der großen Krisis leidlich verwunden, und ein Jahr-

*) In dem oben erwähnten Hauptbericht über die Finanzverwaltung vom Mai 1828.
Treitschke, Deutsche Geschichte. III. 30

Aufſchwung des Verkehrs.
ſchen Verkehre zu regen. Bremen und Hamburg beſaßen bereits mehrere
Seedampfer. Dann wurde auf der Oſtſee ein regelmäßiger Poſtdampfer-
dienſt eröffnet und nach wiederholten vergeblichen Verſuchen auch die erſte
deutſche Flußdampfſchifffahrt auf der Oder eingerichtet. Zur ſelben Zeit
(1822) ſendete eine holländiſche Geſellſchaft den Dampfer „der Nieder-
länder“ zum grenzenloſen Erſtaunen der Uferbewohner nach Köln hinauf.
Drei Jahre ſpäter trat in Köln die erſte deutſche Rheinſchifffahrtsgeſell-
ſchaft zuſammen. Ihre drei Dampfer befuhren den Strom von Rotter-
dam bis Mainz, bald bis nach Mannheim, und beförderten im Jahre
1830 ſchon an 53,000 Reiſende. Die geſammte Einnahme belief ſich auf
wenig mehr als 200,000 Thlr., doch bereits war in Ruhrort eine Dampf-
ſchiffswerft im Bau, die Rheinſchiffer ahnten ſchon das nahende Ver-
derben. Wie üppig hatten noch zu Anfang des Jahrhunderts die Rotter-
damer Beurtſchiffer tagelang im heiligen Köln geſchlemmt, wenn ihre
ſchweren Schiffe nach ſechswöchentlicher Fahrt, von zwanzig Pferden ge-
zogen, im Hafen angelangt waren. Damals warf der Centner Kaffee
1 Thlr. 40 Stüber Fracht ab, jetzt fiel die Fracht auf 75 Centimes;
unerbittlich bewährte ſich das Naturgeſetz der modernen Volkswirthſchaft,
das den Handel zwingt, kleinen Gewinn durch raſchen Umſatz zu mehren.

Noch größere Umwälzungen waren im Anzuge. Im Jahre 1825 wurde
die erſte Lokomotiv-Eiſenbahn Europas, die kleine Strecke von Stockton nach
Darlington eröffnet, und da und dort wagte ſchon ein Vorwitziger die
Frage, ob nicht auch Deutſchland ſich die neue Erfindung zu nutze machen
ſolle; denn trotz allen Verbeſſerungen der jüngſten Jahre genügten die
vorhandenen Verkehrswege längſt nicht mehr, bei Gleiwitz im oberſchle-
ſiſchen Bergwerksbezirke lagen hunderttauſende von Centnern Steinkohlen
oft ein halbes Jahr hindurch müßig in den Kanalſchiffen, wenn der
Waſſerſtand der Oder niedrig war. Indeß ſolche Stimmen blieben ver-
einzelt; die große Mehrzahl wollte ſich in den alten Gewohnheiten nicht
ſtören laſſen, die Kaufherren und Fabrikanten dachten kaum anders als
die kleinen Krämer. Als in Leipzig 1829 der Plan einer Eiſenbahn nach
der Unterelbe zuerſt beſprochen wurde, da traten die Aelteſten der Magde-
burger Kaufmannſchaft zuſammen und verwarfen den Plan einſtimmig,
da die Bahn nur den Eigenhandel Magdeburgs nach Leipzig locken würde.
Unter den Wenigen, welche die Macht der großen Neuerung ahnten, war
auch Motz. Er ſchlug ſchon im Jahre 1828 dem Könige vor, durch eine
Eiſenbahn von Minden nach Lippſtadt die Weſer mit der ſchiffbaren Lippe
zu verbinden und alſo den geſammten Handelsverkehr zwiſchen Bremen
und Süddeutſchland durch preußiſches Gebiet zu leiten.*)

Gegen das Ende der zwanziger Jahre hatte der Landbau die ver-
heerenden Wirkungen der großen Kriſis leidlich verwunden, und ein Jahr-

*) In dem oben erwähnten Hauptbericht über die Finanzverwaltung vom Mai 1828.
Treitſchke, Deutſche Geſchichte. III. 30
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[465/0481] Aufſchwung des Verkehrs. ſchen Verkehre zu regen. Bremen und Hamburg beſaßen bereits mehrere Seedampfer. Dann wurde auf der Oſtſee ein regelmäßiger Poſtdampfer- dienſt eröffnet und nach wiederholten vergeblichen Verſuchen auch die erſte deutſche Flußdampfſchifffahrt auf der Oder eingerichtet. Zur ſelben Zeit (1822) ſendete eine holländiſche Geſellſchaft den Dampfer „der Nieder- länder“ zum grenzenloſen Erſtaunen der Uferbewohner nach Köln hinauf. Drei Jahre ſpäter trat in Köln die erſte deutſche Rheinſchifffahrtsgeſell- ſchaft zuſammen. Ihre drei Dampfer befuhren den Strom von Rotter- dam bis Mainz, bald bis nach Mannheim, und beförderten im Jahre 1830 ſchon an 53,000 Reiſende. Die geſammte Einnahme belief ſich auf wenig mehr als 200,000 Thlr., doch bereits war in Ruhrort eine Dampf- ſchiffswerft im Bau, die Rheinſchiffer ahnten ſchon das nahende Ver- derben. Wie üppig hatten noch zu Anfang des Jahrhunderts die Rotter- damer Beurtſchiffer tagelang im heiligen Köln geſchlemmt, wenn ihre ſchweren Schiffe nach ſechswöchentlicher Fahrt, von zwanzig Pferden ge- zogen, im Hafen angelangt waren. Damals warf der Centner Kaffee 1 Thlr. 40 Stüber Fracht ab, jetzt fiel die Fracht auf 75 Centimes; unerbittlich bewährte ſich das Naturgeſetz der modernen Volkswirthſchaft, das den Handel zwingt, kleinen Gewinn durch raſchen Umſatz zu mehren. Noch größere Umwälzungen waren im Anzuge. Im Jahre 1825 wurde die erſte Lokomotiv-Eiſenbahn Europas, die kleine Strecke von Stockton nach Darlington eröffnet, und da und dort wagte ſchon ein Vorwitziger die Frage, ob nicht auch Deutſchland ſich die neue Erfindung zu nutze machen ſolle; denn trotz allen Verbeſſerungen der jüngſten Jahre genügten die vorhandenen Verkehrswege längſt nicht mehr, bei Gleiwitz im oberſchle- ſiſchen Bergwerksbezirke lagen hunderttauſende von Centnern Steinkohlen oft ein halbes Jahr hindurch müßig in den Kanalſchiffen, wenn der Waſſerſtand der Oder niedrig war. Indeß ſolche Stimmen blieben ver- einzelt; die große Mehrzahl wollte ſich in den alten Gewohnheiten nicht ſtören laſſen, die Kaufherren und Fabrikanten dachten kaum anders als die kleinen Krämer. Als in Leipzig 1829 der Plan einer Eiſenbahn nach der Unterelbe zuerſt beſprochen wurde, da traten die Aelteſten der Magde- burger Kaufmannſchaft zuſammen und verwarfen den Plan einſtimmig, da die Bahn nur den Eigenhandel Magdeburgs nach Leipzig locken würde. Unter den Wenigen, welche die Macht der großen Neuerung ahnten, war auch Motz. Er ſchlug ſchon im Jahre 1828 dem Könige vor, durch eine Eiſenbahn von Minden nach Lippſtadt die Weſer mit der ſchiffbaren Lippe zu verbinden und alſo den geſammten Handelsverkehr zwiſchen Bremen und Süddeutſchland durch preußiſches Gebiet zu leiten. *) Gegen das Ende der zwanziger Jahre hatte der Landbau die ver- heerenden Wirkungen der großen Kriſis leidlich verwunden, und ein Jahr- *) In dem oben erwähnten Hauptbericht über die Finanzverwaltung vom Mai 1828. Treitſchke, Deutſche Geſchichte. III. 30

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 465. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/481>, abgerufen am 22.11.2024.