man mit der zähen Hartnäckigkeit des römischen Stuhles immer Zug um Zug verhandeln muß. Friedrich Wilhelm aber verschmähte Alles was dem Markten und Feilschen glich. Er hielt es für königlich, alsbald durch eine freie That seiner Großmuth der Curie zu zeigen, wie wohl er es mit der Kirche meinte. Noch bevor die römischen Verhandlungen begannen, gab er seinen geliebten Polen ihren Erzbischof zurück, und wenige Tage später genehmigte er, sehr ungern freilich, auch Sedlnitzky's Abdankung. Dergestalt waren zwei der vier schwebenden Fragen schon im Voraus zu Roms Gunsten entschieden.
Zum Unterhändler wurde noch im Juni 1840 ein Jugendfreund des Königs, Oberstleutnant Graf Brühl bestimmt, ein in diplomatischen Geschäften noch ganz unerfahrener Offizier von liebenswürdigen Formen und vertrauenerweckendem Gradsinn. Brühl war überzeugter Katholik, doch keineswegs ultramontan gesinnt; mit dem milden Bischof Sedlnitzky unterhielt er von langeher freundschaftlichen Verkehr, und seine eigenen Töchter ließ er in dem evangelischen Bekenntniß der Mutter, einer Tochter Gneisenau's erziehen. Noch bei Lebzeiten des alten Königs fragte Sedl- nitzky in Wittgenstein's Auftrage bei ihm an, ob er nicht als Adjutant zu dem kranken Prinzen Heinrich nach Rom gehen wolle, um dort unter der Hand Verhandlungen mit dem Vatican einzuleiten. Damals lehnte Brühl ab, weil er den harten Territorialismus der preußischen Kirchen- politik ebenso tief verabscheute wie die fanatischen Allocutionen der Curie: "Altenstein mit den Seinen sowie Lambruschini mit seiner Clique sind einander werth." *) Jetzt nahm er den wiederholten Auftrag unbedenklich an: dem Rufe seines königlichen Freundes wollte er sich nicht entziehen, und seit dem Thronwechsel erschien die Unterhandlung auch nicht mehr aussichtslos. Er sollte sich in Rom zunächst aller bestimmten Aner- bietungen enthalten, aber der Curie feierlich versichern, daß der König der römischen Kirche in Preußen alle nur mögliche Freiheit gewähren wolle, und schließlich "als einen ersten Beweis guten Willens" verlangen: der Papst möge den Erzbischof von Köln -- vielleicht als Cardinal -- aus Deutschland abberufen um alsdann mit der Krone gemeinsam die Ver- waltung des verwaisten Erzbisthums endgiltig zu ordnen; **) bliebe der römische Stuhl ganz unversöhnlich, dann müßte sich Preußen mit England und anderen protestantischen Mächten über eine gemeinsame Kirchenpolitik verständigen. Diese Drohung bedeutete freilich gar nichts; denn Jeder- mann wußte, daß der Londoner Hof nie einen Finger regte, wenn er sich nicht in seinen eigenen Interessen bedroht glaubte, und in der That gab Palmerston, auf eine Anfrage des preußischen Gesandten, nur eine freund- liche aber völlig nichtssagende Antwort. ***)
**) Werther's Weisungen an Brühl, 10. 22. Juli, an Buch, 22. Juli 1840.
***) Bülow's Bericht, London 16. Aug., Werther's Bericht an den König, 26. Aug. 1840.
V. 4. Die Parteiung in der Kirche.
man mit der zähen Hartnäckigkeit des römiſchen Stuhles immer Zug um Zug verhandeln muß. Friedrich Wilhelm aber verſchmähte Alles was dem Markten und Feilſchen glich. Er hielt es für königlich, alsbald durch eine freie That ſeiner Großmuth der Curie zu zeigen, wie wohl er es mit der Kirche meinte. Noch bevor die römiſchen Verhandlungen begannen, gab er ſeinen geliebten Polen ihren Erzbiſchof zurück, und wenige Tage ſpäter genehmigte er, ſehr ungern freilich, auch Sedlnitzky’s Abdankung. Dergeſtalt waren zwei der vier ſchwebenden Fragen ſchon im Voraus zu Roms Gunſten entſchieden.
Zum Unterhändler wurde noch im Juni 1840 ein Jugendfreund des Königs, Oberſtleutnant Graf Brühl beſtimmt, ein in diplomatiſchen Geſchäften noch ganz unerfahrener Offizier von liebenswürdigen Formen und vertrauenerweckendem Gradſinn. Brühl war überzeugter Katholik, doch keineswegs ultramontan geſinnt; mit dem milden Biſchof Sedlnitzky unterhielt er von langeher freundſchaftlichen Verkehr, und ſeine eigenen Töchter ließ er in dem evangeliſchen Bekenntniß der Mutter, einer Tochter Gneiſenau’s erziehen. Noch bei Lebzeiten des alten Königs fragte Sedl- nitzky in Wittgenſtein’s Auftrage bei ihm an, ob er nicht als Adjutant zu dem kranken Prinzen Heinrich nach Rom gehen wolle, um dort unter der Hand Verhandlungen mit dem Vatican einzuleiten. Damals lehnte Brühl ab, weil er den harten Territorialismus der preußiſchen Kirchen- politik ebenſo tief verabſcheute wie die fanatiſchen Allocutionen der Curie: „Altenſtein mit den Seinen ſowie Lambruschini mit ſeiner Clique ſind einander werth.“ *) Jetzt nahm er den wiederholten Auftrag unbedenklich an: dem Rufe ſeines königlichen Freundes wollte er ſich nicht entziehen, und ſeit dem Thronwechſel erſchien die Unterhandlung auch nicht mehr ausſichtslos. Er ſollte ſich in Rom zunächſt aller beſtimmten Aner- bietungen enthalten, aber der Curie feierlich verſichern, daß der König der römiſchen Kirche in Preußen alle nur mögliche Freiheit gewähren wolle, und ſchließlich „als einen erſten Beweis guten Willens“ verlangen: der Papſt möge den Erzbiſchof von Köln — vielleicht als Cardinal — aus Deutſchland abberufen um alsdann mit der Krone gemeinſam die Ver- waltung des verwaiſten Erzbisthums endgiltig zu ordnen; **) bliebe der römiſche Stuhl ganz unverſöhnlich, dann müßte ſich Preußen mit England und anderen proteſtantiſchen Mächten über eine gemeinſame Kirchenpolitik verſtändigen. Dieſe Drohung bedeutete freilich gar nichts; denn Jeder- mann wußte, daß der Londoner Hof nie einen Finger regte, wenn er ſich nicht in ſeinen eigenen Intereſſen bedroht glaubte, und in der That gab Palmerſton, auf eine Anfrage des preußiſchen Geſandten, nur eine freund- liche aber völlig nichtsſagende Antwort. ***)
**) Werther’s Weiſungen an Brühl, 10. 22. Juli, an Buch, 22. Juli 1840.
***) Bülow’s Bericht, London 16. Aug., Werther’s Bericht an den König, 26. Aug. 1840.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0292"n="278"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#aq">V.</hi> 4. Die Parteiung in der Kirche.</fw><lb/>
man mit der zähen Hartnäckigkeit des römiſchen Stuhles immer Zug um<lb/>
Zug verhandeln muß. Friedrich Wilhelm aber verſchmähte Alles was<lb/>
dem Markten und Feilſchen glich. Er hielt es für königlich, alsbald durch<lb/>
eine freie That ſeiner Großmuth der Curie zu zeigen, wie wohl er es mit<lb/>
der Kirche meinte. Noch bevor die römiſchen Verhandlungen begannen,<lb/>
gab er ſeinen geliebten Polen ihren Erzbiſchof zurück, und wenige Tage<lb/>ſpäter genehmigte er, ſehr ungern freilich, auch Sedlnitzky’s Abdankung.<lb/>
Dergeſtalt waren zwei der vier ſchwebenden Fragen ſchon im Voraus zu<lb/>
Roms Gunſten entſchieden.</p><lb/><p>Zum Unterhändler wurde noch im Juni 1840 ein Jugendfreund<lb/>
des Königs, Oberſtleutnant Graf Brühl beſtimmt, ein in diplomatiſchen<lb/>
Geſchäften noch ganz unerfahrener Offizier von liebenswürdigen Formen<lb/>
und vertrauenerweckendem Gradſinn. Brühl war überzeugter Katholik,<lb/>
doch keineswegs ultramontan geſinnt; mit dem milden Biſchof Sedlnitzky<lb/>
unterhielt er von langeher freundſchaftlichen Verkehr, und ſeine eigenen<lb/>
Töchter ließ er in dem evangeliſchen Bekenntniß der Mutter, einer Tochter<lb/>
Gneiſenau’s erziehen. Noch bei Lebzeiten des alten Königs fragte Sedl-<lb/>
nitzky in Wittgenſtein’s Auftrage bei ihm an, ob er nicht als Adjutant<lb/>
zu dem kranken Prinzen Heinrich nach Rom gehen wolle, um dort unter<lb/>
der Hand Verhandlungen mit dem Vatican einzuleiten. Damals lehnte<lb/>
Brühl ab, weil er den harten Territorialismus der preußiſchen Kirchen-<lb/>
politik ebenſo tief verabſcheute wie die fanatiſchen Allocutionen der Curie:<lb/>„Altenſtein mit den Seinen ſowie Lambruschini mit ſeiner Clique ſind<lb/>
einander werth.“<noteplace="foot"n="*)">Sedlnitzky an Brühl, 20. 21. Febr. 1840, nebſt Brühl’s Bemerkungen.</note> Jetzt nahm er den wiederholten Auftrag unbedenklich<lb/>
an: dem Rufe ſeines königlichen Freundes wollte er ſich nicht entziehen,<lb/>
und ſeit dem Thronwechſel erſchien die Unterhandlung auch nicht mehr<lb/>
ausſichtslos. Er ſollte ſich in Rom zunächſt aller beſtimmten Aner-<lb/>
bietungen enthalten, aber der Curie feierlich verſichern, daß der König der<lb/>
römiſchen Kirche in Preußen alle nur mögliche Freiheit gewähren wolle,<lb/>
und ſchließlich „als einen erſten Beweis guten Willens“ verlangen: der<lb/>
Papſt möge den Erzbiſchof von Köln — vielleicht als Cardinal — aus<lb/>
Deutſchland abberufen um alsdann mit der Krone gemeinſam die Ver-<lb/>
waltung des verwaiſten Erzbisthums endgiltig zu ordnen; <noteplace="foot"n="**)">Werther’s Weiſungen an Brühl, 10. 22. Juli, an Buch, 22. Juli 1840.</note> bliebe der<lb/>
römiſche Stuhl ganz unverſöhnlich, dann müßte ſich Preußen mit England<lb/>
und anderen proteſtantiſchen Mächten über eine gemeinſame Kirchenpolitik<lb/>
verſtändigen. Dieſe Drohung bedeutete freilich gar nichts; denn Jeder-<lb/>
mann wußte, daß der Londoner Hof nie einen Finger regte, wenn er ſich<lb/>
nicht in ſeinen eigenen Intereſſen bedroht glaubte, und in der That gab<lb/>
Palmerſton, auf eine Anfrage des preußiſchen Geſandten, nur eine freund-<lb/>
liche aber völlig nichtsſagende Antwort. <noteplace="foot"n="***)">Bülow’s Bericht, London 16. Aug., Werther’s Bericht an den König, 26. Aug. 1840.</note></p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[278/0292]
V. 4. Die Parteiung in der Kirche.
man mit der zähen Hartnäckigkeit des römiſchen Stuhles immer Zug um
Zug verhandeln muß. Friedrich Wilhelm aber verſchmähte Alles was
dem Markten und Feilſchen glich. Er hielt es für königlich, alsbald durch
eine freie That ſeiner Großmuth der Curie zu zeigen, wie wohl er es mit
der Kirche meinte. Noch bevor die römiſchen Verhandlungen begannen,
gab er ſeinen geliebten Polen ihren Erzbiſchof zurück, und wenige Tage
ſpäter genehmigte er, ſehr ungern freilich, auch Sedlnitzky’s Abdankung.
Dergeſtalt waren zwei der vier ſchwebenden Fragen ſchon im Voraus zu
Roms Gunſten entſchieden.
Zum Unterhändler wurde noch im Juni 1840 ein Jugendfreund
des Königs, Oberſtleutnant Graf Brühl beſtimmt, ein in diplomatiſchen
Geſchäften noch ganz unerfahrener Offizier von liebenswürdigen Formen
und vertrauenerweckendem Gradſinn. Brühl war überzeugter Katholik,
doch keineswegs ultramontan geſinnt; mit dem milden Biſchof Sedlnitzky
unterhielt er von langeher freundſchaftlichen Verkehr, und ſeine eigenen
Töchter ließ er in dem evangeliſchen Bekenntniß der Mutter, einer Tochter
Gneiſenau’s erziehen. Noch bei Lebzeiten des alten Königs fragte Sedl-
nitzky in Wittgenſtein’s Auftrage bei ihm an, ob er nicht als Adjutant
zu dem kranken Prinzen Heinrich nach Rom gehen wolle, um dort unter
der Hand Verhandlungen mit dem Vatican einzuleiten. Damals lehnte
Brühl ab, weil er den harten Territorialismus der preußiſchen Kirchen-
politik ebenſo tief verabſcheute wie die fanatiſchen Allocutionen der Curie:
„Altenſtein mit den Seinen ſowie Lambruschini mit ſeiner Clique ſind
einander werth.“ *) Jetzt nahm er den wiederholten Auftrag unbedenklich
an: dem Rufe ſeines königlichen Freundes wollte er ſich nicht entziehen,
und ſeit dem Thronwechſel erſchien die Unterhandlung auch nicht mehr
ausſichtslos. Er ſollte ſich in Rom zunächſt aller beſtimmten Aner-
bietungen enthalten, aber der Curie feierlich verſichern, daß der König der
römiſchen Kirche in Preußen alle nur mögliche Freiheit gewähren wolle,
und ſchließlich „als einen erſten Beweis guten Willens“ verlangen: der
Papſt möge den Erzbiſchof von Köln — vielleicht als Cardinal — aus
Deutſchland abberufen um alsdann mit der Krone gemeinſam die Ver-
waltung des verwaiſten Erzbisthums endgiltig zu ordnen; **) bliebe der
römiſche Stuhl ganz unverſöhnlich, dann müßte ſich Preußen mit England
und anderen proteſtantiſchen Mächten über eine gemeinſame Kirchenpolitik
verſtändigen. Dieſe Drohung bedeutete freilich gar nichts; denn Jeder-
mann wußte, daß der Londoner Hof nie einen Finger regte, wenn er ſich
nicht in ſeinen eigenen Intereſſen bedroht glaubte, und in der That gab
Palmerſton, auf eine Anfrage des preußiſchen Geſandten, nur eine freund-
liche aber völlig nichtsſagende Antwort. ***)
*) Sedlnitzky an Brühl, 20. 21. Febr. 1840, nebſt Brühl’s Bemerkungen.
**) Werther’s Weiſungen an Brühl, 10. 22. Juli, an Buch, 22. Juli 1840.
***) Bülow’s Bericht, London 16. Aug., Werther’s Bericht an den König, 26. Aug. 1840.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/292>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.