III. 7. Altständisches Stillleben in Norddeutschland.
Mit unbeirrtem Vertrauen waren die treuen deutschen Ritter und Gelehrten bisher der Staatskunst ihres Königs gefolgt; nur widerstrebend entschlossen sie sich, da berechnende Feindseligkeit zu erkennen, wo sie nur einzelne Mißgriffe eines wohlmeinenden Monarchen gesehen hatten. Mitten im Streite schrieb Falck arglos: von der Danisirung der Herzogthümer, worüber das Ausland klagt, ist uns im Inlande nichts bekannt, hat doch unser König seine Tochter in deutscher Sprache confirmiren lassen. Und selbst Dahlmann, der minder Vertrauensvolle, versicherte noch, es sei nie daran gedacht worden, Schleswig der absoluten Gewalt des Königs- gesetzes zu unterwerfen. Als aber jetzt, nur zwei Tage nach der Bestä- tigung der Privilegien, eine Commission nach Kopenhagen berufen wurde um eine neue Verfassung für Holstein allein zu entwerfen, da begann man doch ernstlich besorgt zu werden. Dänemark hatte in einem Athem das Recht des Landes anerkannt und dessen Grundlage, die Untheilbarkeit der Herzogthümer, in Frage gestellt. In einer drängenden Vorstellung sprach Dahlmann Namens der Ritterschaft die Erwartung aus, der König werde "keine Trennung beschließen, wo weder Trennung nützlich sei noch ohne Verletzung heiliger Verhältnisse bewirkt werden könne." Und nun- mehr ward es auch im Volke lebendig. Das Land hatte für die ver- gilbten Pergamente seiner Ritterschaft sich nicht erwärmen können, aber sobald der alte Kernsatz "Up ewig ungedeelt" bedroht schien, sendeten alle Städte Schleswigs und auch ein großer Theil der holsteinischen ernste Verwahrungen nach Kopenhagen.
Tief und allgemein war die Erregung allerdings nicht. Der Kampf um ein vergessenes altes Recht, dessen vollständige Wiederbelebung die Ritterschaft selber nicht wünschte, konnte dem Volke nicht verständlich sein, und so lange nur unsichere Gerüchte umliefen glaubte die Masse auch nicht recht an eine Gefährdung der Einheit des Landes. Mancher Liberale spottete der Privilegien des Adels; A. v. Hennings, derselbe der einst in seinem Genius der Zeit die französische Revolution mit Freuden begrüßt hatte, erklärte sich offen gegen die Ritterschaft. Auch Niebuhr, der größte Sohn des Landes hielt diesen verzwickten und verworrenen Rechtsstreit für aussichtslos. Immerhin genügten die Petitionen um den Hof zu be- unruhigen. Die bereits vollendete neue holsteinische Verfassung, die, wie billig, den gefährlichen Professoren die Wählbarkeit für den Landtag ab- sprach, ward in der Stille zurückgelegt, aber auch die alten Stände wur- den nicht einberufen. Ein Versuch der Grundbesitzer, sich zur Verweige- rung der widerrechtlichen Abgaben zu vereinigen, wurde streng untersagt; Dragoner trieben auf den Gütern die Steuern ein. Jahr um Jahr ver- strich. Da endlich protestirte die Ritterschaft förmlich, und Dahlmann gab seine Urkundliche Darstellung des Steuerbewilligungsrechts der schles- wigholsteinischen Stände heraus. Auf neue Proteste, Bitten, Vorstellungen erfolgte als Antwort nur die Drohung, der König werde die Deputation
III. 7. Altſtändiſches Stillleben in Norddeutſchland.
Mit unbeirrtem Vertrauen waren die treuen deutſchen Ritter und Gelehrten bisher der Staatskunſt ihres Königs gefolgt; nur widerſtrebend entſchloſſen ſie ſich, da berechnende Feindſeligkeit zu erkennen, wo ſie nur einzelne Mißgriffe eines wohlmeinenden Monarchen geſehen hatten. Mitten im Streite ſchrieb Falck arglos: von der Daniſirung der Herzogthümer, worüber das Ausland klagt, iſt uns im Inlande nichts bekannt, hat doch unſer König ſeine Tochter in deutſcher Sprache confirmiren laſſen. Und ſelbſt Dahlmann, der minder Vertrauensvolle, verſicherte noch, es ſei nie daran gedacht worden, Schleswig der abſoluten Gewalt des Königs- geſetzes zu unterwerfen. Als aber jetzt, nur zwei Tage nach der Beſtä- tigung der Privilegien, eine Commiſſion nach Kopenhagen berufen wurde um eine neue Verfaſſung für Holſtein allein zu entwerfen, da begann man doch ernſtlich beſorgt zu werden. Dänemark hatte in einem Athem das Recht des Landes anerkannt und deſſen Grundlage, die Untheilbarkeit der Herzogthümer, in Frage geſtellt. In einer drängenden Vorſtellung ſprach Dahlmann Namens der Ritterſchaft die Erwartung aus, der König werde „keine Trennung beſchließen, wo weder Trennung nützlich ſei noch ohne Verletzung heiliger Verhältniſſe bewirkt werden könne.“ Und nun- mehr ward es auch im Volke lebendig. Das Land hatte für die ver- gilbten Pergamente ſeiner Ritterſchaft ſich nicht erwärmen können, aber ſobald der alte Kernſatz „Up ewig ungedeelt“ bedroht ſchien, ſendeten alle Städte Schleswigs und auch ein großer Theil der holſteiniſchen ernſte Verwahrungen nach Kopenhagen.
Tief und allgemein war die Erregung allerdings nicht. Der Kampf um ein vergeſſenes altes Recht, deſſen vollſtändige Wiederbelebung die Ritterſchaft ſelber nicht wünſchte, konnte dem Volke nicht verſtändlich ſein, und ſo lange nur unſichere Gerüchte umliefen glaubte die Maſſe auch nicht recht an eine Gefährdung der Einheit des Landes. Mancher Liberale ſpottete der Privilegien des Adels; A. v. Hennings, derſelbe der einſt in ſeinem Genius der Zeit die franzöſiſche Revolution mit Freuden begrüßt hatte, erklärte ſich offen gegen die Ritterſchaft. Auch Niebuhr, der größte Sohn des Landes hielt dieſen verzwickten und verworrenen Rechtsſtreit für ausſichtslos. Immerhin genügten die Petitionen um den Hof zu be- unruhigen. Die bereits vollendete neue holſteiniſche Verfaſſung, die, wie billig, den gefährlichen Profeſſoren die Wählbarkeit für den Landtag ab- ſprach, ward in der Stille zurückgelegt, aber auch die alten Stände wur- den nicht einberufen. Ein Verſuch der Grundbeſitzer, ſich zur Verweige- rung der widerrechtlichen Abgaben zu vereinigen, wurde ſtreng unterſagt; Dragoner trieben auf den Gütern die Steuern ein. Jahr um Jahr ver- ſtrich. Da endlich proteſtirte die Ritterſchaft förmlich, und Dahlmann gab ſeine Urkundliche Darſtellung des Steuerbewilligungsrechts der ſchles- wigholſteiniſchen Stände heraus. Auf neue Proteſte, Bitten, Vorſtellungen erfolgte als Antwort nur die Drohung, der König werde die Deputation
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III. 7. Altſtändiſches Stillleben in Norddeutſchland.
Mit unbeirrtem Vertrauen waren die treuen deutſchen Ritter und
Gelehrten bisher der Staatskunſt ihres Königs gefolgt; nur widerſtrebend
entſchloſſen ſie ſich, da berechnende Feindſeligkeit zu erkennen, wo ſie nur
einzelne Mißgriffe eines wohlmeinenden Monarchen geſehen hatten. Mitten
im Streite ſchrieb Falck arglos: von der Daniſirung der Herzogthümer,
worüber das Ausland klagt, iſt uns im Inlande nichts bekannt, hat
doch unſer König ſeine Tochter in deutſcher Sprache confirmiren laſſen.
Und ſelbſt Dahlmann, der minder Vertrauensvolle, verſicherte noch, es
ſei nie daran gedacht worden, Schleswig der abſoluten Gewalt des Königs-
geſetzes zu unterwerfen. Als aber jetzt, nur zwei Tage nach der Beſtä-
tigung der Privilegien, eine Commiſſion nach Kopenhagen berufen wurde
um eine neue Verfaſſung für Holſtein allein zu entwerfen, da begann man
doch ernſtlich beſorgt zu werden. Dänemark hatte in einem Athem das
Recht des Landes anerkannt und deſſen Grundlage, die Untheilbarkeit
der Herzogthümer, in Frage geſtellt. In einer drängenden Vorſtellung
ſprach Dahlmann Namens der Ritterſchaft die Erwartung aus, der König
werde „keine Trennung beſchließen, wo weder Trennung nützlich ſei noch
ohne Verletzung heiliger Verhältniſſe bewirkt werden könne.“ Und nun-
mehr ward es auch im Volke lebendig. Das Land hatte für die ver-
gilbten Pergamente ſeiner Ritterſchaft ſich nicht erwärmen können, aber
ſobald der alte Kernſatz „Up ewig ungedeelt“ bedroht ſchien, ſendeten alle
Städte Schleswigs und auch ein großer Theil der holſteiniſchen ernſte
Verwahrungen nach Kopenhagen.
Tief und allgemein war die Erregung allerdings nicht. Der Kampf
um ein vergeſſenes altes Recht, deſſen vollſtändige Wiederbelebung die
Ritterſchaft ſelber nicht wünſchte, konnte dem Volke nicht verſtändlich ſein,
und ſo lange nur unſichere Gerüchte umliefen glaubte die Maſſe auch nicht
recht an eine Gefährdung der Einheit des Landes. Mancher Liberale
ſpottete der Privilegien des Adels; A. v. Hennings, derſelbe der einſt in
ſeinem Genius der Zeit die franzöſiſche Revolution mit Freuden begrüßt
hatte, erklärte ſich offen gegen die Ritterſchaft. Auch Niebuhr, der größte
Sohn des Landes hielt dieſen verzwickten und verworrenen Rechtsſtreit
für ausſichtslos. Immerhin genügten die Petitionen um den Hof zu be-
unruhigen. Die bereits vollendete neue holſteiniſche Verfaſſung, die, wie
billig, den gefährlichen Profeſſoren die Wählbarkeit für den Landtag ab-
ſprach, ward in der Stille zurückgelegt, aber auch die alten Stände wur-
den nicht einberufen. Ein Verſuch der Grundbeſitzer, ſich zur Verweige-
rung der widerrechtlichen Abgaben zu vereinigen, wurde ſtreng unterſagt;
Dragoner trieben auf den Gütern die Steuern ein. Jahr um Jahr ver-
ſtrich. Da endlich proteſtirte die Ritterſchaft förmlich, und Dahlmann
gab ſeine Urkundliche Darſtellung des Steuerbewilligungsrechts der ſchles-
wigholſteiniſchen Stände heraus. Auf neue Proteſte, Bitten, Vorſtellungen
erfolgte als Antwort nur die Drohung, der König werde die Deputation
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 596. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/612>, abgerufen am 24.11.2024.
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