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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894.

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Das Adelsgesetz.
deutsche Rechtssatz, daß jeder Sohn eines Edelmanns selbst ein Edelmann
war. Davon wollten die preußischen Adlichen ebenso wenig abgehen, wie
sie sich dazu verstanden hätten, nach englischer Weise in Folge eines Erb-
falls ihre Namen zu wechseln. Eine Regierung, die sich ihres historischen
Sinnes rühmte, durfte solche Thatsachen nicht verkennen; war sie klug,
so mußte sie diesen Stand, der eigentlich gar keine sociale Organisation
mehr besaß, sich selbst überlassen und zunächst abwarten, welche Geschlechter
in den ewig wogenden Klassenkämpfen der neuen Gesellschaft durch Besitz
und Verdienst ein aristokratisches Ansehen noch behaupten würden. Der
König aber konnte sein englisches Ideal nicht aufgeben; er wollte durch-
aus, wie er es schon bei den Adelserhebungen der Huldigungstage ver-
geblich versucht hatte, einen eigentlichen Grundadel schaffen, der an dem
befestigten Grundbesitze untrennbar haften sollte. Beharrlich künstelte er
an diesen unfruchtbaren Plänen. Nach dem Grundsatze der ständischen
Gliederung dachte er auch allen Edelleuten den Eintritt in niedere Be-
rufsklassen zu untersagen, um also die Sitten des Standes zu heben.
"Eine Hauptsache -- so bestimmte er in einem Briefe an Thile -- ist
die Ablegung des Adels bei gewissen Handtirungen, vornehmlich und un-
erläßlich aber beim Ergreifen des Comödianten-Handwerks." Indem er
also schrieb, begann er doch selbst die Unausführbarkeit seiner Gedanken
zu ahnen, und schon leise einlenkend fügte er in einer Nachschrift hinzu:
den königlichen Hofschauspielern würde man den Adel schwerlich nehmen
können.*)

Nach langen Vorbereitungen hielt er endlich am 10. Sept. 1846
in Sanssouci einen Kronrath, zu dem nur die adlich geborenen Minister
entboten waren. Hier erklärte sich der Prinz von Preußen, und mit ihm
die große Mehrheit, sehr nachdrücklich gegen den Plan, die Vererbung des
Adels auf einen Theil der Nachkommenschaft zu beschränken: das wider-
spreche der nationalen Gewohnheit und müsse im Adel selbst bedenkliche
Spaltungen bewirken.**) Der Monarch ließ sich nicht überzeugen. Nach
seinen Weisungen vollendete Savigny nunmehr, gegen Neujahr 1847,
den Entwurf eines Adelsgesetzes, das neben dem alten Erbadel noch einen
bedingt erblichen, an der Scholle haftenden Grundadel schaffen wollte;
dazu drittens einen persönlichen Adel für hohes Verdienst und schließlich
gar noch eine halbadliche Ritterschaft oder Gentry für die Söhne der
Neugeadelten.

So sollte denn Preußens niederer Adel, der doch gerade wegen seiner
Ueberzahl in der öffentlichen Achtung gesunken war, noch um einige neue
Klassen vermehrt werden; ja sogar die rheinbündische Institution des Per-
sonaladels, die in Süddeutschland den Erbadel so tief heruntergebracht

*) König Friedrich Wilhelm an Thile, 4. Jan. 1847.
**) Protokoll über die Conferenz vor Sr. Maj., 10. Sept. 1846.
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. V. 17

Das Adelsgeſetz.
deutſche Rechtsſatz, daß jeder Sohn eines Edelmanns ſelbſt ein Edelmann
war. Davon wollten die preußiſchen Adlichen ebenſo wenig abgehen, wie
ſie ſich dazu verſtanden hätten, nach engliſcher Weiſe in Folge eines Erb-
falls ihre Namen zu wechſeln. Eine Regierung, die ſich ihres hiſtoriſchen
Sinnes rühmte, durfte ſolche Thatſachen nicht verkennen; war ſie klug,
ſo mußte ſie dieſen Stand, der eigentlich gar keine ſociale Organiſation
mehr beſaß, ſich ſelbſt überlaſſen und zunächſt abwarten, welche Geſchlechter
in den ewig wogenden Klaſſenkämpfen der neuen Geſellſchaft durch Beſitz
und Verdienſt ein ariſtokratiſches Anſehen noch behaupten würden. Der
König aber konnte ſein engliſches Ideal nicht aufgeben; er wollte durch-
aus, wie er es ſchon bei den Adelserhebungen der Huldigungstage ver-
geblich verſucht hatte, einen eigentlichen Grundadel ſchaffen, der an dem
befeſtigten Grundbeſitze untrennbar haften ſollte. Beharrlich künſtelte er
an dieſen unfruchtbaren Plänen. Nach dem Grundſatze der ſtändiſchen
Gliederung dachte er auch allen Edelleuten den Eintritt in niedere Be-
rufsklaſſen zu unterſagen, um alſo die Sitten des Standes zu heben.
„Eine Hauptſache — ſo beſtimmte er in einem Briefe an Thile — iſt
die Ablegung des Adels bei gewiſſen Handtirungen, vornehmlich und un-
erläßlich aber beim Ergreifen des Comödianten-Handwerks.“ Indem er
alſo ſchrieb, begann er doch ſelbſt die Unausführbarkeit ſeiner Gedanken
zu ahnen, und ſchon leiſe einlenkend fügte er in einer Nachſchrift hinzu:
den königlichen Hofſchauſpielern würde man den Adel ſchwerlich nehmen
können.*)

Nach langen Vorbereitungen hielt er endlich am 10. Sept. 1846
in Sansſouci einen Kronrath, zu dem nur die adlich geborenen Miniſter
entboten waren. Hier erklärte ſich der Prinz von Preußen, und mit ihm
die große Mehrheit, ſehr nachdrücklich gegen den Plan, die Vererbung des
Adels auf einen Theil der Nachkommenſchaft zu beſchränken: das wider-
ſpreche der nationalen Gewohnheit und müſſe im Adel ſelbſt bedenkliche
Spaltungen bewirken.**) Der Monarch ließ ſich nicht überzeugen. Nach
ſeinen Weiſungen vollendete Savigny nunmehr, gegen Neujahr 1847,
den Entwurf eines Adelsgeſetzes, das neben dem alten Erbadel noch einen
bedingt erblichen, an der Scholle haftenden Grundadel ſchaffen wollte;
dazu drittens einen perſönlichen Adel für hohes Verdienſt und ſchließlich
gar noch eine halbadliche Ritterſchaft oder Gentry für die Söhne der
Neugeadelten.

So ſollte denn Preußens niederer Adel, der doch gerade wegen ſeiner
Ueberzahl in der öffentlichen Achtung geſunken war, noch um einige neue
Klaſſen vermehrt werden; ja ſogar die rheinbündiſche Inſtitution des Per-
ſonaladels, die in Süddeutſchland den Erbadel ſo tief heruntergebracht

*) König Friedrich Wilhelm an Thile, 4. Jan. 1847.
**) Protokoll über die Conferenz vor Sr. Maj., 10. Sept. 1846.
v. Treitſchke, Deutſche Geſchichte. V. 17
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[257/0271] Das Adelsgeſetz. deutſche Rechtsſatz, daß jeder Sohn eines Edelmanns ſelbſt ein Edelmann war. Davon wollten die preußiſchen Adlichen ebenſo wenig abgehen, wie ſie ſich dazu verſtanden hätten, nach engliſcher Weiſe in Folge eines Erb- falls ihre Namen zu wechſeln. Eine Regierung, die ſich ihres hiſtoriſchen Sinnes rühmte, durfte ſolche Thatſachen nicht verkennen; war ſie klug, ſo mußte ſie dieſen Stand, der eigentlich gar keine ſociale Organiſation mehr beſaß, ſich ſelbſt überlaſſen und zunächſt abwarten, welche Geſchlechter in den ewig wogenden Klaſſenkämpfen der neuen Geſellſchaft durch Beſitz und Verdienſt ein ariſtokratiſches Anſehen noch behaupten würden. Der König aber konnte ſein engliſches Ideal nicht aufgeben; er wollte durch- aus, wie er es ſchon bei den Adelserhebungen der Huldigungstage ver- geblich verſucht hatte, einen eigentlichen Grundadel ſchaffen, der an dem befeſtigten Grundbeſitze untrennbar haften ſollte. Beharrlich künſtelte er an dieſen unfruchtbaren Plänen. Nach dem Grundſatze der ſtändiſchen Gliederung dachte er auch allen Edelleuten den Eintritt in niedere Be- rufsklaſſen zu unterſagen, um alſo die Sitten des Standes zu heben. „Eine Hauptſache — ſo beſtimmte er in einem Briefe an Thile — iſt die Ablegung des Adels bei gewiſſen Handtirungen, vornehmlich und un- erläßlich aber beim Ergreifen des Comödianten-Handwerks.“ Indem er alſo ſchrieb, begann er doch ſelbſt die Unausführbarkeit ſeiner Gedanken zu ahnen, und ſchon leiſe einlenkend fügte er in einer Nachſchrift hinzu: den königlichen Hofſchauſpielern würde man den Adel ſchwerlich nehmen können. *) Nach langen Vorbereitungen hielt er endlich am 10. Sept. 1846 in Sansſouci einen Kronrath, zu dem nur die adlich geborenen Miniſter entboten waren. Hier erklärte ſich der Prinz von Preußen, und mit ihm die große Mehrheit, ſehr nachdrücklich gegen den Plan, die Vererbung des Adels auf einen Theil der Nachkommenſchaft zu beſchränken: das wider- ſpreche der nationalen Gewohnheit und müſſe im Adel ſelbſt bedenkliche Spaltungen bewirken. **) Der Monarch ließ ſich nicht überzeugen. Nach ſeinen Weiſungen vollendete Savigny nunmehr, gegen Neujahr 1847, den Entwurf eines Adelsgeſetzes, das neben dem alten Erbadel noch einen bedingt erblichen, an der Scholle haftenden Grundadel ſchaffen wollte; dazu drittens einen perſönlichen Adel für hohes Verdienſt und ſchließlich gar noch eine halbadliche Ritterſchaft oder Gentry für die Söhne der Neugeadelten. So ſollte denn Preußens niederer Adel, der doch gerade wegen ſeiner Ueberzahl in der öffentlichen Achtung geſunken war, noch um einige neue Klaſſen vermehrt werden; ja ſogar die rheinbündiſche Inſtitution des Per- ſonaladels, die in Süddeutſchland den Erbadel ſo tief heruntergebracht *) König Friedrich Wilhelm an Thile, 4. Jan. 1847. **) Protokoll über die Conferenz vor Sr. Maj., 10. Sept. 1846. v. Treitſchke, Deutſche Geſchichte. V. 17

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/271>, abgerufen am 21.11.2024.