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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894.

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Uebermuth der Clericalen.
aus der Höhe, sondern der Geist menschlicher Gereiztheit." Eberhard gab
eine freche Antwort, die der Bischof auf seinem Sterbebette empfing. Da
schritt der König selbst ein und verbot dem Hofprediger vorläufig die Kanzel
der Michaelskirche: "wenn sie auch nicht verkürzt, so hat er verbittert
doch des so würdigen Bischofs von Regensburg Tage letzte."*) Nachher
mußte Abel die Kreisregierungen durch ein Rundschreiben anweisen, daß
sie die Predigten überwachen und weder Störungen des confessionellen
Friedens noch materialistische Lehren dulden sollten. Das Münchener
erzbischöfliche Ordinariat aber, das insgeheim hinter Eberhard stand, ver-
wahrte sich dawider und erklärte kurzab: die Behauptung des Rund-
schreibens, daß die Grundlehren des Christenthums allen Confessionen ge-
meinsam seien, führe zum Indifferentismus. Diesen Widerspruch nahm
der gestrenge Minister schweigend hin. Nicht lange, so durfte auch Eber-
hard seine Kanzel wieder besteigen; und mit ihm wetteifernd donnerte
Hofstiftsprediger Wiser gegen die verstockten Herzen der Protestanten, die
ja in Baiern überall die katholische Wahrheit lernen könnten.

Nachhaltiger verstimmte den Monarchen die Haltung seines Clerus
bei der Bestattung der Königin-Wittwe Karoline (Nov. 1841). Mutter so
vieler strengkatholischen Töchter, Wohlthäterin der milden Stiftungen beider
Bekenntnisse, hatte die edle Frau ihren evangelischen Glauben doch nie
verleugnet und das altbewährte preußisch-bairische Bündniß immer hoch
geschätzt; noch im letzten Lebensjahre des alten Königs war sie zu ihm
nach Potsdam gereist um die gestörte Freundschaft der beiden Höfe wieder
zu befestigen.**) Grundes genug für den Haß der Clericalen. Die evan-
gelische Geistlichkeit wollte die Leiche nach der Trauerfeier zu der Fürsten-
gruft unter der Theatinerkirche geleiten um sie dort auszusegnen. Dies
entsprach dem allgemeinen Brauche; denn der segensreiche Grundsatz des
Westphälischen Friedens, daß die deutschen Protestanten nicht als Häretiker
behandelt werden dürften, war seit Montgelas' Zeiten auch in Baiern
zur vollen Geltung gelangt, alle Protestanten Münchens beerdigten ihre
Todten mit kirchlichen Ehren auf dem katholisch geweihten schönen Kirch-
hofe der Stadt. Windischmann aber, der Heißsporn des Domcapitels ver-
abredete sich in tiefem Geheimniß mit Abel.***) Darauf erließ der Erz-
bischof ein Verbot; auch den barmherzigen Schwestern, die ihrer freigebigen
Gönnerin zum Grabe zu folgen wünschten, wurde jede Theilnahme untersagt.
So mußte denn die königliche Leiche bei strömendem Regen draußen vor
der Thüre der Theatinerkirche ausgesegnet werden; dann trug man sie
rasch hinab, und die katholischen Priester standen im Frack dabei ohne sich
zu regen. Fast ebenso unanständig verlief der gesetzliche Trauergottesdienst
in den anderen Bischofsstädten. Nur Bischof Richarz von Augsburg, ein

*) König Ludwig an das Ministerium für Kirchenangelegenheiten, 19. Juli 1841.
**) Dönhoff's Bericht, 8. Dec. 1839.
***) Dönhoff's Bericht, 27. Nov. 1841.

Uebermuth der Clericalen.
aus der Höhe, ſondern der Geiſt menſchlicher Gereiztheit.“ Eberhard gab
eine freche Antwort, die der Biſchof auf ſeinem Sterbebette empfing. Da
ſchritt der König ſelbſt ein und verbot dem Hofprediger vorläufig die Kanzel
der Michaelskirche: „wenn ſie auch nicht verkürzt, ſo hat er verbittert
doch des ſo würdigen Biſchofs von Regensburg Tage letzte.“*) Nachher
mußte Abel die Kreisregierungen durch ein Rundſchreiben anweiſen, daß
ſie die Predigten überwachen und weder Störungen des confeſſionellen
Friedens noch materialiſtiſche Lehren dulden ſollten. Das Münchener
erzbiſchöfliche Ordinariat aber, das insgeheim hinter Eberhard ſtand, ver-
wahrte ſich dawider und erklärte kurzab: die Behauptung des Rund-
ſchreibens, daß die Grundlehren des Chriſtenthums allen Confeſſionen ge-
meinſam ſeien, führe zum Indifferentismus. Dieſen Widerſpruch nahm
der geſtrenge Miniſter ſchweigend hin. Nicht lange, ſo durfte auch Eber-
hard ſeine Kanzel wieder beſteigen; und mit ihm wetteifernd donnerte
Hofſtiftsprediger Wiſer gegen die verſtockten Herzen der Proteſtanten, die
ja in Baiern überall die katholiſche Wahrheit lernen könnten.

Nachhaltiger verſtimmte den Monarchen die Haltung ſeines Clerus
bei der Beſtattung der Königin-Wittwe Karoline (Nov. 1841). Mutter ſo
vieler ſtrengkatholiſchen Töchter, Wohlthäterin der milden Stiftungen beider
Bekenntniſſe, hatte die edle Frau ihren evangeliſchen Glauben doch nie
verleugnet und das altbewährte preußiſch-bairiſche Bündniß immer hoch
geſchätzt; noch im letzten Lebensjahre des alten Königs war ſie zu ihm
nach Potsdam gereiſt um die geſtörte Freundſchaft der beiden Höfe wieder
zu befeſtigen.**) Grundes genug für den Haß der Clericalen. Die evan-
geliſche Geiſtlichkeit wollte die Leiche nach der Trauerfeier zu der Fürſten-
gruft unter der Theatinerkirche geleiten um ſie dort auszuſegnen. Dies
entſprach dem allgemeinen Brauche; denn der ſegensreiche Grundſatz des
Weſtphäliſchen Friedens, daß die deutſchen Proteſtanten nicht als Häretiker
behandelt werden dürften, war ſeit Montgelas’ Zeiten auch in Baiern
zur vollen Geltung gelangt, alle Proteſtanten Münchens beerdigten ihre
Todten mit kirchlichen Ehren auf dem katholiſch geweihten ſchönen Kirch-
hofe der Stadt. Windiſchmann aber, der Heißſporn des Domcapitels ver-
abredete ſich in tiefem Geheimniß mit Abel.***) Darauf erließ der Erz-
biſchof ein Verbot; auch den barmherzigen Schweſtern, die ihrer freigebigen
Gönnerin zum Grabe zu folgen wünſchten, wurde jede Theilnahme unterſagt.
So mußte denn die königliche Leiche bei ſtrömendem Regen draußen vor
der Thüre der Theatinerkirche ausgeſegnet werden; dann trug man ſie
raſch hinab, und die katholiſchen Prieſter ſtanden im Frack dabei ohne ſich
zu regen. Faſt ebenſo unanſtändig verlief der geſetzliche Trauergottesdienſt
in den anderen Biſchofsſtädten. Nur Biſchof Richarz von Augsburg, ein

*) König Ludwig an das Miniſterium für Kirchenangelegenheiten, 19. Juli 1841.
**) Dönhoff’s Bericht, 8. Dec. 1839.
***) Dönhoff’s Bericht, 27. Nov. 1841.
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[311/0325] Uebermuth der Clericalen. aus der Höhe, ſondern der Geiſt menſchlicher Gereiztheit.“ Eberhard gab eine freche Antwort, die der Biſchof auf ſeinem Sterbebette empfing. Da ſchritt der König ſelbſt ein und verbot dem Hofprediger vorläufig die Kanzel der Michaelskirche: „wenn ſie auch nicht verkürzt, ſo hat er verbittert doch des ſo würdigen Biſchofs von Regensburg Tage letzte.“ *) Nachher mußte Abel die Kreisregierungen durch ein Rundſchreiben anweiſen, daß ſie die Predigten überwachen und weder Störungen des confeſſionellen Friedens noch materialiſtiſche Lehren dulden ſollten. Das Münchener erzbiſchöfliche Ordinariat aber, das insgeheim hinter Eberhard ſtand, ver- wahrte ſich dawider und erklärte kurzab: die Behauptung des Rund- ſchreibens, daß die Grundlehren des Chriſtenthums allen Confeſſionen ge- meinſam ſeien, führe zum Indifferentismus. Dieſen Widerſpruch nahm der geſtrenge Miniſter ſchweigend hin. Nicht lange, ſo durfte auch Eber- hard ſeine Kanzel wieder beſteigen; und mit ihm wetteifernd donnerte Hofſtiftsprediger Wiſer gegen die verſtockten Herzen der Proteſtanten, die ja in Baiern überall die katholiſche Wahrheit lernen könnten. Nachhaltiger verſtimmte den Monarchen die Haltung ſeines Clerus bei der Beſtattung der Königin-Wittwe Karoline (Nov. 1841). Mutter ſo vieler ſtrengkatholiſchen Töchter, Wohlthäterin der milden Stiftungen beider Bekenntniſſe, hatte die edle Frau ihren evangeliſchen Glauben doch nie verleugnet und das altbewährte preußiſch-bairiſche Bündniß immer hoch geſchätzt; noch im letzten Lebensjahre des alten Königs war ſie zu ihm nach Potsdam gereiſt um die geſtörte Freundſchaft der beiden Höfe wieder zu befeſtigen. **) Grundes genug für den Haß der Clericalen. Die evan- geliſche Geiſtlichkeit wollte die Leiche nach der Trauerfeier zu der Fürſten- gruft unter der Theatinerkirche geleiten um ſie dort auszuſegnen. Dies entſprach dem allgemeinen Brauche; denn der ſegensreiche Grundſatz des Weſtphäliſchen Friedens, daß die deutſchen Proteſtanten nicht als Häretiker behandelt werden dürften, war ſeit Montgelas’ Zeiten auch in Baiern zur vollen Geltung gelangt, alle Proteſtanten Münchens beerdigten ihre Todten mit kirchlichen Ehren auf dem katholiſch geweihten ſchönen Kirch- hofe der Stadt. Windiſchmann aber, der Heißſporn des Domcapitels ver- abredete ſich in tiefem Geheimniß mit Abel. ***) Darauf erließ der Erz- biſchof ein Verbot; auch den barmherzigen Schweſtern, die ihrer freigebigen Gönnerin zum Grabe zu folgen wünſchten, wurde jede Theilnahme unterſagt. So mußte denn die königliche Leiche bei ſtrömendem Regen draußen vor der Thüre der Theatinerkirche ausgeſegnet werden; dann trug man ſie raſch hinab, und die katholiſchen Prieſter ſtanden im Frack dabei ohne ſich zu regen. Faſt ebenſo unanſtändig verlief der geſetzliche Trauergottesdienſt in den anderen Biſchofsſtädten. Nur Biſchof Richarz von Augsburg, ein *) König Ludwig an das Miniſterium für Kirchenangelegenheiten, 19. Juli 1841. **) Dönhoff’s Bericht, 8. Dec. 1839. ***) Dönhoff’s Bericht, 27. Nov. 1841.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/325>, abgerufen am 21.11.2024.