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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894.

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V. 4. Die Parteiung in der Kirche.
Prälat aus der alten Schule, veranstaltete eine würdige Feier, freilich ohne
Seelenmesse, und gestand dem Monarchen ehrlich: als treuer Unterthan
habe er nicht weniger thun können, aber auch nicht mehr, aus Rücksicht
auf seinen Erzbischof; dann betheuerte er seine "Ueberzeugung, daß die-
jenigen, die den conservativen Principien in der Religion und im Leben
mit Vernunft ergeben sind, Liebe, nicht Haß zu predigen und zu üben
haben."*)

Der König dankte dem Getreuen durch ein sogleich veröffentlichtes
Belobungsschreiben; er wußte sicherlich nicht, daß sein eigener Minister den
schmählichen Auftritt in München mit veranlaßt hatte, und erst weit später
ward ihm kund, wie der heilige Vater selbst darüber dachte. Dem alten Ca-
maldulensermönche hatte die Verhöhnung der protestantischen Königin eine
rechte Herzensfreude bereitet. In solcher Stimmung richtete Gregor an den
Augsburger Ketzerfreund ein strenges, doch nicht ganz ungnädiges Breve; er
tadelte ihn, weil er sich nicht gescheut hätte die Todte sogar den frommen
Bitten der Gläubigen zu empfehlen, und schloß mit der väterlichen Mah-
nung: der Bischof möge sein Unrecht sühnen, seine treuen Schafe beschützen
"gegen den eitlen Trug jener Ohrenschmeichler, welche lügnerisch aus-
breiten, ein dem katholischen Glauben und der katholischen Kirche fremder
Mensch könne, wenn auch so gestorben, zum ewigen Leben gelangen". Um
auch für die Zukunft vorzubauen sendete der Papst bald nachher ein zweites
Breve an den Propst des Benediktinerklosters Scheyern, das der König so-
eben wiederhergestellt hatte; da hieß es: der heilige Stuhl könne diese
Klosterstiftung nur dann bestätigen, wenn die vom Stifter ausbedungenen
Trauerfeiern für das königliche Haus ausschließlich auf die Sterbetage der
katholischen Wittelsbacher beschränkt würden.**) So wagte die Curie schon
dem Fürstengeschlechte zu begegnen, das ihr unter allen in Deutschland stets
die größte Hingebung gezeigt hatte. König Ludwig empfand diese Kränkungen
sehr tief, obgleich er seine Stiefmutter nie geliebt hatte. Die ihm näher
standen merkten bald, daß er fortan seinen Minister mit stillem Argwohn
betrachtete.

Für jetzt konnte er freilich den kräftigen Diener nicht entbehren, der
ihm so viele Erübrigungen für seine Bauten verschaffte und die Landstände
so scharf im Zaum hielt. Im Auslande fragte man wohl spottend, warum
doch der Segen der Ueberschüsse, den man sich in anderen Ländern sehn-
lich wünschte, dem Münchener Landtage so viel Kummer bereitete. Die
Baiern hatten jedoch guten Grund zur Klage; denn ihre Erübrigungen,
die man für die letzten Jahre bis 1841 auf 29 Mill. Gulden schätzte,
wurden nur ermöglicht durch die Verwahrlosung wichtiger Verwaltungs-

*) Bischof Richarz an König Ludwig, 24. Nov. 1841.
**) Gregor XVI., Breven an Bischof Peter von Augsburg, 13. Febr., an Propst
Rupert von Scheyern, 9. Juli 1842.

V. 4. Die Parteiung in der Kirche.
Prälat aus der alten Schule, veranſtaltete eine würdige Feier, freilich ohne
Seelenmeſſe, und geſtand dem Monarchen ehrlich: als treuer Unterthan
habe er nicht weniger thun können, aber auch nicht mehr, aus Rückſicht
auf ſeinen Erzbiſchof; dann betheuerte er ſeine „Ueberzeugung, daß die-
jenigen, die den conſervativen Principien in der Religion und im Leben
mit Vernunft ergeben ſind, Liebe, nicht Haß zu predigen und zu üben
haben.“*)

Der König dankte dem Getreuen durch ein ſogleich veröffentlichtes
Belobungsſchreiben; er wußte ſicherlich nicht, daß ſein eigener Miniſter den
ſchmählichen Auftritt in München mit veranlaßt hatte, und erſt weit ſpäter
ward ihm kund, wie der heilige Vater ſelbſt darüber dachte. Dem alten Ca-
maldulenſermönche hatte die Verhöhnung der proteſtantiſchen Königin eine
rechte Herzensfreude bereitet. In ſolcher Stimmung richtete Gregor an den
Augsburger Ketzerfreund ein ſtrenges, doch nicht ganz ungnädiges Breve; er
tadelte ihn, weil er ſich nicht geſcheut hätte die Todte ſogar den frommen
Bitten der Gläubigen zu empfehlen, und ſchloß mit der väterlichen Mah-
nung: der Biſchof möge ſein Unrecht ſühnen, ſeine treuen Schafe beſchützen
„gegen den eitlen Trug jener Ohrenſchmeichler, welche lügneriſch aus-
breiten, ein dem katholiſchen Glauben und der katholiſchen Kirche fremder
Menſch könne, wenn auch ſo geſtorben, zum ewigen Leben gelangen“. Um
auch für die Zukunft vorzubauen ſendete der Papſt bald nachher ein zweites
Breve an den Propſt des Benediktinerkloſters Scheyern, das der König ſo-
eben wiederhergeſtellt hatte; da hieß es: der heilige Stuhl könne dieſe
Kloſterſtiftung nur dann beſtätigen, wenn die vom Stifter ausbedungenen
Trauerfeiern für das königliche Haus ausſchließlich auf die Sterbetage der
katholiſchen Wittelsbacher beſchränkt würden.**) So wagte die Curie ſchon
dem Fürſtengeſchlechte zu begegnen, das ihr unter allen in Deutſchland ſtets
die größte Hingebung gezeigt hatte. König Ludwig empfand dieſe Kränkungen
ſehr tief, obgleich er ſeine Stiefmutter nie geliebt hatte. Die ihm näher
ſtanden merkten bald, daß er fortan ſeinen Miniſter mit ſtillem Argwohn
betrachtete.

Für jetzt konnte er freilich den kräftigen Diener nicht entbehren, der
ihm ſo viele Erübrigungen für ſeine Bauten verſchaffte und die Landſtände
ſo ſcharf im Zaum hielt. Im Auslande fragte man wohl ſpottend, warum
doch der Segen der Ueberſchüſſe, den man ſich in anderen Ländern ſehn-
lich wünſchte, dem Münchener Landtage ſo viel Kummer bereitete. Die
Baiern hatten jedoch guten Grund zur Klage; denn ihre Erübrigungen,
die man für die letzten Jahre bis 1841 auf 29 Mill. Gulden ſchätzte,
wurden nur ermöglicht durch die Verwahrloſung wichtiger Verwaltungs-

*) Biſchof Richarz an König Ludwig, 24. Nov. 1841.
**) Gregor XVI., Breven an Biſchof Peter von Augsburg, 13. Febr., an Propſt
Rupert von Scheyern, 9. Juli 1842.
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[312/0326] V. 4. Die Parteiung in der Kirche. Prälat aus der alten Schule, veranſtaltete eine würdige Feier, freilich ohne Seelenmeſſe, und geſtand dem Monarchen ehrlich: als treuer Unterthan habe er nicht weniger thun können, aber auch nicht mehr, aus Rückſicht auf ſeinen Erzbiſchof; dann betheuerte er ſeine „Ueberzeugung, daß die- jenigen, die den conſervativen Principien in der Religion und im Leben mit Vernunft ergeben ſind, Liebe, nicht Haß zu predigen und zu üben haben.“ *) Der König dankte dem Getreuen durch ein ſogleich veröffentlichtes Belobungsſchreiben; er wußte ſicherlich nicht, daß ſein eigener Miniſter den ſchmählichen Auftritt in München mit veranlaßt hatte, und erſt weit ſpäter ward ihm kund, wie der heilige Vater ſelbſt darüber dachte. Dem alten Ca- maldulenſermönche hatte die Verhöhnung der proteſtantiſchen Königin eine rechte Herzensfreude bereitet. In ſolcher Stimmung richtete Gregor an den Augsburger Ketzerfreund ein ſtrenges, doch nicht ganz ungnädiges Breve; er tadelte ihn, weil er ſich nicht geſcheut hätte die Todte ſogar den frommen Bitten der Gläubigen zu empfehlen, und ſchloß mit der väterlichen Mah- nung: der Biſchof möge ſein Unrecht ſühnen, ſeine treuen Schafe beſchützen „gegen den eitlen Trug jener Ohrenſchmeichler, welche lügneriſch aus- breiten, ein dem katholiſchen Glauben und der katholiſchen Kirche fremder Menſch könne, wenn auch ſo geſtorben, zum ewigen Leben gelangen“. Um auch für die Zukunft vorzubauen ſendete der Papſt bald nachher ein zweites Breve an den Propſt des Benediktinerkloſters Scheyern, das der König ſo- eben wiederhergeſtellt hatte; da hieß es: der heilige Stuhl könne dieſe Kloſterſtiftung nur dann beſtätigen, wenn die vom Stifter ausbedungenen Trauerfeiern für das königliche Haus ausſchließlich auf die Sterbetage der katholiſchen Wittelsbacher beſchränkt würden. **) So wagte die Curie ſchon dem Fürſtengeſchlechte zu begegnen, das ihr unter allen in Deutſchland ſtets die größte Hingebung gezeigt hatte. König Ludwig empfand dieſe Kränkungen ſehr tief, obgleich er ſeine Stiefmutter nie geliebt hatte. Die ihm näher ſtanden merkten bald, daß er fortan ſeinen Miniſter mit ſtillem Argwohn betrachtete. Für jetzt konnte er freilich den kräftigen Diener nicht entbehren, der ihm ſo viele Erübrigungen für ſeine Bauten verſchaffte und die Landſtände ſo ſcharf im Zaum hielt. Im Auslande fragte man wohl ſpottend, warum doch der Segen der Ueberſchüſſe, den man ſich in anderen Ländern ſehn- lich wünſchte, dem Münchener Landtage ſo viel Kummer bereitete. Die Baiern hatten jedoch guten Grund zur Klage; denn ihre Erübrigungen, die man für die letzten Jahre bis 1841 auf 29 Mill. Gulden ſchätzte, wurden nur ermöglicht durch die Verwahrloſung wichtiger Verwaltungs- *) Biſchof Richarz an König Ludwig, 24. Nov. 1841. **) Gregor XVI., Breven an Biſchof Peter von Augsburg, 13. Febr., an Propſt Rupert von Scheyern, 9. Juli 1842.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 5: Bis zur März-Revolution. Leipzig, 1894, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte05_1894/326>, abgerufen am 21.11.2024.